Anne Carson

Irdischer Durst

Cover: Irdischer Durst
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2020
ISBN 9783957579621
Gebunden, 118 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Marie Luise Knott. In vier poetischen Streifzügen verbindet Carson Rhythmus und Metaphorik der Dichtung mit der schweifenden Natur des Essays und der Direktheit des Theaters. Die Lesenden erkennen, dass Geschichten und Mythen unsere Wirklichkeit durchweben. Neben einer modernen Variation auf den Dichter Mimnermos von Kolophon finden sich in diesem Band Kurzvorträge zu so diversen Themen wie Forellen, Rembrandt und Entjungferung; Überlegungen zur Vergleichbarkeit von Winter und Birnen sowie ein Langgedicht zum Leben des Renaissance-Malers Perugino. Schließlich steht unser ganzes komplexes Heute auf dem Spiel. Was sehen und was verstehen wir? Welche Lust ziehen wir gerade aus dem, was wir nicht verstehen und was dennoch da ist?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.01.2021

Wärmstens empfiehlt Rezensentin Angela Schader Anne Carsons "Irdischen Durst" vor allem jenen, die mit dem vielfältigen Werk der kanadischen Autorin noch nicht vertraut sind. Der dünne Band nämlich bietet eine herrliche Kostprobe aus Versen, Prosatexten, Essays und fiktiven Unterredungen mit dem antiken Dichter Mimnermos. Dieser steht im Zentrum von Schaders neugierigen literarischen Annäherungen aus verschiedenen Richtungen. Spielerisch und trotzdem gewissenhaft greift sie Mimnermos Themen und Gedanken auf, um sie über ihren historischen Kontext hinaus zu erweitern und zu bearbeiten, so Schader. Versiert trägt sie die wenigen bekannten Fakten aus dem Leben des Griechen zusammen, nur um die so aufgebaute Sicherheit und Autorität im nächsten Abschnitt des Buches wieder zu unterwandern, lesen wir. Und geschickt verbindet und verwebt sie Gegenwart mit Vergangenheit, Realität und Fiktion, und strenge kulturgeschichtlich eingebettete Konzepte mit "Sinnlichkeit, Empathie, Ironie". Ein Fest, findet die begeisterte Rezensentin, und alles andere als nur "zerebrales Trockenfutter".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2020

Der hier rezensierende Lyriker Jan Wagner kann kaum an sich halten bei den von Marie Luise Knott übertragenen Texten der kanadischen Dichterin Anne Carson. Ganz eigen findet er Carsons Dichten, vor allem ihr den Leser forderndes Zwiegespräch mit Dichtern wie Beckett oder Ovid, Plath oder Stein. Wie Carson dabei immer wieder auch durch die Zeiten Verbindungen schafft, etwa vom antiken Griechenland in die DDR, scheint Wagner faszinierend. Tolle Volten, "linguistische" Einfälle, poetische Kommentare und Hommagen verblüffen ihn. Ein gelehrtes Dichten, das ganz Carsons wie Wagners Metier ist. Dass auch das Sinnliche im Band nicht zu kurz kommt, versichert der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2020

Ganz hingerissen ist Rezensent Samir Sellami, dass nach Anne Carsons Langgedicht "Rot" nun gleich drei weitere Bücher der kanadischen Lyrikerin in großartiger deutscher Übersetzung von Marie Luise Knott (Irdischer Durst), Christina Dongowski (Der bittersüße Eros) und Anja Utler (Dreizehn Blickwinkel auf Einige Worte, Carsons Berliner Rede zur Poesie) vorliegen. Vergnügt macht sich der Kritiker mit der studierten Altphilologin auf zu einer Reise durch die antike Literaturgeschichte, bewundert, wie Carson etwa dem antiken Eros jede Romantik und "Schrulligkeit" austreibt und stattdessen ganz auf Lebensnähe setzt. Gelehrt und detailversessen erscheinen ihm die Texte - und sind dank Carsons Witz, mitunter Albernheit doch immer unterhaltsam zu lesen, versichert Sellami. Bei aller Frische der Lyrik würde sich der Rezensent allerdings wünschen, dass Carson dem "alten europoäischen Geist noch einmal so richtig die Handgelenke bricht".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.08.2020

Die Gedichte, Essays und Aphorismen in diesem Band kreisen um das elementare Bedürfnis nach dem schöpferischen Prozess und seine Rätselhaftigkeit, weiß Rezensent Fokke Joel: Sowohl die Texte selbst als auch ihr Inhalt beschäftigen sich mit dem Durst nach der Kreativität, die Anne Carson dem Kritiker zufolge gerne an historischen Gegebenheiten oder anderen Texten entzündet. Assoziativ und bildgewaltig, ist das Buch zwar nicht leicht zugänglich, fordert aber die intellektuelle Wendigkeit des Lesers heraus und belohnt ihn mit neuen "Perspektiven auf die Dinge des Lebens", so Joel.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.07.2020

Rezensentin Astrid Nettling begleitet die Dichterin Anne Carson bei der Betrachtung von Textfragmenten des griechischen Dichters Mimnermos. Was dabei Kommentar, was Übersetzung, was Dichtung ist, scheint Nettling unerheblich. Wichtig ist ihr, dass Carson philologisch kenntnisreich gerade die Lücken der alten Texte fruchtbar macht. Wenn Carson in den Prosastücken des zweiten Teils des Buches  über Reisen, Hedonismus, die Bardot oder Ovid spricht, kommt diese Lust an der Leere und "Wörterlosigkeit" laut Rezensentin wiederum zum Vorschein.