Emma Rothschild

Eine Hochzeit in der Provinz

Die Spuren der Familie Aymard über zwei Jahrhunderte europäischer Geschichte
Cover: Eine Hochzeit in der Provinz
WBG Theiss, Darmstadt 2022
ISBN 9783806244434
Gebunden, 496 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Tobias Gabel und Jörn Pinnow. Mit 15 SW-Abbildungen. Die Geschichte Frankreichs als Familiengeschichte. Was können wir heute über das Leben ganz normaler Menschen aus vergangenen Zeiten erfahren? Marie Aymard lebt als Witwe im 18. Jahrhundert in Angoulême im Südwesten Frankreichs. Sie ist eine einfache Frau, die nie Lesen und Schreiben gelernt hat - und doch hinterlässt sie Spuren in der Geschichte. Der Ehevertrag, den sie für ihre Tochter aufsetzen ließ, trug 83 Unterschriften. Dieses außergewöhnliche Dokument nimmt Emma Rothschild als Ausgangspunkt ihrer historischen Recherche. Sie verfolgt die Lebenswege von fünf Generationen nach, insgesamt drei- oder viertausend Menschen. In diesem Sachbuch entfaltet die Wirtschaftshistorikerin ein weitläufiges Epos über ganz alltägliche, wissbegierige, kontaktfreudige, abenteuerlustige Individuen, das erst mit Marie Aymards Ur-Ur-Enkelin Anfang des 20. Jahrhunderts endet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2022

Mikrogeschichte kleiner Leute, die sich aus Testamenten, Kaufverträgen, Prozessen oder Eheschließungen erzählen lässt, ist seit den 1980er Jahren eine Kunst, die Emma Rothschild ganz vorzüglich beherrscht, lobt der hier rezensierende Globalhistoriker Jürgen Osterhammel. Ein Beispiel dafür ist diese Familiengeschichte der Marie Aymard, geboren 1713, bis zum Tod ihrer Ururenkelin 1906. 98 Nachkommen umfasst sie, Tolstois "Anna Karenina" hatte weniger Personal, versichert der Kritiker. Und was die Autorin aus trockenen Fakten und Urkunden über die Geschichte einer französischen Kleinbürgerfamilie erzählen kann, das ist für ihn "ein Kabinettstück historischer Vergegenwärtigungskunst". Gut, gelegentlich wird es ihm etwas zu viel, aber Rothschild blickt immer immer wieder vom Kleinkram auf das Städtchen, in dem sich wohl der größte Teil der Familie aufhielt. So entgeht sie der Gefahr, eine Knausgard der Geschichtsschreibung zu werden, resümiert der zufriedene Kritiker. Und ein "großer Mann" wird ihm am Ende auch noch geliefert: Charles Martial Allemand Lavigerie, der als hoher Geistlicher die Sklaverei bekämpfte und gleichzeitig das französische Imperium propagierte.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.09.2022

Rezensentin Edelgard Abenstein liest interessiert Emma Rothschilds "Eine Hochzeit in der Provinz". Die Wirtschaftshistorikerin erzählt darin eine "Mikrohistorie über das einfache Volk", angefangen bei der Witwe Aymard im Jahr 1764, deren Familiengeschichte durch die Französische Revolution und wirtschaftliche Umschwünge bis in den Ersten Weltkrieg nachgespürt wird, erklärt Abenstein. Die Recherche stützt sich hierfür auf archivarische Quellen wie Listen, Steuerverzeichnisse, Militärlisten und weiteren Datensammlungen, weiß die Rezensentin. An solchen Passagen muss die Kritikerin mitunter etwas knabbern, und auch dass einige Figuren plötzlich verschwinden, findet sie frustrierend. Dennoch nimmt sie die Mühe gern auf sich, denn am Ende wird sie belohnt mit einem differenzierten und spannenden Beitrag zur Kolonialgeschichte, der eindrücklich zeigt, wie die Revolution Jobs und Landumverteilung ermöglichte, schließt die Rezensentin.