Zeruya Shalev

Späte Familie

Roman
Cover: Späte Familie
Berlin Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783827004741
Gebunden, 352 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Das Scheitern einer Ehe ist oftmals eine langsame, eine schleichende Angelegenheit. In Zeruya Shalevs neuem Roman, Späte Familie, beschließt eine Frau, diesem quälenden Prozess, der einer allmählichen Vergiftung gleicht, ein jähes Ende zu setzen. Von einem Tag auf den anderen beschließt sie, sich von ihrem Mann zu trennen, und bittet ihn, die Wohnung zu verlassen. Sie bleibt zurück mit ihrem gemeinsamen Kind ... und gerät übers Grübeln ins Zweifeln. Dies ist der Roman einer Krise. Einer Krise, die die Heldin - eine selbständige, selbstbewusste Frau - wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel trifft.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.05.2006

Nicht weniger als eine "Achterbahnfahrt" der Gefühle verspricht Rezensent Manuel Gogos dem Leser. Dabei lässt er offen, ob er sie genossen hat oder nicht. Aus der selbstquälerischen und "halluzinogenen" Perspektive der Heldin Ella bekomme man die Geschichte ihrer Trennung von ihrem ersten Mann erzählt, von den Martyrien des Alleinseins anschließend bis zur nahezu biblischen Erlösungssuche bei einem zweiten Mann. Als Archäologin, so der Rezensent, beschreibe Ella ihre erste Ehe im hohen Ton der "Zerstörung des Tempels", aber auch die zweite Beziehung erweise sich bald als unauflösbares Ehedrama. Wie die Wahrnehmung des Lesers an die leidenschaftlich leidende Heldin gekoppelt sei, so sei deren Wahrnehmung auf ihren Körper und seine Symptome fixiert. Dieser Reise in "innere Labyrinthe", attestiert der Rezensent, sei zwar nicht immer einfach zu folgen, belohnt und zwangsweise ergriffen werde man allerdings durch die erzählerische Hitzeentfaltung mitten im "Glutofen der menschlichen Seele".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.12.2005

Den Rezensenten Carsten Hueck bringt dieser Roman ins Schwärmen, weil die Autorin Zeruya Shalev auf völlig schlüssige Weise den Mythos der antiken Kykladeninsel Thera mit der Geschichte der zeitgenössischen Archäologin Ella verbindet. Obwohl deren Geschichte - die einer Ehescheidung und Neuorientierung - oberflächlich betrachtet recht gewöhnlich ist, bringt die Autorin nach Huecks Meinung doch große Themen darin unter. "Ursprüngliches kommt zum Vorschein, Menschheitsgeschichte und Geschlechterkampf, der lyrische Zauber des Hoheliedes, die gewaltigen Visionen der Propheten." Auch stilistisch funktioniert der dramatische Roman nach Meinung des Rezensenten: "Metaphernreich fließt die Sprache durch das Buch, glühend wie ein Lavastrom." Dieser Stil spiegelt in Huecks Augen das Temperament von Shalevs Protagonistin wieder. Und obgleich die Autorin von sich behauptet, keine politische Schriftstellerin zu sein, so sieht Hueck doch einen Subtext in ihren Büchern, der auf die israelisch-palästinensische Situation verweist, und sei es nur, weil auch dieser Roman zeigt, wie "wie grausam und verletzlich der Mensch" ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.12.2005

Trotz anfänglicher Befürchtungen, es könne sich bei dem opulenten Roman der israelischen Autorin um eine "starke Frauen-Geschichte" findet Burkhard Müller doch noch zu einem anziehenden Lektüre. Die Ich-Erzählerin Ella steht angesichts ihrer radikal gescheiterten Ehe vor einem Trümmerhaufen. Sie stürzt sich kopflos in neue Liebesabenteuer und kommt schließlich doch nicht darum herum, eine zweite Familienneugründung in neuer Kombinatorik in Angriff zu nehmen, einen alttestamentarischen Bund gegen die Unbeständigkeit der modernen Ehe. Das Buch "ahme kunstvoll die Ahnungslosigkeit des Lebens nach" ist wohl das schönste Kompliment des Rezensenten, der in den langen Sätzen der Autorin eine "gefühlte Gleichzeitigkeit" ausmacht. Auch die Übersetzung von Miriam Pressler findet er gelungen, die den Rhythmus der Autorin wiederzugeben verstehe. Burkhard Müller sieht in Shalevs "witzigem, gefühlvollem, gedankenreichem" Roman einen "den großen Glücksfall eines Buchs dar, in dem der Graben zwischen hoher und eingängiger Literatur, Kunstwerk und Schmöker, eingeebnet" sei.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.11.2005

Eva Menasse warnt jeden potenziellen Leser davor, Zeruya Shalevs Roman zu schnell wegzulegen. Sie kann durchaus verstehen, dass man den typischen Shalev-Stil, der geprägt ist von "Hauptsatzschlangen" und einer Protagonistin, die unverblümt alles sagt, was ihr durch den Kopf geht, zunächst etwas aufreibend findet. Doch hinter Ellas "Redeströmen", mit denen sie die Trennung von ihrem Mann und die Auflösung ihrer kleinen Familie beschreibt, entdeckt die Rezensentin ein "archaisches" Drama in zeitgemäßem Gewand. Wie das Geröll beim Goldwaschen habe der andauernde Monolog von Ella dabei die "technische" Funktion, nach langem Sieben ein paar "Goldstäubchen Erkenntnis" freizulegen. Abgesehen davon gehöre die Schilderung von Ellas zweiter, der "späten Familie", zum "Eindrucksvollsten, Gnadenlosesten und Schmerzhaftesten" der aktuellen Literatur.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2005

Sehr gut gefällt Rezensentin Marion Lühe Zeruya Shalevs Roman "Späte Familie". Die israelischen Autorin erzählt darin die Geschichte vom Ende einer Ehe und dem Beginn einer neuen Liebe: Nach zehn Jahren Ehe trennt sich Ella Miller eines Tages von ihrem Mann, mit dem sie nur noch das gemeinsame Kind verbindet, doch statt Erleichterung spürt sie große Verunsicherung, bis sie eine neue Beziehung mit einem Psychiater eingeht, mit dem sie von einer neuen, "späten" Familie träumt. Angetan hat es Lühe vor allem die Erzählweise des Romans, die sie als "rasant", als "atemlos, wie unter Adrenalin" beschreibt. Zudem gelinge Autorin es, "einen Sog und eine Spannung zu erzeugen, die den Roman bis zur letzten Seite trägt ". Zum Bedauern der Rezensentin wird das Lesevergnügen allerdings bisweilen durch den nicht ganz "kitschresistenten" Schreibstil der Autorin gemindert.
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