Hannah Arendt, Uwe Johnson

Hannah Arendt / Uwe Johnson: Der Briefwechsel

1967 bis 1975
Cover: Hannah Arendt / Uwe Johnson: Der Briefwechsel
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518415955
Gebunden, 342 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Eberhard Fahlke und Thomas Wild. "Ihre Freundschaft war ehrlich genug für Tapferkeit vor dem Freund", schreibt Uwe Johnson, eine Zeile von Ingeborg Bachmann aufgreifend, zum Tod von Hannah Arendt im Dezember 1975. Zehn Jahre zuvor waren sie einander zum ersten Mal begegnet. Der Briefwechsel umfasst insgesamt 60 größtenteils unveröffentlichte Briefe und dokumentiert das Verhältnis zwischen dem Schriftsteller, der durch Hannah Arendt zum ersten Mal jüdischem Leben und Denken begegnet, und der Philosophin, die das Erzählen des Verfassers der Jahrestage tiefgreifend geprägt hat.

Im Perlentaucher: Rezension Perlentaucher

Im Briefwechsel zwischen Hannah Arendt und Uwe Johnson geht es meist darum, Verabredungen zu treffen oder sich dafür zu entschuldigen, dass die vereinbarten Treffen wieder einmal nicht zu Stande kamen. Die Korrespondenz beginnt mit einer Postkarte Hannah Arendts an Uwe Johnson vom 22 Juni 1967. Sie endet am 27. August 1975 nach 161 Seiten mit einem Brief Uwe Johnsons. Der Leser erfährt nichts über den Vietnamkrieg, nichts über die Studentenbewegung, nichts über die Welt, in der die beiden lebten. Das Private bleibt ebenso ausgespart. Was schreiben die beiden einander? Uwe Johnson bittet um Vergebung dafür, dass er Hannah Arendt in den "Jahrestagen" auftreten lässt. Hannah Arendt bittet um Vergebung dafür, dass sie nicht die Laudatio bei der Büchnerpreisverleihung halten wird. Man erfährt von Schlampereien des Suhrkamp-Verlages, von dem Ärger, den Autoren mit ihren Verlegern haben. Alles deutlich unter dem Niveau beider Korrespondenten...
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 31.07.2004

Der Briefwechsel des jungen, in Nazideutschland aufgewachsenen Schriftstellers und der von ebendort geflohenen, fast doppelt so alten Jüdin war, so Marie Luise Knott, vom Bemühen um Harmonie geprägt, doch dokumentiert er vor allem Missverständnisse und Zwistigkeiten. Sie wollten ja, sie mochten sich, und - so hat es die Rezensentin den Erläuterungen der Herausgeber entnommen - ihre persönlichen Begegnungen waren wohl auch von Stimmigkeit und regem Austausch geprägt. Doch in der schriftlichen Korrespondenz offenbarte sich Misstrauen ihrerseits, und (vielsagende) Ungeschicklichkeit seinerseits. "Es ist", schreibt Knott, "als habe sie ihn ansprechen, aber sich ihm nicht anvertrauen können", weshalb Arendts Briefe viel Belangloses, wenig thematisch Gehaltvolles enthalten. Und Johnson hatte überraschenderweise Schwierigkeiten, den richtigen Ton im Umgang mit der Jüdin zu treffen, und trat mehrmals in Fettnäpfchen, beispielsweise als er die so ausdrücklich um Privatheit Bemühte im Vorabdruck der "Jahrestage" mit richtigem Namen nannte, um sie dann, nach erfolgtem Rüffel, ausgerechnet hinter einer "Gräfin Seydlitz" zu verbergen. So bleibt denn: Ein oft witziger, "kurzweiliger" Austausch, in dem sie die Rolle der gnädigen Grande Dame übernahm, und er die des "wissbegierigen Jungen" - natürlich selbstironisch inszeniert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.07.2004

Wer die Korrespondenz der "klugen Frau" Hannah Arendt und dem "genialen Schriftsteller" Uwe Johnson liest, darf nicht auf ein "Gespräch großer Geister" hoffen, warnt Rezensent Rolf Michaelis. Etwas Schöneres sei in dem von Eberhard Fahlke herausgegebenen Buch zu entdecken, ein "Liebesbriefwechsel" zwischen zwei Menschen, die "beide scheu" sind, aber im Laufe der Zeit den "Ton großen Vertrauens" wiederfinden. Worte überraschenden Humors wechseln sich mit Andeutungen "herzlicher Freundschaft, ja Zärtlichkeit" ab. "Running Gags", wie die Anspielungen auf Arendts Neigung zu italienischen Aperitifs, sind in den fast sechzig Briefen ebenso zu finden wie erschütternde Zeugnisse, so zum Beispiel der Brief, den Johnson zum Tod von Arendts Mann, Heinrich Blücher schrieb. Ein "großer Briefwechsel" liegt dem Leser nun vor, der nicht zuletzt durch die "vorzügliche" Edition einiger Skizzen und Entwürfe "wertvoll" wird, lobt Michaelis.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.07.2004

