Antje Ravik Strubel

Blaue Frau

Roman
Cover: Blaue Frau
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021
ISBN 9783103971019
Gebunden, 432 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Adina wuchs als letzter Teenager ihres Dorfs im tschechischen Riesengebirge auf und sehnte sich schon als Kind in die Ferne. Bei einem Sprachkurs in Berlin lernt sie die Fotografin Rickie kennen, die ihr ein Praktikum in einem neu entstehenden Kulturhaus in der Uckermark vermittelt. Unsichtbar gemacht von einem sexuellen Übergriff, den keiner ernst nimmt, strandet Adina nach einer Irrfahrt in Helsinki. Im Hotel, in dem sie schwarzarbeitet, begegnet sie dem estnischen Professor Leonides, Abgeordneter der EU, der sich in sie verliebt. Während er sich für die Menschenrechte stark macht, sucht Adina einen Ausweg aus dem inneren Exil. 

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.11.2021

Rezensent Paul Jandl scheint begeistert von Antje Ravik Strubels Roman. Die #MeToo-Geschichte um eine junge Frau aus Osteuropa, die in Berlin und Helsinki ihr Glück sucht, aber nur dunkle Ohnmacht und scheiternde Kommunikation findet, überzeugt Jandl als "Geschichte der Räume", die in die "Herzkammern der Angst" führt. Strubels einfühlender "Hyperrealismus" macht Jandl die Kälte und das "Feinstoffliche der Kommunikation" hinter #MeToo erfahrbar.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.10.2021

Rezensentin Miryam Schellbach erkennt in Antje Rávik Strubels "Blaue Frau" die "feine Linie zwischen West und Ost". Die Autorin beschreibt in dem Buch das Leben der unterbezahlten Praktikantin eines uckermärkischen Ferienresorts, der Tschechin Adina, die ausgenutzt und schließlich vergewaltigt wird. Für Schellbach insofern ein Problem, als die Beschreibung einer Gewalttat diese "potenzieren" kann. Strubel löst dieses Problem jedoch zur Zufriedenheit der Rezensentin, indem sie die Erzählerin im Dialog mit einer feenartigen blauen Frau darüber diskutieren lässt. Alles in allem eine wirkungsvolle literarische Beschreibung der "brutalen Beharrlichkeit von Phantomgrenzen", lobt Schellbach.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.10.2021

Rückblickend staunt Rezensentin Judith von Sternburg über den erzählerischen Aufwand, den Antje Ravik Strubel betreibt, um eine Geschichte über Macht und Machtmissbrauch zu erzählen. Dass die Autorin am Ende ihres Romans bei einer essayistischen EU-Hommage (oder -Kritik?) ankommt, indem sie den Weg ihrer Protagonistin von Tschechien über Berlin bis nach Finnland nachzeichnet, findet Sternburg immerhin bemerkenswert. Sternburg scheint sich lieber an die Komplexität der Geschichte zu halten, an ihren Ernst und ihre Poesie, auch wenn es ihre ganze Leserinnengeduld fordert, wie sie einräumt. Wie sich die Hauptfigur jeder Zuschreibung "freundlich" entzieht und die Autorin ihr auf ihrem Weg durch Europa folgt, scheint Sternburg jedenfalls auch zu fesseln.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2021

Rezensentin Katharina Granzin ärgert sich, dass ihr beim Lesen dieses Romans immer wieder die Jungfrau Maria durch den Kopf geistert, dabei sei die titelgebende blaue Frau hier ja eine ganz andere: die in einer Rahmenhandlung als mysteriöse Fremde eingeführte eigentliche Protagonistin Adina aus Tschechien, die in Deutschland vergewaltigt wird und auch durch die Flucht nach Finnland ihrem Trauma nicht entkommt. Bereits diese komplizierte Erzählstruktur findet Granzin zwar in sich logisch, aber etwas "manieriert"; überhaupt legt ihr die Autorin manchmal gar etwas zu viel Formbewusstsein an den Tag. Dazu passe dann aber wiederum die "platte politische Europapolitik" nicht, die sie hier vermutet und die ihr außerdem fragwürdig scheint, weil die deutsche Autorin sich hier eine tschechische Perspektive aneigne.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2021

Nicht ganz leicht fällt es dem Rezensenten Nils Kahlefendt, Antje Ravic Strubel und ihrer Erzählerin in die Abgründe der zerstörten Hoffnungen einer jungen Frau aus Tschechien zu folgen, die, ausgenutzt, vergewaltigt, ihre Reise ins gelobte Merkel-Land in einem finnischen Plattenbau beendet. Das Psychogramm einer Suchenden begreift der Rezensent auch als europäisches  Gesellschaftsbild und Erkundung von Machtverhältnissen zwischen Frauen und Männern, Ost- und Westeuropa. Erzählerisch legt sich die Autorin laut Kahlefendt mit vielen Schauplätzen, assoziationsreichen und poetischen Passagen, Vor- und Rückblenden und einer vielschichtigen Aufteilung des Textes ins Zeug.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.08.2021

Richard Kämmerlings kann die Längen im letzten Teil von Antje Ravic Strubels Roman verzeihen. Die Geschichte um den Selbstfindungsprozess einer jungen Frau aus Tschechien, die sich in Beruf und Privatleben mit toxischer Männlichkeit konfrontiert sieht und nach einer traumatischen Gewalterfahrung die Bilanz ihres Lebens zu ziehen versucht, erzählt die Autorin laut Kämmerlings anschaulich und einfühlsam. Sprachliche Registerwechsel, die die Story zeitweise zur Parabel über die Ignoranz des Westens dem Osten gegenüber machen, scheinen die Lektüre für Kämmerlings zu bereichern.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.08.2021

Als "Harvey-Weinstein-Geschichte" bezeichnet Rezensentin Maike Albath den neuen Roman von Antje Ravik Strubel. Neben einer eher sachlichen Dokumentation von Gewalt und Machtverhältnissen bietet ihr der Text vor allem erzählerische Meisterschaft: die gekonnte Verflechtung von Handlungssträngen, die raffinierte Komposition von Motiven, die subtile atmosphärische Darstellung des Handlungsortes Finnland in Überblendungen. Reizvoll findet Albath auch, dass sie nicht sicher weiß, ob die beiden weiblichen Figuren im Buch nicht doch zwei Teile einer einzigen Person darstellen. Die Offenheit der Geschichte, zugleich ihre präzise Konstruktion ziehen die Rezensentin sichtlich an.
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