Anetta Kahane

Ich sehe was, was du nicht siehst

Meine deutschen Geschichten
Cover: Ich sehe was, was du nicht siehst
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783871344701
Gebunden, 348 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Der "Aufstand der Anständigen" liegt lange zurück, doch die Gefahr von rechts ist seither nicht geringer geworden. Warum kommt es gerade im Osten Deutschlands immer wieder zu rechtsradikalen Gewalttaten? Warum haben antisemitische Verschwörungstheorien in Deutschland seit einiger Zeit wieder Konjunktur? Anetta Kahane versucht Antworten auf diese Fragen in ihrer eigenen Geschichte zu finden. Sie erzählt von ihrem Leben in der DDR, in der es eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nicht gab. Sie spürt den Geistern einer verdrängten Vergangenheit nach, die nach der Wende umso mächtiger hervorbrach. Ihr Buch ist das Dokument eines außergewöhnlichen Lebens und zugleich ein mitreißendes Plädoyer für Zivilcourage.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.10.2004

Mit ihrer Autobiografie, lobt der Rezensent Andreas Bock, hat die antifaschistische Aktivistin Anetta Kahane im Grunde eine "deutsch-deutsche Biografie" geschrieben, die den "Zustand der Zivilgesellschaft im wiedervereinigten Deutschland" beschreibt. Dabei gehe es ihr vor allem darum, den DDR-Antifaschismus als "Maskerade" zu entlarven. Denn gerade der staatlich verordnete Stempel des Antifaschismus habe im deutschen Osten eine wirkliche Auseinandersetzung mit der gesamtdeutschen Schuld und Verantwortung verhindert. Dass diese Auseinandersetzung, wie Kahane betone, bis heute nicht stattgefunden habe, habe der Westen nie wirklich begriffen. So werde das "alte Kinderspiel" (Ich sehe was, was Du nicht siehst) zur "gesamtgesellschaftlichen Diagnose", der Kahane begegne, indem sie zum Beispiel den Alltag in der "national befreiten Zone" in Schwedt an der Oder beschreibe und dadurch das Nicht-Gesehene sichtbar mache.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2004

Offensichtlich gelangweilt von der Biografie der vor allem durch ihren Kampf gegen Rassismus und Rechtsradikalität bekannt gewordenen Anetta Kahane ist der Rezensent Uwe Stolzmann. Er findet in der Biografie wenig Bemerkenswertes, außer einem recht negativer Rückblick auf das Leben in der DDR: "In Kahanes Erinnerung bleibt der kleinere deutsche Staat ein abstoßendes Gebilde: kalt und eng, spießig und rassistisch, ein Quell für Hass und dauerhafte Frustration." Der Rezensent wundert sich über Kahanes Tunnelblick, zumal sie ein für DDR-Verhältnisse recht privilegiertes Leben geführt hat und vermutet dahinter Scham darüber, dass "sie gelegentlich der Staatssicherheit zu Diensten war", wie Stolzmann schreibt. Spuren eines "außergewöhnlichen Lebens", das hier der Verlagswerbung zufolge nachzulesen ist, kann der Rezensent jedenfalls nicht entdecken.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.06.2004

Eine "Iphigenie in der Uckermark" meint Rezensent Micha Brumlik in Anetta Kahanes Rückblick auf ihr Leben in der DDR angetroffen zu haben. Zweierlei haben den Rezensenten daran interessiert: Zum einen der unterschwellige oder offensichtliche Rassismus (mit dem sich die DDR in Kahanes Einschätzung ihre Legitimität verspielt hat), zum anderen - und ganz besonders - die Schilderungen des letzten DDR-Jahrzehnts. Vor dem Hintergrund finanzieller Not habe das Politbüro ersonnen, es könnten Kredite von den USA geworben werden - über Gemeinsamkeiten beider Staaten. Und die nützlichste Gemeinsamkeit waren die - zuvor zwangsassimilerten - jüdischen DDR-Bürger, die man plötzlich ermutigte, sich zu ihrem Judentum zu bekennen. Gerade in dieser Schilderung werde Kahanes Geschichte zu einer "Fallstudie über jüdische Identitätsbildung", in der sich nachvollziehen lasse, "wie viele verschiedene innere und äußere, psychische, soziale und politische Motive zusammenwirken müssen, damit ein deutsch-jüdisches Selbstverständnis wiedererfunden werden konnte". Das letzte Drittel des Buches dagegen ist nicht so ganz nach Geschmack des Rezensenten, weil es sich zu eingehend mit der Beschreibung von Kahanes "antirassistischen Aktivitäten und Programmen" beschäftigt. Aber das ist es eben, wo Kahanes Herz schlägt und wo ihr Engagement liegt.