Christoph Ransmayr

Der Fallmeister

Eine kurze Geschichte vom Töten
Cover: Der Fallmeister
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021
ISBN 9783100022882
Gebunden, 224 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Im tosenden Wildwasser stürzt ein Langboot die gefürchteten Kaskaden des Weißen Flusses hinab. Fünf Menschen ertrinken. Der "Der Fallmeister" , ein in den Uferdörfern geachteter Schleusenwärter, hätte dieses Unglück verhindern müssen. Als er ein Jahr nach der Katastrophe verschwindet, beginnt sein Sohn zu zweifeln: War sein jähzorniger, von der Vergangenheit besessener Vater ein Mörder? Die Suche nach der Wahrheit führt den Sohn des Fallmeisters tief zurück in die eigene Vergangenheit: Getrieben von seiner Leidenschaft für die eigene Schwester und der Empörung über das Schicksal seiner aus dem Land gejagten Mutter, folgt er den Spuren seines Vaters. Sein Weg führt ihn durch eine düstere, in Kleinstaaten zerfallene Welt. Größenwahnsinnige Herrscher ziehen immer engere Grenzen und führen Kämpfe um die Ressourcen des Trinkwassers.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.04.2021

Für den Rezensenten Jörg Magenau treibt es der Erzapokalyptiker Christoph Ransmayr in seinem neuen Roman etwas zu weit mit der düsteren Schwelgerei in dystopischen Visionen. Die Geschichte des Fallmeisters vom Traun-Fall und seines Sohnes als Geschichte überkommener Schuld und überkommenen Misstrauens zeigt für Magenau einmal mehr, wie sehr für Ransmayr die Zukunft in der Vergangenheit verborgen ist. Wie der Autor die archaische Geschichte in eine von Überwachung und Wasserkriegen geprägte Zukunftsvision übergehen lässt, in der niemand unschuldig ist, scheint Magenau eher von einem reaktionären Geschichtsbild zu künden als von einem progressiven. Pathos- und Kitschliebhaber kommen aber auf ihre Kosten, meint er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.04.2021

Rezensent Andreas Lesti ist begeistert von Christoph Ransmayrs neuem Roman. Halb Krimi, halb Abenteuerroman und auch ein bisschen Familiengeschichte aus Oberösterreich, zieht ihn der Text rein mit einem vermeintlichen Fünffachmord. Was dann kommt, scheint Lesti wie ein rasanter Ritt durchs Wildwasser, vom Autor nur wenig angeleitet. Wie Ransmayr den Erzähler auf düstere Familienrätsel ansetzt, ihn als Hydrotechniker durch eine mehr und mehr zerfallende Welt reisen und über Gravitationswirbel und Strömungsgeschwindigkeiten dozieren lässt, das hat für Lesti etwas von einer Dystopie a la "Mad Max". Der ruhige Erzählfluss und der Wendungsreichtum der Geschichte betören den Rezensenten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.03.2021

Wumms! Da haut einer richtig zu, und zwar Paul Jandl, der diesem Roman kein Quäntchen Gutes zuerkennen mag. Oder doch: Naturbeschreibungen kann er doch, der "Alpen-Apokalyptiker", findet Jandl. Ansonsten stellt der wütende Kritiker nur allzu hoch aufgeladene Bedeutsamkeit fest und bekommt statt Alltag und psychologischer Stimmigkeit nur "Allegorien" und "blutleere Gestalten" serviert. Das Pathos steige im Werk dieses Schriftstellers auf immer höhere Höhen, kritisiert Jandl, so dass kein Wunder sei, wenn am Ende eine Form von "literarischer Pappkameraderie" dabei herauskomme. Als ein Beispiel für das Dauerpathos des Romans zitiert er die Beschreibung des Schwitzens und verabschiedet sich hohnlachend - und vielleicht auch schlicht enttäuscht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.03.2021

