Melissa Broder

Muttermilch

Roman
Cover: Muttermilch
Claassen Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783546100069
Gebunden, 336 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Karen Gerwig. Rachel hat Nährwertangaben auf Lebensmitteln zu ihrer Religion erhoben. Doch sie hadert mit sich, vor allem aber hadert sie mit ihrer Mutter, die sich schon immer eine dünne Tochter gewünscht hat. Rachels Therapeutin empfiehlt eine kommunikative Diät: 90 Tage kein Kontakt zur Mutter. Sie willigt ein und begegnet in ihrem Lieblings-Frozen-Yogurt-Laden Miriam, einer jungen orthodoxen Jüdin, die die besten Eisbecher der Stadt kreieren kann. Rachel ist hingerissen von dieser Frau - ihrem Hunger, ihrem zaftig Körper, ihrem Glauben und ihrer Familie und lässt sich ein auf ein Leben voller Gelüste und Lust und Liebe und Spiritualität.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.07.2021

Rezensentin Christiane Lutz atmet auf. Das Ende von Melissa Broders Roman ist versöhnlich. Bis dahin hat Lutz allerdings mit der Protagonistin gelitten - unter ihrem leicht "ungesunden Körperbild", ihrem Hunger nach Liebe und emotionaler Geborgenheit. Wenn Broder ihrer mit Kalorien und Gefühlsmagerkeit kämpfenden Heldin eine Komplementärfigur zugesellt, eine in Frozen-Yogurt badende, leibespralle Schönheit, schöpft Lutz Hoffnung. Wie die Freude am Essen und an Sex die beiden Figuren im Buch für eine genussreiche Weile vereint, liest die Rezensentin mit Genugtuung, auch wenn die Verbindung nicht von Dauer ist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Broder keine Vorwürfe formuliert, freut sich Lutz.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.06.2021

Man kann es der Rezensentin Sarah Pines nicht verdenken, dass sie zunächst eine Weile braucht, um den Plot von Melissa Broders zweitem Roman zu resümieren: Erzählt wird die Geschichte von Rachel, anorektisch, Jüdin, aber nicht religiös, lesbisch, aber sich ihrer Sexualität nicht sicher, die sich in die dicke, streng religiöse Jüdin Miriam verliebt, mit dieser vor allem sehr viel isst und durch die Beziehung zu Religion und mehr Gewicht findet. Nach der Trennung der beiden wird Rachel dann zur frauenverschlingenden Butch mit "Cowboy-Gang", fasst die Kritikerin zusammen. Während die amerikanische Kritik das Buch laut Pines alle Klischees feministischer Identitätspolitik bedienend als Manifest einer weiblichen Selbstermächtigung feierte, liegt der Mehrwert des Buches für die Rezensentin vielmehr gerade in der Kritik an Identitätspolitik: Wenn Rachel erst als "gefallsüchtige" Anorektikerin, dann als "männliche" Frauenheldin auftrete, bedient sie "patriarchale Rollen" gleich doppelt, erkennt Pines. Wie Broder dem Identitäts-"Korsett" mit Intelligenz und Witz den Spiegel vorhält, findet sie bewundernswert.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.06.2021

Rezensentin Marlen Hobrack wirkt beeindruckt von der Intensität, in der Melissa Broder in ihrem Roman von der Essstörung der jungen jüdischen Rachel erzählt, deren kulinarisches Begehren langsam in ein sexuelles Begehren nach der üppigen Miriam, ebenfalls Jüdin, übergeht. Die von der Rezensentin zitierten "minutiösen" Beschreibungen von überquellendem Frozen Joghurt und die Lust auf Miriams Körper verschmelzen für Hobrack zu einer einzigen Sehnsucht nach oraler Befriedigung, der zu entsagen Rachel von ihrer Mutter indoktriniert wurde. Dem Typus der überfürsorglichen jüdischen Mutter werde dadurch ein neuer "Twist" verliehen, bemerkt die Rezensentin. Die Frage, was nun zu halten sei von diesem Roman einer Autorin, die in den USA und vor allem auf Twitter als Stimme "postmoderner" jüngerer Frauen und ihrer Probleme Kultstatus genießt, wie Hobrack erklärt, lässt die Kritikerin eher im Raum stehen, als sie zu beantworten - "verschlungen" habe sie das Buch allerdings, gibt sie preis.