Andrew Miller

Zehn oder fünfzehn der glücklichsten Momente des Lebens

Roman
Cover: Zehn oder fünfzehn der glücklichsten Momente des Lebens
Zsolnay Verlag, Wien 2003
ISBN 9783552052239
Gebunden, 335 Seiten, 21,50 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Alice Valentine, die resolute und geliebte Direktorin einer Schule im Westen Englands, ist unheilbar krank und kämpft darum, ihr Leben in Würde zu beenden. Alec, ihr jüngerer Sohn, fühlt sich als Versager, besonders im Vergleich zu seinem Bruder Larry, der als Tennisstar nach Amerika gegangen ist und immerhin eine Hauptrolle in einer "soap opera" gespielt hat. Dass er inzwischen in schmuddeligen Pornofilmen spielt und seine Familie auseinanderzubrechen droht - davon wissen Mutter und Bruder nichts.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.11.2003

Andrew Miller hat sich mit diesem Roman zum ersten mal in die "Wirklichkeit", in die "sich unendlich aufspaltende Zeitzone Gegenwart" begeben, meint ein sichtlich zufriedener Tilman Urbach, und sei an dieser schwierigen Aufgabe "nachgerade zum ernsthaften Schriftsteller" gereift. In "verschiedenen, präzis durchgearbeiteten Erzählsträngen" entwirft Miller die "Lebens- und Leidenswege" von Alice Valentine und ihren Söhnen Alec und Larry, erklärt der Rezensent, die sich sowohl in Lebensentwurf und charakterlichen Anlagen komplementär unterscheiden. Da die Mutter im Sterben liegt, kehren die Brüder in das Elternhaus zurück und versuchen sich fast hilflos an "einer Annäherung an das Leben nach ihrem Tod". So erzähle das Buch, das "seine leuchtende erzählerische Stringenz" aus der Analyse des Alltäglichen erziele, von der Suche nach dem flüchtigen "Lebensglück" mit all seinen "launischen Wendungen", so Tilman Urbach.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.09.2003

Den Titel des englischen Originals, "Oxygen", findet Marion Lühe treffender. Aber vielleicht ging es ja den deutschen Lektoren wie ihr, dass sie die Luft-Metapher etwas zu aufgetragen fanden. Denn allen Beteiligten im Roman bleibt buchstäblich die Luft weg, erkennt Lühe. Da gibt es die an Bronchialkrebs erkrankte Großmutter, die asthmatische Enkelin, und die beiden Söhne, von denen der eine ein Theaterstück namens "Oxygen" übersetzt und eine Sauerstoffcreme gegen Falten benutzt. Lebenswege und Lebenslügen werden nun vor der im Sterben liegenden Mutter und Großmutter ausgebreitet, fasst Lühe die Handlung zusammen, und fast alle drohten an ihren Lügen zu ersticken. Einem der beiden Söhne gelinge es schließlich, das Lügengeflecht zu durchtrennen und das eigene Scheitern einzugestehen, so Lühe. Der Roman werde dennoch erstaunlich unsentimental erzählt, pflege einen Sinn für Details und besitze eine klare, bilderreiche Sprache. Nur das Ende scheint Lühe zu abrupt - als sei dem Autor "die Puste ausgegangen", kalauert sie.