Alexandre Correard

Der Schiffbruch der Fregatte Medusa

Ein dokumentarischer Bericht aus dem Jahr 1818
Cover: Der Schiffbruch der Fregatte Medusa
Matthes und Seitz, Berlin 2005
ISBN 9783882218572
Kartoniert, 256 Seiten, 22,80 EUR

Klappentext

Anonyme Übersetzung aus dem Französischen 1818. Mit einem Vorwort von Michel Tournier, einem Nachwort von Johannes Zeilinger und einem Essay von Jörg Trempler. Am 2. Juli 1816 zerbrach die auf Grund gelaufene Fregatte Medusa vor der Küste Afrikas. Da nicht genügend Rettungsboote an Bord waren, wurde ein Floß gezimmert, auf dem nicht weniger als 150 Personen untergebracht wurden. Ohne Skrupel entfernten sich die Rettungsboote und ließen das weitgehend manövrierunfähige Gefährt zurück. Als das Floß durch Zufall nach zwölf Tagen entdeckt wurde, befanden sich nur noch fünfzehn Personen am Leben. Der vorliegende Romanbericht zweier Überlebender beschreibt eindrucksvoll den Kampf auf hoher See sowohl gegen den Hunger als auch gegen die Leidensgenossen. Berühmt wurde der Text nicht nur durch die erstaunlich nüchterne Schilderung von Meuterei und Kannibalismus, sondern auch durch die politische Bedeutung, da nicht wenige Zeitgenossen in diesem Schiffbruch ein Bild des Staatsschiffs sahen. Die Medusa wurde sofort als "allegorie reelle" auf die Zustände im nach-revolutionären Frankreich bezogen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.12.2005

Ein Schiffbruch, so Dorothea Dieckmann mit Bezugnahme auf Hans Blumenberg, ist immer ein "Sinnbild für die Bedrohung" der "Menschlichkeit in Grenzsituationen". Ein eindrucksvolles Beispiel dafür hat ihr der von Jean-Baptiste Henri Savigny und Alexandre Correard, Augenzeugen und Leidtragende der Katastrophe, vorgelegte Bericht über den "Schiffbruch der Fregatte Medusa" gegeben. 150 Menschen, 13 Tage lang zusammengepfercht auf einem Floss, nachdem ihr Schiff auf einer Sandbank vor der afrikanischen Küste liegen geblieben war, als Nahrungsmittel hauptsächlich Wein: übrig blieben 15 Menschen, von denen zwei bald darauf starben. Allein das zeugt von dem terroristischen Ausmaß der Ereignisse. In dem Bericht hat die Rezensentin ein Dokument von "erschreckender Aussagekraft über die (un)menschlichen Potenziale unserer Spezies" entdeckt. Kranke wurden über Bord geworfen, nachts fanden Schlachten statt, gespeist von Rassismus und militärisch-politischen Querelen. Die "sorgfältige Edition" dieser "leidenschaftlichen Reportage im Dienst der Aufklärung" wird von Dieckmann als verdienstvoll gewürdigt, und die Meriten des Verlages werden ihrer Meinung nach noch erhöht durch einen "instruktiven Kommentar" und einen "brillanten Essay" zu Gericaults berühmtem Gemälde vom "Floss der Medusa".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.12.2005

Uneingeschränktes Lob vergibt Rezensent Rolf-Bernhard Essig an das vorliegende Buch, in dem sich alles um das Floß der Medusa dreht. Wie die Fregatte "Medusa" im Jahre 1816 aufgrund grober Fahrlässigkeit zerschellte und wie rasant daraufhin ein "Zusammenbruch zivilisatorischer Normen" vonstatten ging, den nur wenige von 400 überlebten, erfahre der Leser im "verstörenden und detailreichen" Bericht zweier Überlebender: Jean-Baptiste Henri Savigny und Alexandre Correard. Erfreulicherweise, schreibt Essig, gibt diese Ausgabe die ausgezeichnete - und behutsam modernisierte - Übersetzung von 1818 wieder, die die "erschütternde Lakonie" und die "literarische Qualität" des Originals bewahrt, das bei ständigem Ringen um Objektivität zugleich "Rechtfertigung und Anklageschrift" ist. Als wunderbare Ergänzung lobt der Rezensent sowohl Johannes Zeitingers "historisch wie seemännisch hellsichtiges" Nachwort, das die Verfehlungen an Bord der Medusa in ein politisches Licht rückt, als auch Jörg Templers "geistreichen und gut illustrierten" Essay über Gericaults "Floß der Medusa", der unter anderem belegt, dass es sich bei dem Gemälde keineswegs um ein "Historienbild" handelt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.11.2005

Der Bericht über den Schiffbruch der Fregatte Medusa vor der Küste Senegals 1816, hat nichts von seiner Eindrücklichkeit verloren, meint Manfred Schwarz, der den Großteil seiner Rezension benutzt, die Umstände des Unglücks und die darauffolgende Horrorfahrt von 150 Überlebenden auf einem Floß zu schildern. Nach zwei Wochen, als sie von einem Schiff aufgelesen wurden, waren durch Kannibalismus und Kämpfe nur noch fünfzehn Schiffbrüchige am Leben. Schwarz jedenfalls "schaudert" es bei diesem Zeugnis einer "Höllenfahrt durch die Abgründe der menschlichen Seele" noch heute, und er kann gut die heftigen Diskussionen über die Zerbrechlichkeit der Zivilisation nachempfinden, die in Europa nach dem Erscheinen des Reports aufgeflammt sind. Das "vorzügliche Nachwort", das den Vorfall historisch einbettet, kann er allen Lesern darüber hinaus uneingeschränkt empfehlen, den Essay über Theodor Gericaults monumentales Gemälde "Das Floß der Medusa" hingegen verwirft er als "wenig brauchbar".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.09.2005

Rezensent Balthasar Haussmann hätte am liebsten gleich in alten Jugendbüchern weitergelesen, so spannend findet er nicht allein den historischen Bericht der beiden Schiffbrüchigen Savigny und Correard, sondern auch die begleitenden Texte aus heutiger Sicht. Endlich mal wieder ein Buch, dem man die "verlegerische Leidenschaft" anmerke. Der Schiffbruch der Medusa ist wegen des überaus "anschaulichen" Berichts und Thedore Gericaults berühmtem Gemälde einer der bekanntesten der Seefahrtsgeschichte. Von 150 Männern auf einem Floß hatten nach Mord, Totschlag und Kannibalismus nur 15 überlebt. Einer war der Arzt Savigny, der einen Bericht für das Seeministerium schrieb, in dem auch das Verhalten des Kapitäns bloßgestellt wurde, der sich mit den wenigen Rettungsbooten sozusagen aus dem Staub gemacht hatte. Savigny, so der Rezensent, habe seinen Bericht später zusammen mit dem Schicksalsgenossen Correard zu dem vorliegenden Text erweitert. Neben einer genauen Schilderung des "Tathergangs" liefere der Bericht auch eine quasi ärztliche Beschreibung der "körperlichen und seelischen Veränderungen" sowie der "schnell einsetzenden Halluzinationen". Die wirklich spannende Frage bei der Lektüre, richtet Rezensent Haussmann den Finger auf sich und uns, sei neben vielen interessanten anthropologischen und medientheoretischen Aspekten die schaurige Frage, wie man sich wohl selbst verhalten hätte: wie der Kapitän oder wie Savigny?