Rezensent Alex Rühle kann's nicht fassen, dass hier wirklich Christoph Ransmayr spricht und nicht ein Pathos-Bot. Rühle gibt Beispiele für den überquellenden Metaphernsalat, den der Autor in seinem in die Zukunft verlegten Text um einen Hydrotechniker und seinen Vater anrichtet. Bizarr, findet er. Ausufernder "Sprachschwulst" ist allerdings nicht alles, was Rühle an dem Roman missfällt. Wie der Autor etwa den Genozid unter Pol Pot als "Schauerrequisite" in seine Story einbaut, findet er richtig ägerlich.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.03.2021

Rezensentin Judith von Sternburg findet keine Klarheit in Christoph Ransmayrs Roman. Das liegt für sie an der Vielfalt der Gedanken und aktuellen Themen im Text, die der Autor mit einer Familiengeschichte zu verbinden sucht. An Ransmayrs Wassermetaphorik, die sich aus dem Begriffsreservoir der Berufe der Hauptfigur (Hydrotechniker) und ihres Vaters (Schleusenwärter) speist, liegt es weniger, die findet Sternburg reizvoll. Aber was das Buch eigentlich vorstellt (einen Wasserroman, einen Alpenkrimi, eine Inzestgeschichte?) kann Sternburg nicht einordnen. Ein wirbeliger Text, aus dem die Rezensentin nicht mehr herausfindet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.2021

Rezensent Tilman Spreckelsen empfiehlt den neuen schmalen Roman von Christoph Ransmayr mit kleinen Abstrichen. Die etwa 200 Jahre in der Zukunft spielende Geschichte um einen Hydrotechniker überzeugt den Kritiker zum einen durch Spannung: Er liest, wie der Vater des Ich-Erzählers, der titelgebende Fallmeister, der für den Tod von fünf Menschen bei einem Bootsunglück verantwortlich ist, seinen Tod offenbar vortäuschend verschwindet. Zum anderen bewundert der Rezensent, wie Ransmayr hier eine vom Klimawandel zerstörte und in Kleinstaaten zerfallende Welt skizziert, in der Kämpfe um Trinkwasser geführt werden. Im Mittelpunkt steht dabei der Erzähler, dessen Überzeugungen durch die Realität immer wieder in Zweifel gezogen werden. Das eigentliche Zentrum des Romans ist allerdings das Wasser in all seinen Erscheinungsformen, fährt Spreckelsen fort und staunt, wie sich Ransmayrs Sprache dem Element "anschmiegt". Auf die Überfülle an mythologischen Verweisen und allzu offensichtlichen Bildern hätte der Kritiker allerdings verzichten können.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.03.2021

Rezensent Wolfgang Schneider staunt, wie Christoph Ransmayr die archaische Welt eines Schleusenwärters mit der global vernetzten seines Sohnes, eines Hydrotechnikers, zu verbinden weiß. Die Geschichte über Mord und Inzest und Wasser als knappe Ressource erzählt der Autor laut Schneider bildstark, symbolisch, wobei manches im Roman auf den Rezensenten etwas überkonstruiert wirkt. Ransmayrs "preziöse Morbidität" wird durch ein überraschend positives Ende der Handlung etwas abgefedert, stellt Schneider erleichtert fest.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.03.2021

Rezensent David Hugendick hat schon deutlich bessere Romane von Christoph Ransmayr gelesen. Wenn ihm der Autor hier von einem Hydrotechniker erzählt, der in einer Welt, in der die USA und Europa in Folge einer globalen Katastrophe in winzige Kleinstaaten zerfallen sind, dem fünffachen Mord durch seinen Vater nachspürt, vermisst der Kritiker den "Erhabenheitswillen", für den der Autor bekannt ist. Die Vorträge von Ransmayrs Helden zu einer neuen Weltordnung reißen den Rezensenten auf Dauer nicht vom Hocker, die Momente sprachlicher Schönheit sind geringer als in anderen Romanen und das finster gestaltete "Weltgemälde" bleibt irgendwie farblos, bemängelt der Kritiker.

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