Fatima Daas

Die jüngste Tochter

Roman
Cover: Die jüngste Tochter
Claassen Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783546100243
Gebunden, 192 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Sina de Malafosse. Fatima ist das Kind, auf das keiner mehr gewartet hat, die Nachzüglerin, die einzige Tochter, die in Frankreich und nicht in Algerien zur Welt gekommen ist. Sie wächst mit ihren Schwestern in der berüchtigten Banlieue Clichy auf. Liebe und Sexualität sind in ihrer Familie ein Tabu. In der Schule ist Fatima unangepasst, laut und voller Wissensdurst. Sie hängt am liebsten mit den Jungs herum und fühlt sich falsch in ihrer Haut. Bis sie Nina trifft und ihre eigenen Gefühle für sie erkennt. Doch eine Frau zu lieben, bringt sie nicht nur in Konflikt mit ihrer Familie, ihrem Glauben, sondern auch mit sich selbst.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.07.2021

Weder mit Eribon noch mit Frischs "Stiller" hat Fatima Daas' Debütroman laut Roman Bucheli viel gemeinsam. Selbsterkundung steht hier unter dem Vorzeichen der Unabschließbarkeit und der Unvereinbarkeit der Widersprüche der Figur im Text, erkennt Bucheli. Dass sich Daas mit ihrer lesbischen, doch gläubigen Muslimin zwischen alle Stühle setzt und das aushält, findet der Rezensent bemerkenswert. Für den Leser bedeutet das laut Bucheli: keine einfachen Antworten. Aber auch: keine selbstgewisse Bekenntnisprosa. Die einfache, wenngleich poetische Sprache macht den Text anschlussfähig an die Erfahrungen der Leserin, glaubt Bucheli.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.07.2021

Rezensent Alex Rühle liest den Roman von Fatima Daas nicht als Bekenntnis einer Muslimin - oder nicht nur. Auch als Liebesgeschichte funktioniert der Text um eine lesbische Muslima aus prekären Verhältnissen für ihn gut. Sog entwickelt der Text laut Rühle, weil hier keine Erlösung im Sinn einer klassischen Bildungsgeschichte angestrebt wird, sondern Brüche und Widersprüche ausgehalten werden, und da der "schlanke" Textkorpus auf das wesentliche reduziert wurde. Cool wirkt der Roman auf Rühle auch durch den rhythmischen Schwung. Erinnert stark an Rap, meint er.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.07.2021

Rezensentin Marielle Kreienborg nimmt die Auszeichnung des Buches "Die jüngste Tochter" von Fatima Daas mit dem Internationalen Literaturpreis in Berlin zum Anlass für ein Lob an Werk und Autorin. Fatima Daas, geboren in Frankreich als Kind algerischer Einwanderer, ist nicht nur der Name der Protagonistin, die in einem inneren Konflikt mit ihrer Herkunft, Sexualität und Religion steht, sondern auch das Pseudonym der Autorin, erzählt Kreienborg. Ihr gefallen die faszinierende Erzählstimme und die Musikalität des Schreibstils der Autorin. Den Einfluss von Rap und Koransuren erkennt die Kritikerin vor allem in der non-linearen, fragmentarischen Struktur der Texte. Die Autorin, die ohne ein ihr entsprechendes Vorbild - "lesbisch, muslimisch, gläubig", zitiert Kreienborg sie in einem Interview - aufgewachsen ist, hat mit "Die jüngste Tochter" einen Roman geschrieben, der das Potenzial besitzt, ein solches Vorbild zu erschließen, lobt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.06.2021

Rezensentin Miryam Schellbach kommt gut klar mit den Ambivalenzen im Buch von Fatima Daas. Dass die Autorin die Geschichte einer Muslima mit homosexuellen Neigungen erzählt, ohne die Widersprüche der Figur aufzulösen, muss und soll der Leser aushalten, meint sie. Nicht restlos auflösbar sind auch die Verbindungen zwischen der Erzählerin im Buch und der Autorin, stellt Schellbach fest. Im Unterschied zu Texten von Eribon und Ernaux, in deren Nähe Schellbach den Text verortet, wird laut Rezensentin nicht kühl seziert und soziologisch eingeordnet. Stattdessen verliert sich die Figur im Uneindeutigen ihrer eigenen Identität, erklärt Schellbach. Die Sprache ist dennoch rhythmisch, knapp, meint sie.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.06.2021

Rezensent Burkhard Müller ist von Fatima Daas' Debütroman "Die jüngste Tochter" ganz erstaunt. Das Erstlingswerk erzähle von einem Leben in der Banlieue von Paris und den Konflikten bezüglich der islamischen Religionszugehörigkeit, Herkunft und verheimlichten Homosexualität der jungen Ich-Erzählerin Fatima, so der Rezensent. Der "litaneihaft immer gleiche Auftakt" der Kapitel, die kurzen eingeleiteten Abschnitte und der unausgeschmückte Erzählstil des Debüts erinnern Müller an die Suren im Koran und wirken kontrastierend zur Befangenheit der Protagonistin. Überraschend unerwartet findet der Rezensent, dass die Form des Buchs sogleich stark, traditionsgesättigt und doch offen für das Neue ist. Dass die homosexuelle, muslimische Autorin mit Migrationshintergrund sich damit von der verpflichtenden Bekräftigung ihrer Identitätsgruppen befreit habe, beeindruckt ihn. Ein "erstaunlich selbstständiges" und kraftvolles Debüt der noch so jungen Fatima Daas, schließt der begeisterte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.05.2021

Rezensent Kolja Unger ist sehr fasziniert von dem "spiralhaft" sich entwickelnden Text, der jedes Kapitel wieder mit der nahezu gleichen Sprachformel beginnt, fast wie die Suren des Koran, so stellt er fest. Durch die mal sehr kurzen, dann wieder langen Sätze, die einen ganzen Absatz herstellen, entsteht zusätzlich ein "Sog", so der Kritiker, und im Laufe der Lektüre werde von der Romanfigur Fatima eine Identitätsschicht nach der anderen aufgerollt. Der Rezensent versteht den Roman eines nicht-glückenden Liebens auch als Identifikationsangebot an all jene algerisch-stämmigen, muslimischen, lesbischen Französinnen, die mit großem "Selbstzweifel" leben müssten. Nur ganz am Schluss der Besprechung deutet der Kritiker an, dass manche Verknappung auch mal mit etwas sehr viel Bedeutung aufgeladen scheint.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.05.2021

Rezensentin Nora Karches empfiehlt den Debütroman von Fatima Daas. Wer autofiktionales Schreiben 2.0 kennenlernen und erleben möchte, wie cool, eindringlich, komplex und leicht sich über Herkunft, Identität, Gender und das Leben als muslimische Lesbe schreiben lässt, der lese dieses Buch, rät Karches. Daas' antilinearer, sich formal an den Koransuren orientierender Text mit seiner authentischen Sprache bietet der Leserin dazu eine seltene Formbewusstheit und sagenhafte Liebesszenen, schwärmt Karches.