Edgar Wolfrum

Der Aufsteiger

Eine Geschichte Deutschlands von 1990 bis heute
Cover: Der Aufsteiger
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2020
ISBN 9783608983173
Gebunden, 368 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Seit der Wiedervereinigung von 1990 hat sich die Bundesrepublik enorm verändert. Das Land ist territorial größer und bevölkerungsreicher geworden, und gleichsam über Nacht ist dieses neue Deutschland, die Berliner Republik, in die Rolle einer kontinentalen Großmacht mit weltpolitischem Gewicht geschlüpft. Auch die äußere Wahrnehmung des Landes wandelte sich in den letzten 30 Jahren: Zum einen machten sich in Europa Ängste breit, wie dieser bis dahin relativ "gütige Hegemon" künftig agieren werde. Gleichzeitig wiesen weltweite Umfragen darauf hin, dass Deutschland zum "beliebtesten" Land der Welt geworden sei - eine Entwicklung, die 1945 völlig unvorstellbar gewesen war. Parallel belasteten die Probleme mit der "inneren Einheit" die Bundesrepublik: Deutschland war ein zwischen Ost und West gespaltenes Land und es breitete sich ein Pessimismus in der Mitte der Gesellschaft aus, der die Republik zu beschädigen drohte.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 04.05.2020

Dietmar Süß sucht mit Edgar Wolfrum den Ort des wiedervereinigten Deutschlands. Mutig findet er den Versuch einer Geschichte der Bundesrepublik von 1990 bis heute, wie sie der Zeithistoriker in zwölf nicht chronologischen, sondern systematischen Kapiteln angeht. Auch wenn der Titel, wie Süß feststellt, eigentlich keine Rolle spielt bei der Verhandlung der großen Themenblöcke von der Veränderung der Parteienlandschaft über den Vereinigungsprozess bis zur "Flüchtlingskrise", gelingt es dem Autor laut Süß, die Suchbewegungen der Berliner Republik nach 1989 sichtbar zu machen. Dass Wolfrum von einem historischen Nullpunkt ausgeht, das darauffolgende Neue aber nicht wirklich bezeichnen kann, hält Süß zwar für ein strukturelles Problem, die Nüchternheit des Autors aber nimmt ihn für das Buch ein, und als politische Geschichte scheint ihm der Text überzeugend.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Rezensent Jens Hacke ist zunächst einmal sehr angetan von dieser "Aufstiegsgeschichte" und freut sich darüber, dass hier im Blick auf Deutschland nicht die immer gleichen Pessimismus- und Unglücksgeschichten erzählt werden. Er lobt auch, dass Edgar Wolfrum thematisch vorgeht und seine Beschreibungen um bestimmte Kernthemen herum ausbreitet. Dann aber, so findet der Kritiker, mischen sich immer mal wieder die Fakten störend in die Darstellung ein und beeinträchtigen den so optimistisch erzählenden Duktus. So hat sich Jens Hacke am Ende dann doch ein bisschen mehr Entschiedenheit im Urteil und in der Vorausschau gewünscht - etwa darüber, welche Folgen z.B. die starke Spaltung zwischen den Wohlhabenderen und den Armen oder die zwischen Stadt und Land haben, worauf sie beruhen und wie ihnen politisch begegnet wurde und wird. Sanft bezweifelt der Rezensent, dass es reichen wird, an historische Beispiele zu erinnern und verweist darauf, dass es doch wohl eher auf ein paar gesellschaftspolitische Konzepte ankommen könnte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Für den Rezensenten Frank Bösch bietet Edgar Wolfrums Buch zugleich mehr und weniger als eine deutsche Geschichte. Einerseits eröffnet der Autor internationale Kontexte, wenn er Vergleiche in den Bereichen Digitalisierung, Klima oder Flüchtlinge anstellt, andererseits beschränkt er seinen Blick auf das Handeln der politischen Eliten und verzichtet auf anschauliche, selbst recherchierte Beispiele aus der Gesellschaft und auf politik- und sozialwissenschaftliche Befunde, erklärt Bösch. So taugt Wolfrums für Bösch in Teilen durchaus zu diskutierende Aufstiegsgeschichte (die laut Rezensent auch vom Abstieg erzählt) für jüngere Leser als Überblick und für Kenner als "Gerüst" großer Themen, meint Bösch.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.03.2020

Richard Herzinger fehlen in Edgar Wolfrums Nacherzählung der Geschichte Deutschlands seit 1990 entschieden die mutigen Analysen und Bohrungen zu den "tieferen Triebkräften" der Entwicklungen, die ja bis heute andauern, wie er feststellt. So wenig beneidenswert Wolfrums Arbeit als Historiker am sich bewegenden Objekt dem Rezensenten erscheint, so pointiert und umfassend benennt der Autor für ihn den Zwiespalt der Republik zwischen allgemeiner Zufriedenheit und Politikverdrossenheit zunächst und führt ihn auf drei grundlegende Täuschungen zurück. Die Diagnosen im Buch kennt Herzinger allerdings schon. Neue Einsichten zur Lage der Nation bietet ihm der Autor leider nicht.