"Wer erklärt hier wem seine Liebe?" könnte Willi Winklers Frage angesichts des jüngst erschienen Briefwechsels zwischen Hannah Arendt und Uwe Johnson lauten. Allerdings ist das so eine Sache mit der Liebeserklärung, denn trotz vieler freundlichen Worte zweifelt Winkler letztlich an der vollkommenen und gegenseitigen Aufrichtigkeit der "Great Old Lady der Emigration" und des "sogenannten vielversprechenden jungen deutschen Autors" Uwe Johnson. In der Tat scheinen die Briefe, die aus den zehn Jahren nach Johnsons New-York-Aufenthalt stammen, bei dem er die dort lebende Hannah Arendt kennengelernt hat, in erster Linie von Angeboten und Absagen zu zeugen. So erfahre der Leser zum Beispiel von Johnsons Versuchen, der großen alten Dame in seinem Roman "Jahrestage" die Ehre zu erweisen, indem er sie zur Romanfigur macht, und Hannah Arendts darauffolgenden Missfallensbekundungen. Im Lichte dieses von den Herausgebern ungeheuer umfassend und präzise kommentierten Briefwechsels verändert sich für Winkler auch die Deutungsperspektive der "Jahrestage", die er jetzt als "Versuch einer umgekehrten Assimilation" des "Musterdeutschen" Johnson liest, "der lieber als Jude auf die Welt gekommen wäre". Und auch ein wenig Komik halten die Briefe parat, verrät der Rezensent, etwa wenn Arendts Deutsch immer englischer wird, während Johnson eher "ironisch" englische Ausdrücke ins Deutsche überträgt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.06.2004

Eberhard Rathgeb vermutet, dass sich Hannah Arendt und Uwe Johnson, die sich 1965 in New York, im Goethe-Haus, kennenlernten, "im Gespräch wahrscheinlich alles sagten, in ihren Briefen aber weitgehend nichts". Allenfalls gehe es einmal darum, warum der Autor nicht zur Philosophin ins Tessin reisen könne. Das macht natürlich die Edition des Schriftwechsels zu einer problematischen Angelegenheit. Denn entweder, so der Rezensent, haben die Schreiben "die Länge von Postkartenmitteilungen", oder sie kommen "inhaltlich über das Postkartenformat nicht hinaus". Wenig befriedigend also. Darum rät Rathgeb, zunächst einmal das Nachwort zu lesen, das eine ähnliche Auffassung des Stils als Bindeglied zwischen den beiden Briefpartnern vermutet. Auch die Kommentierung der Briefe lege "ein kleines zeitgeschichtliches Panorama im Hintergrund" an. Der Rezensent überlegt angesichts der Dürftigkeit des Austauschs, "was die beiden zusammengehalten hat", möchte es dann aber "auch gar nicht wissen", da er "sich die Forderungen nach Diskretion in Erinnerung ruft, die Johnson gerne erhob". Fest steht jedenfalls: "Wer erwartet, dass zwischen den beiden, dem Schriftsteller und der Philosophin, die Funken fliegen, wird schwer enttäuscht."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.05.2004

Sehr interessiert, wenn auch scheinbar ohne größeren Erkenntnisgewinn hat Stephan Reinhardt den Briefwechsel zwischen Hannah Arendt und dem drei Jahrzehnte jüngeren Uwe Johnson gelesen. Man entnimmt seiner Besprechung, dass es darin hauptsächlich um den Austausch politischer Ansichten ging: "Arendt und Johnson teilen sich die Schwächen und Fehler ihrer Länder mit" - Arendt hadert mit Nixon, Johnson bedauert die hysterischen Reaktionen auf die RAF-Aktivitäten, die Verunglimpfung von Intellektuellen als Sympathisanten. Der Rezensent seinerseits findet es schade, dass die wirklich brisanten Gespräche - was etwa den Totalitarismus, Arendts Thema, oder den jüdisch-palästinensischen Konflikt angeht - mündlich stattfanden, als Johnson in der New Yorker Nachbarschaft Arendts wohnte. So seien die "sorgfältig" kommentierten Briefe vor allem Zeugnis einer Zuneigung und Beleg dafür, dass der schwierige Charakter Johnson "eine Begabung für die Freundschaft mit weiblichen Intellektuellen und Charakterköpfen" zeigte.