Ingeborg Bachmann, Hans Werner Henze

Briefe einer Freundschaft

Cover: Briefe einer Freundschaft
Piper Verlag, München 2004
ISBN 9783492046084
Gebunden, 538 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Hans Höller. Mit einem Vorwort von Hans W. Henze. Mit 8 Faksimiles. Zum ersten Mal Briefe von Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze. Zeugnis einer einzigartigen Freundschaft. "Ich lehnte mich an Sie an, ihr Geist half meiner Schwachheit auf", schreibt Hans Werner Henze über Ingeborg Bachmann. Der aufstrebende Komponist erkannte rasch eine Seelenverwandte in der jungen Dichterin, das war 1952 in Göttingen. Und schon im folgenden Jahr setzte ein leidenschaftlicher und immer vertrauter werdender Briefwechsel ein. Einig sind sie sich darin im Hass auf Nazideutschland, wollen mit Günter Grass die junge Sozialdemokratie unterstützen und sind doch im Herzen immer bei ihrer "Pflicht", der Kunst, in der sie gemeinsam an Liedern und einer großen Oper arbeiten.
Als die Beziehung zu Max Frisch auseinandergeht, gesteht Ingeborg Bachmann ihrem Freund: "Du bist mir der kostbarste Mensch", und Henze lädt sie in schwärmerischen, tröstenden und ernsten Briefen zu sich nach Rom und Neapel ein, um bei ihr sein zu können und das Eigentliche zu tun: schreiben, komponieren und Ruhe finden in einem Leben, "für das man vielleicht nicht stark genug ist". Nie zuvor wurden Briefe von Ingeborg Bachmann veröffentlicht. Der reiche Briefwechsel zwischen ihr und dem Komponisten Hans Werner Henze ist das einzigartige Zeugnis künstlerischen Austauschs und einer bedingungslosen Freundschaft.

Im Perlentaucher: Rezension Perlentaucher

Es ist eines der ergreifendsten Bücher der letzten Jahre. Man kann den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann (1926-1973) und Hans Werner Henze (1926) nicht lesen, ohne mitgenommen zu werden von der Begeisterung Henzes, ohne sich zurückzusehnen nach einer Jugend, in der alles neu schien und gleichzeitig alles neu zu machen war. "Illustres zartes Bachtier" spricht Henze Anfang Oktober 1954 Ingeborg Bachmann an. Ein andermal ist sie die "große und nicht schlecht erleuchtete Bachstelze" oder später auch "liebes Ingelchen". Die Dichterin ist weniger einfallsreich. Sie sagt meist nur "lieber Hans". Der Enthusiasmus ist in diesem Briefwechsel eindeutig der männliche Part. Die Lebensfreude auch und die Lust auf Luxus und Arbeit. Die Selbstverständlichkeit, mit der Henze davon ausgeht, dass er sein Genie achten und pflegen, ja verwöhnen muss, um in nimmer müder Arbeit die schönsten Resultate aus ihm herauspressen, nein, nein, entlassen zu können, ist beneidenswert. Spät erst begreift der nicht Henze-Kenner, dass Henze so schreibt, um seiner Freundin eine Stütze zu sein, dass er ihr ein Ansporn sein möchte, weil er weiß, dass sie seine Selbstzweifel nicht brauchen kann, weil sie von den ihrigen fast aufgefressen wird...
Lesen Sie mehr in Arno Widmanns 'Vom Nachttisch geräumt'

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.02.2005

Nachhaltigen Eindruck hat die Korrespondenz zwischen dem Komponisten Hans Werner Henze und der Dichterin Ingeborg Bachmann bei Hansjörg Graf hinterlassen. Über zwanzig Jahre waren Henze und Bachmann befreundet, eine Künstlerfreundschaft, die auf einer Tagung der Gruppe 47 im Jahr 1952 ihren Anfang nahm und mit dem Tod Bachmanns im Jahr 1973 zwangsläufig endete. Für Graf dokumentiert dieser Briefwechsel nicht nur eine bestimmte Zeitspanne im Leben der beiden Briefpartner, sondern zeichnet darüberhinaus auch ein Porträt der 50er und 60er Jahre mit ihrem "Wandel vom Spiel zur Theorie, von der Ästhetik zur Gesellschaftslehre". Die Spannbreite dieser Korrespondenz sei enorm, staunt Graf, der die Briefe auch hinsichtlich Bachmanns Prosa höchst aufschlussreich findet, da sie Ereignisse in ihrem Leben resümmierten, die sich in verwandelter Form in ihren Texten beschrieben fänden. Noch eins ist dem Rezensenten aufgefallen: die Legende, Ingeborg Bachmann sei eine weltfremde und geschäftsuntüchtige Frau gewesen, müsse nun endgültig vom Tisch sein, behauptet er energisch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.12.2004

