Botho Strauß

Nicht mehr. Mehr nicht

Chiffren für sie
Cover: Nicht mehr. Mehr nicht
Carl Hanser Verlag, München 2021
ISBN 9783446270886
Gebunden, 160 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

"Wie zwei voreinander sich rasend entkleiden und wieder ankleiden, das wird, im Zeitraffer gesehen, ihre ganze Geschichte gewesen sein."Dies ist die Geschichte von Gertrud Vormweg, einer Frau, die vom Bild ihres Geliebten nicht loskommt. Er hat sie verlassen: Nun bestimmen Zorn, Sehnsucht und Enttäuschung, Begehren und Aufbegehren Tag und Nacht ihre Gedanken. Doch zugleich mag sie, die Dichterin, nicht sang- und klanglos die Verliererin dieser Liebe sein. Also erzählt sie von sich in der Figur der karthagischen Königin Dido, der großen Verlassenen der Weltliteratur. Und nutzt Verkleidungen, Chiffren der Literatur, um der Banalität des Geschehenen nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. "Wenn schon allein, dann unter Vorbildern begraben." In vielen Stimmen, vielen Tonlagen, aus vielfältigen Zuständen entwirft Botho Strauß diese Erzählung einer Verlassenen und setzt damit Bewusstseinsgeschichten der Moderne fort.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.12.2021

Für Rezensent Jörg Magenau ist der neue Text von Botho Strauß eine Art uckermärkisches Weidengeflüster. Dass es kein echtes Geschehen gibt, wundert den Rezensenten nicht, eher schon, dass Strauß nunmehr eine Frau, eine Dichterin sprechen lässt. Der mit mythologischen Bezügen angereicherte Monolog einer Verlassenen wirkt auf Magenau bisweilen wie ein Theatertext, in knappe Abschnitte unterteilt, lyrisch, mythisch überhöht. Alldurchdringend wie die "existentielle Abwendung" der Figur auf Magenau wirkt, bietet sie ihm auch immer wieder "wunderschöne Miniaturen" aus Wörtern.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.10.2021

Rezensent Andreas Kilb findet die Lektüre des neuen Buches von Botho Strauß lohnend, auch wenn es kein Drama, kein Roman geworden ist, sondern "nur" das aphoristische Sprechen durch den Mund einer gedoppelten Frauenfigur. Wie Strauß seine Sentenzen und Prosabeobachtungen einer Verlassenen auf die Zunge legt, scheint Kilb kraftvoll und sprachbegeistert wie immer bei diesem Autor. Das Ausleihen dieser Stimme erlaubt es dem Autor laut Kilb, zwischen Mythos (Aeneas und Dido) und Corona-Gegenwart zu switchen. Besonders angenehm findet der Rezensent, dass der hochmütige Ton früherer Strauß-Texte hier einer Demut des Sagens gewichen ist, die dem Leser wunderschöne, weise Sätze beschert, wie Kilb versichert.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.10.2021

Ijoma Mangolds Kritik ist zwar nicht lang (das Buch ja auch nicht), aber feierlich. Als "luftig, herrlich ungreifbar" feiert er diese Erzählung von Botho Strauss über eine große Verlassene in der Tradition und selbst gesuchten Anlehnung an die mythische Dido. Es ist die Sprache, die Mangold verführt, eine Sprache, in der die Wörter genau das bedeuten, was sie bedeuten ,"nicht mehr, mehr nicht". Als weitere Eigenheit hebt Mangold Strauss' durchaus unsentimentale Konzeption der Liebe aus. Die Protagonistin kostet das Verlassensein als eine weitere ihrer Erfahrungen aus. Liebe ist eine Konstellation sich bewegender Körper. Aber man sollte nicht zu viel interpretieren, warnt Mangold, sondern diesen Text ertasten wie die Umrisse einer Skulptur.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.09.2021

Rezensent Rainer Moritz fühlt sich reich beschenkt mit diesem neuen Text von Botho Strauß. Auch wenn die Geschichte um eine verlorenem Liebesglück nachtrauernde Frau, einer Lyrikerin, dem Rezensenten alles andere als unbekannt vorkommt, gelingt es dem Autor offenbar, daraus neue Funken zu schlagen, indem er eine zweite, mythologische Ebene einzieht, literarische Bezüge von Vergil bis Swinburne herstellt und dennoch die Figur nicht abstrakt werden lässt, wie Moritz beteuert. Im Gegenteil, die Verlassene in ihrer Trauer steht Moritz ganz plastisch gegenüber "in all ihrer Verzweiflung". Über die möglichen Verbindungen zwischen dem Mythos und dem Liebesschmerz der Figur denkt der Rezensent lange nach.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.09.2021

Rezensent Jörg Magenau hält es für lohnend, Botho Strauß bei seinem Selbstgespräch zuzuhören. Das Buch ist laut Magenau kein Roman, sondern der aufs Verstummen zusteuernde Monolog einer poesiebegabten Frau, die einer Begegnung mit einem Mann nachsinnt. Was diese von Magenau als lyrisches Ich des Autors verstandene Person an Stimmungen und Gedanken vermittelt, geht laut Magenau ins Mythische. Besonders stark findet er den Text, wenn die Wörter "materielle Gestalt" annehmen, darin wird für ihn auch das ästhetische Verfahren des Autors kenntlich.
Stichwörter

Themengebiete