Daniel Levy, Natan Sznaider

Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust

Cover: Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783518412831
Broschiert, 250 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Die Globalisierung wird gegenwärtig für alles Übel oder für alles Gute verantwortlich gemacht. Eine ihrer Schattenseiten ist die weltweite Standardisierung von Lebensformen. Daniel Levy und Natan Sznaider vertreten jedoch die These, in einem besonderen Fall, der Erinnerung an den Holocaust, sei die globale Angleichung von Werten ein Fortschritt: Es bilde sich dadurch ein kosmopolitisches Gedächtnis heraus. Das Holocaust-Museum in New York, die Befreiung von Auschwitz als gesamteuropäischer Gedenktag, das Holocaust-Mahnmal in Berlin: Der "Holocaust" wird zu einem universalen moralischen Schlüsselwort, mit dem internationale politische Zusammenschlüsse gerechtfertigt werden. Die Erinnerung an den Holocaust wird also von ihren nationalen Ursachen gelöst und globalisiert. Das vorliegende Buch handelt von der Veränderung kollektiver Erinnerungen im Zeitalter der Globalisierung. Somit sprengt es den Rahmen, in welchem Debatten über den Holocaust und das kollektive Gedächtnis üblicherweise geführt werden. Durch eine vergleichende Analyse der Debatten in den USA, Israel und Deutschland zeigen die Autoren vielmehr die Möglichkeiten und Grenzen kosmopolitischer, vom öffentlichen Gedächtnis an den Holocaust getragener Erinnerungen auf. Und von diesen Möglichkeiten wird die Friedfertigkeit oder Kriegshäufigkeit des 21. Jahrhunderts abhängen

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.08.2002

Für außerst anregend hält Marie Luise Knott die Studie "Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust", in der die beiden Soziologen Daniel Levy und Natan Sznaider die Frage stellen, inwieweit sich der Holocaust von einer nationalen zu einer globalen Erinnerung gewandelt hat. Da die Erinnerung an den Holocaust selten einem Selbstzweck gefolgt sei, wie Knott schreibt, untersuchten Levy und Sznaider, wie der Mord an den Juden in den letzten 55 Jahren wahrgenommen wurde und welche Veränderungen seit dem Ende des Kalten Kriegs konstatiert werden können. So sei etwa in den europäischen Ländern und gerade in Deutschland die bisher vor allem in den USA ausgeprägte universalistische Lehre aus dem Holocaust - der Kampf gegen Völkermord, Einsatz für Menschenrechte - in den Vordergrund getreten. Besonders deutlich sieht sie dies am Beispiel des Kosovo-Krieges gemacht, den die Autoren unter der Rubrik "Deutschland befreit Auschwitz in Kosovo" behandeln. Die Befürchtung der Autoren, dass der Holocaust-Vergleich Gefahr laufe, die Schwachen automatisch zu Unschuldigen zu machen, findet die Rezensentin sehr nachvollziehbar. Gegen das Buch, das vor dem 11. September entstand, erhebt Knott allein einen Einwand. Seit dem 11. September spiele der Holocaust als Bezugspunkt internationaler Politik eine deutlich geringere Rolle. "Die Machtfrage hat über die Moral die Oberhand gewonnen."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.01.2002

Daniel Levy und Natan Sznaider stellen strukturelle Ähnlichkeiten in den unterschiedlichen Gesellschaften beim Umgang mit dem Holocaust fest, die Harald Welzer durchaus "nachvollziehbar" findet. Nach einer Phase des Schweigens folge eine Konzentration auf die Täter, die in eine dritte, auf die Opfer zentrierte Phase münde, führt er aus. In dieser dritten Phase beobachten die Autoren eine "'Universalisierung' des Holocausts, in der dieser zum globalen Symbol für das absolut Böse" werde, wobei unter "Universalisierung" eine "politische Grundorientierung der globalisierten Gesellschaft" verstanden werde. Welzer missfällt, dass die komplizierte Sprache der Autoren vor allem auf den ersten fünfzig bis sechzig Seiten dem Leser das Verständnis der hier ausgebreiteten Gedankenwelt erschwere. Er empfiehlt deshalb, den "theoretischen Ballast" einfach zu überspringen und mit der Lektüre beim zweiten Teil des Buches zu beginnen, denn die Analysen zum Wandel der Holocaust-Erinnerung bezeichnet er als "gehaltvoll".