Ursula März wähnte sich bei der Lektüre dieses Briefwechsels, den sie "zu den bedeutendsten Künstlerkorrespondenzen des 20. Jahrhunderts" zählt, auf einem faszinierenden Abstecher in die Zwillingsforschung. Denn Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze - beinahe am selben Tag geboren, in deckungsgleichen sozialen und familiären Milieus groß geworden, übereinstimmende Visionen ihrer künstlerischen Zukunft herausbildend - haben sich trotz verblüffender biografischer Übereinstimmungen in einem Punkt grundsätzlich unterschieden, der die Dynamik ihrer Korrespondenz bestimmte: Während er die Fähigkeit besaß, persönliches Leiden mit Arbeit zu kompensieren, war sie unfähig dazu. Als sie drohte, an der gescheiterten Beziehung zu Max Frisch einzugehen, forderte er von ihr die Erfüllung ihrer künstlerischen "PFLICHT". Das geschah, so März, nicht aus fehlender Sensibilität, sondern sei Ausdruck einer "Freundschaftsliebe", die so tief wurzelte, dass Henze auch vor Störungen der Harmonie nicht zurückschreckte. "Ein Glücksfall gegenseitigen Verstehens" von ungleichen Zwillingen - eindringlich und "berührend".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.11.2004

In diesem Briefwechsel sieht Peter Hamm nicht nur das Dokument einer tiefen Freundschaft und "merkwürdigen Liebe" zwischen der Dichterin Ingeborg Bachmann und dem homosexuellen Komponisten Hans Werner Henze, er zeigt auch die "Verzweiflung und die schlimmen Abstürze", in die insbesondere die Lyrikerin immer wieder geriet. Die beiden Künstler lernten sich auf einem Treffen der Gruppe 47 kennen und waren ab dem Zeitpunkt miteinander befreundet, arbeiteten zusammen, hatten zeitweilig eine gemeinsame Wohnung in Neapel und planten sogar zu heiraten, teilt der Rezensent detailliert mit. Die meiste Zeit allerdings hätten Bachmann und Henze nicht an einem Ort gewohnt, wodurch "viele betörend schöne Briefe" entstanden seien, die vor allem aus der Feder Henzes stammten, so Hamm entzückt. Bachmanns Briefe dagegen findet der Rezensent eher "gehemmt und angespannt" und er hat den Eindruck, dass sie "das Eigentliche" kaum je auszudrücken in der Lage sind. Ihre "Scham" und ihr Unglück angesichts ihrer gescheiterten Beziehung mit Max Frisch allerdings hat sie in einem Brief niedergelegt, der Hamm als "Hilfeschrei" erschüttert hat und der die heutigen Leser mit "hilflosem Mitleid erfüllt", wie er glaubt. Mit diesem Briefwechsel, der aufgrund Bachmanns "zwanghafter" Manie ihre Freunde voneinander fernzuhalten, nicht einmal ihre langjährige Liebe Paul Celan erwähnt, liest man dennoch mit großem Gewinn, weil der Leser ihr hier "nahe kommt wie nie zuvor und die Briefe gleichzeitig die "ungeheure Entfernung" demonstrieren, die "uns von ihr trennt", so der Rezensent bewegt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2004

Er gab den Ton an, soviel lässt sich mit Sicherheit behaupten, schließt Volker Breidecker, zumal überwiegend die Briefe des Komponisten Hans Werner Henze erhalten geblieben sind, während die Ingeborg Bachmanns verloren gingen. Die Dichterin und ihr Komponistenfreund, sie waren der gleiche Jahrgang, erzählt Breidecker, aber sie waren grundverschiedene Charaktere, die dennoch über ihre Liebesbeziehung hinaus die künstlerische Zusammenarbeit praktizierten. Sie belieferte ihn mit Libretti, er vertonte ihre Gedichte. Henze bestimmte auch, so empfindet es zumindest Breidecker, die Sprachmelange, in der geschrieben wurde: meist auf in italienisch, da Henze in Italien lebte, eine kosmopolitische Pose, wenn es nach Breidecker geht, der nicht viel Sympathien für den Tonkünstler aufbringt. Henze beanspruchte auch, behauptet er missbilligend, "den ersten Platz im Depressionswettbewerb", wohingegen "La Bachmanita" sich in Bescheidenheit und Anpassung geübt habe. Insgesamt werfe der Briefwechsel auch ein Licht auf alte Mentalitäten der Bundesrepublik; Breidecker kommt es vor, als könnte vor jedem Satz ein "als-ob" stehen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de