Alaa al-Aswani

Der Jakubijan-Bau

Roman aus Ägypten
Cover: Der Jakubijan-Bau
Lenos Verlag, Basel 2007
ISBN 9783857873812
Gebunden, 384 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Arabischen und mit einem Nachwort von Hartmut Fähndrich. Die Armen wohnen oben, auf dem Dach, in kleinen Kabüffchen, die ursprünglich als Abstellkammern konzipiert waren. In den Stockwerken darunter geht es weniger knapp zu. Dort hat ein durch die Revolution von 1952 teilenteigneter Grundbesitzer sein Büro mitsamt Liebesnest, ein Chefredakteur seine Wohnung, ein Neureicher das Domizil für seine Zweitfrau und viele Ungenannte ihr ganz normales Zuhause. Auf vielfältige Weise verweben sich die Leben der Bewohner. Das Haus wird zum Mikrokosmos für Ägypten.
Alaa al-Aswanis Roman stellt vieles dar, was es in Ägypten gibt, worüber aber nicht häufig - und eigentlich nie in dieser Direktheit - gesprochen wird. Da kommt der junge Mann nicht an die Polizeischule, weil sein Vater nur Türhüter ist. Da hält sich der wohlhabende Journalist einen armen Oberägypter als Bettgenossen. Da predigt der eine Geistliche für die Regierungspolitik, der andere für den Terror. Da bereichern sich manche schamlos mit den zweifelhaftesten Geschäften. Da wird das junge Mädchen, das für seine Familie sorgen muss, von allen Arbeitgebern systematisch belästigt. Da träumt der ehemalige Aristokrat von vorrevolutionären, besseren Zeiten. Da wird im Bereich der Politik geschmiert, geschnüffelt und gefoltert. Da wird eben das tägliche Leben Ägyptens gezeigt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2007

Beklemmend und eindrucksvoll zugleich findet Sabine Berking Alaa al-Aswanis vor zwei Jahren im Original erschienenen Debütroman. Dass das Buch zum Bestseller wurde, kann sie gut verstehen. Auf "deftige" Sexpassagen führt sie es zurück, auf "orientalische Opulenz" und vor allem auf das Aufzeigen von Mechanismen der Korruption, der Gewalt und des sozialen Elends als "Nährboden für einen radikalen Islam". Insofern ist der Roman trotz seiner Kolportagehaftigkeit für Berking ein "Politdrama". Und Kairo als Kulisse eben nicht die von Al-Aswanis großem literarischem Erblasser Mahfus bekannte "Kaffeehausidylle", sondern eine "Kampfzone in einem Schurkenstaat", in der ein Opfer aus der untersten sozialen Kaste zum Täter wird.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.05.2007

Hymnisch begrüßt Rezensentin Angela Schrader die "souveräne" deutsche Übersetzung dieses Romans des ägyptischen Zahnarztes und Schriftstellers. Ihrer Einschätzung zufolge handelt es sich bei diesem "breit angelegten Bilderbogen" mit seinen "fein gestalteten Vignetten und ironischen Glanzlichtern" um eine "Bestandsaufnahme aus dem heutigen Ägypten", die aus ihrer Sicht mit "so viel Tempo, Witz und Herz" geschrieben wurde, dass sie sie "begierig wie kräftigen Mokka" geschlürft hat und erst nachher realisierte, dabei auch "den dunklen Bodensatz aus Zorn und Hoffnungslosigkeit absorbiert" zu haben, der die heutige islamische Welt prägt und zu der ihr dieses faszinierende Buch ein Fenster des Verständnisses öffnen konnte. Würde arabische Literatur hierzulande auf ähnlichem Level rezipiert, wie amerikanische, dieses Buch müsste ein literarisches Ereignis dieser Büchersaison werden, schreibt die Rezensentin auch über das Buch, in dessen Zentrum ein real existierendes Gebäude in Kairo steht, das einst von einem italienischen Architekten entworfen wurde, und dessen wechselvolle Geschichte samt wechselnder Bewohnerschichten und -strukturen für Alaa al-Aswani zum Symbol für die Geschichte seines Landes in den letzten fünfzig Jahren wird.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.03.2007

Dieser ägyptische Bestseller beantwortet Rezensentin Iris Radisch viele Fragen. Zum Beispiel, warum einer zum islamistischen Terroristen wird. Und zwar auf altmodische, einprägsame Weise, frei von koketten Melancholien und den "psychologischen Ambivalenzen" des Westens. Erzählt werde die Geschichte von Taha, der unterm Dach eines zehngeschossigen Kairoer Mietshaus lebt, das für die Rezensentin gleichzeitig die Struktur der ägyptischen Gesellschaft abbildet. Das Buch folgt dem Werdegang des armen jungen Mannes in den Fundamentalismus, zeichnet dabei, wie wir lesen, das Panorama des gegenwärtigen Ägypten, das geprägt ist von Folter, Armut, Rechtlosigkeit des Einzelnen und religiöser Radikalisierung. Zwar gerät das Buch aus der Sicht Rezensentin immer wieder in die Nähe der Kolportage. Doch Einwände, diese Spielart eines sozialen Realismus sei literarisch überholt, entkräftet sie plausibel: nach dem dreißigjährigen Krieg seien auch keine "Duineser Elegien" geschrieben worden und Folterstaaten generierten nun mal keine Popliteratur.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.02.2007

Gut unterhalten hat sich Andreas Pflitsch bei der Lektüre von Alaa al-Aswanis Roman "Der Jakubijan-Bau", der in der arabischen Welt der große Bestseller der letzten Jahre war und nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Zwar scheint ihm der Ansatz, über die Geschichte des titelgebenden zehngeschossigen Bauwerks und seiner Bewohner die ägyptische Gesellschaft abbilden zu wollen, nicht wirklich originell. Zudem wirkt der Roman wegen der Bemühungen des Autors, sämtliche soziale Schichten, politische und religiöse Strömungen, Generationen und Geschlechter zu Wort kommen zu lassen, auf ihn oft konstruiert. Auch aufgrund der enorm vielen Schicksalsschläge der Bewohner und der zahlreichen Tabubrüche erinnert ihn das Werk schließlich an die Lindenstraße: "Im angestrengten Bemühen um Realismus sind beide ähnlich überfrachtet". Für den Roman spricht seines Erachtens demgegenüber der hohe Unterhaltungswert, mit dem er ein "grellbuntes Panoptikum" zeichnet. Außerdem lobt Pflitsch den genauen Blick des Autors sowie seinen Sinn für Komik und die gesellschaftlichen Mechanismen. Auch wenn er letztlich einräumt, dass Ägypten heute vielfach "anspruchsvollere" Literatur zu bieten hat, scheint es ihm gegenwärtig schwer, einen "kurzweiligeren" Roman über Ägypten zu finden als vorliegenden.