H. Glenn Penny

Im Schatten Humboldts

Eine tragische Geschichte der deutschen Ethnologie
Cover: Im Schatten Humboldts
C.H. Beck Verlag, München 2019
ISBN 9783406741289
Gebunden, 287 Seiten, 26,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Martin Richter. Mit 37 Abbildungen. Von den hohen Idealen Alexander von Humboldts bis zum erbitterten Streit um das Humboldt Forum führt ein langer und verschlungener Pfad durch die deutsche Geschichte. Kaum etwas illustriert ihn besser als die ethnologische Sammlung des Berliner Museums - mit 500.000 Objekten eine der größten der Welt. H. Glenn Penny schildert, wie diese gigantische Sammlung entstanden ist, was für Motive dahinter standen und warum ihre ursprüngliche Idee bis heute kaum beachtet wird. Sein Buch ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Versachlichung der Debatte um das koloniale Erbe der deutschen Museen.  Es ist eine tragische Geschichte, und sie beginnt - wie so oft in Deutschland - mit großen Ambitionen: Auf den Spuren Humboldts tragen Ethnologen Objekte aus der ganzen Welt zusammen, um ein "Laboratorium" der Menschheitsgeschichte zu schaffen. Es soll das Erbe bedrohter Kulturen bewahren und den aufkommenden rassistischen Ideen Einhalt gebieten.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.03.2020

Rezensentin Sabine Seifert liest das Buch des US-Historikers H. Glenn Penny mit Spannung. Was der Autor über die Geschichte der Berliner Sammlungen und die deutsche Ethnologie weiß, findet sie gleichermaßen aufschlussreich wie unterhaltsam. Mit Penny den Forschern und Museumsleuten des 19. Jahrhunderts über die Schulter zu schauen, macht ihr Spaß, auch wenn mancher von ihnen (Adolf Bastian) dabei allzu gut wegkommt, wie sie findet. Die aus der ausgebreiteten Geschichte abgeleiteten Forderungen des Autors nach mehr Verantwortung, Transparenz und Dialog, aber auch nach mehr Display der Schätze aus den Depots, scheint Seifert unterschreiben zu können.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.10.2019

Mit großem Interesse hat Rezensent Andreas Eckert H. Glenn Pennys Geschichte der deutschen Ethnologie gelesen. Der amerikanische Historiker kann ihm nicht nur veranschaulichen, dass die Magazine deutscher ethnologischer Museen aus "allen Nähten platzen", sondern zeigt ihm auch, dass jene "Sammelwut" bereits im 19. Jahrhundert einsetzte, durch den Ethnologen und Kulturtheoretiker Adolf Bastian beispielsweise, der im Berliner Völkerkunde Museum "ein universales Archiv der Menschhheit" schaffen wollte. Während Bastian bei diesem Vorhaben den verbreiteten Rassismus ablehnte, hatte sein Kollege, der Archäologe und Anthropologe Felix von Luschan zumindest nichts dagegen, von den Gewalttaten in den Kolonien zu profitieren, liest der Rezensent. Jene "Fehlentwicklung" der deutschen Ethnologie setzte sich während des Nationalsozialismus fort, wie Penny laut Eckert in einem "etwas redundanten" Kapitel über den einstigen Direktor des Hamburger Völkerkundemuseums, Franz Termer aufzeigt, der sich vor allem daran störte, dass die Nazis sich mehr für physische Anthropologie denn für Ethnologie interessierten. Zündstoff enthält indes Pennys Kapitel über das Berliner Humboldt Forum, glaubt der Kritiker: Statt einer "seelenlosen Schausammlung mit Espressobar" solle man vor Ort Bastians Vision aufgreifen und darüber hinaus auf die Zusammenarbeit mit "indigenen Gruppen" setzen, fordert er.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.08.2019

Rezensent Ulrich van Loyen, selbst Ethnologe, hält das Buch des amerikanischen Historikers H. Glenn Penny für streitbar. Pennys Darstellung der Entstehung der völkerkundlichen Sammlungen in Deutschland befreit die Ethnologie laut Rezensent einerseits vom Ruf der Kolonialwissenschaft, indem sie das Verbindende an ihr hervorhebt und den Kosmopolitismus der Wissenschaftler über Briefe und Tagebücher belegt, andererseits aber fehlt ihr die "historische Einbildungskraft", um die Gründung "riesiger Archive" nachzuvollziehen, so van Loyen. Den Glauben des Autors an das ethnologische Museum als "globale Friedensmacht" findet der Rezensent zudem überzogen. Mehr Sinn für die Ambivalenzen der Ethnologie und ihrer Geschichte hätte dem Buch gutgetan, glaubt er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.07.2019

Zustimmend referiert Rezensent Günther Wessel die Ausführungen H. Glenn Pennys und hebt zunächst einmal die humanistischen Motive der ursprünglichen Berliner Sammler wie Adolf Bastian hervor. Sowohl Bastian als auch sein Nachfolger Felix von Luschan seien das Gegenteil von Rassisten gewesen. Verschiedene Kulturen seien für sie Ausprägungen einer gleichen menschlichen Substanz. Darum hätten die deutschen Sammler auch nicht einzelne Artefakte gesammelt, sondern sie seien an großen Konvoluten interessiert gewesen, die es erlaubt hätten, eine Kultur im Kontext darzustellen. Nur sei es dazu nie gekommen - und die Aussichten bleiben schlecht: Wessel weiß sich mit dem Autor einig, der das Humboldt-Forum schon jetzt als zu klein ansieht, eine weitere "Schausammlung mit Espressobar". Und er stimmt Penny auch zu, dass das eigentliche Problem nicht die Restitution sei, sondern das Fehlen einer internationalen Kooperation, um diese Sammlungen darzustellen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.07.2019

Karl-Heinz Kohl empfiehlt das Buch des amerikanischen Wissenschaftshistorikers H. Glenn Penny für einen besseren Blick auf die gescholtene deutsche Völkerkunde. Mit Pennys differenzierten, nie unkritischen Argumenten in lesbarer Form kommen Völkerkundler wie Felix von Luschan oder Adolf Bastian und ihr Einsatz für die Ethnologie zu ihrem Recht, findet Kohl. Indem der Autor die historische Realität mit den moralischen Urteilen von heute abgleicht, gelingt ihm laut Rezensent eine Ehrenrettung der Wissenschaftler.
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