Danilo Kis

Psalm 44

Roman
Cover: Psalm 44
Carl Hanser Verlag, München 2019
ISBN 9783446263949
Gebunden, 136 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Serbokroatischen von Katharina Wolf-Grieshaber. Der erstmals ins Deutsche übersetzte Roman von Danilo Kiš aus dem Jahr 1962 erzählt von der Jüdin Maria, die 1944 mit ihrem sieben Wochen alten, im Lager geborenen Sohn aus Birkenau flieht. "Nie wieder hat Kiš das Thema der Judenverfolgung mit solcher Direktheit angegangen, gleichsam auf körperliche Art und in Nahaufnahme", schreibt Ilma Rakusa in ihrem Nachwort. Die Geschichte der Flucht verwebt er kunstvoll mit Rückblenden aus der Kindheit Marias, wie die antisemitischen Übergriffe in der Schule und das Massaker von Novi Sad. "Psalm 44" ist sowohl thematisch als auch sprachlich ein wichtiger Baustein des zum 30. Todestag am 15. Oktober nun vollständig übersetzten Werks.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.01.2020

Rezensent Franz Haas freut sich über die deutsche Erstausgabe des Romandebüts von Danilo Kis in der "wendigen" Übertragung von Katharina Wolf-Griesshaber. Auch wenn der Roman ihm im Vergleich mit dem späteren Werk des Autors noch unausgegoren erscheint, begegnet Haas hier schon vieles, was Kis' Schreiben ausmachen wird: komplexes Erzählen, wechselnde Perspektiven und Zeitebenen, Rückblenden und Gedankensprünge. Auch das Thema Lagerhaft taucht auf, erläutert Haas. Die Flucht zweier Frauen aus einem KZ erzählt ihm der Autor mit Sinn für das bange Warten auf den richtigen Moment und unter Einbezug quälender Erinnerungen an das Lagerleben. Hellsichtig erscheint Haas, wie Kis 1960 im Epilog über den Umgang mit der KZ-Vergangenheit schreibt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 13.12.2019

Brigitte van Kann empfiehlt die Lektüre des titelgebenden Bibelpsalms vor der Lektüre des zweiten Romans von Danilo Kis. Wie der Autor Not, Elend, Flucht und Rettung und die Auseinandersetzung mit Gott, Glaube und Hoffnung zum Kern seiner Erzählung macht, schonungslos, aus Perspektive einer jungen Mutter auf der Flucht aus Auschwitz, geht der Rezensentin nah. Die Spannung der Stunden vor dem Ausbruch, die Kis mit blitzartig auftauchenden Erinnerungen an den Antisemitismus in Jugoslawien und das Massaker von Novi Sad füllt, überträgt sich auf die Rezensentin. Der biblische Bezug gibt dem Text Tiefe und eröffnet dem Leser ein reiches Motivgeflecht, erklärt van Kann.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 26.10.2019

Beeindruckt, wenn auch nicht ohne Einschränkungen berichtet Rezensent Carsten Hueck über diesen Romanerstling des nachmals so berühmten Danilo Kis. 25 Jahre alt war der Autor, als er diesen Roamen schrieb, nun ist er erstmals und dankenswerter Weise übersetzt. Die Auschwitz-Geschichte sei nicht frei von Pathos, führt Hueck aus, und auch historische Ungenauigkeiten macht er in dem 1960 verfassten Buch aus. Aufgewogen wird dies laut Hueck durch "schriftstellerische Furchtlosigkeit" und mehr noch durch ein moralisches Empfinden, das sich gerade auch auf die Sprache und die Schilderung der Gewalt erstrecke: Diese sei zwar drastisch, aber nicht spekulativ. Und selbst die drastische Gewalt ist ihm lieber als das seicht-naive Erzählen, mit dem sich die Nachgeborenen heute des Holocausts bedienen. Hueck empfiehlt das frühe Werk eindringlich zur Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2019

"Du gibst uns preis wie Schlachtvieh und unter die Völker hast du uns zerstreut" - so lautet der 44. Psalm der Korachsöhne im Alten Testament, dem dieser frühe Roman von Danilo Kis seinen Titel verdankt, weiß Rezensent Ulrich Rüdenauer. Er erzählt die Geschichte der jungen Jüdin Maria, die im Konzentrationslager eine Liebesaffäre mit einem jüdischen Arzt beginnt, schwanger wird und von einem Kapo unversehens gerettet wird. Der Autor, dessen jüdischer Vater in Auschwitz ermordet wurde und der zeitlebens in seinen Romanen den Holocaust thematisiert hat, beschreibt das Grauen hier so explizit wie in keinem anderen seiner Bücher, warnt der Kritiker. Er hat gemerkt, dass Kis noch nicht seine volle Reife als Schriftsteller erreicht hatte, als er das Buch schrieb. Rüdenauer hält den Roman dennoch für äußerst lesenswert, vor allem, da in ihm Figuren auftauchen, die er bereits aus dem Gesamtwerk des Autors kannte. Auch ist er ein hervorragendes Beispiel für die "stilistische Radikalität" Danilo Kis', versichert der beeindruckte Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2019

Rezensentin Marica Bodrožić liest den frühen Roman von Danilo Kiš aus dem Jahr 1962 mit Bewunderung für die "ungeschützte" Behandlung der Schoa durch den Autor, der selbst Sohn eines in Auschwitz ermordeten Juden war. Dass der Text nun in der "musikalischen" und "genauen" Übersetzung von Katharina Wolf-Grieshaber auf Deutsch vorliegt, findet sie wichtig. Als Erzählung über das Leid der Juden und als "Rückkehrer-Mythos" scheint der Rezensentin das Buch gleichermaßen aktuell.
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