Wladimir Sorokin

Der Schneesturm

Roman
Cover: Der Schneesturm
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2012
ISBN 9783462044591
Gebunden, 206 Seiten, 17,99 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Andreas Tretner. Was beginnt wie eine Erzählung aus dem 19. Jahrhundert, entpuppt sich als fantastische Irrfahrt durch das ländliche Russland einer nahen Zukunft: Garin, ein Landarzt, will so schnell wie möglich in den Ort Dolgoje, um die Menschen dort gegen eine rätselhafte Krankheit zu impfen, die jeden Infizierten zum Zombie macht. Doch es herrscht Schneesturm, Garins Pferde sind erschöpft, also heuert er den einfältigen Brotkutscher Kosma an, dessen Schneemobil von fünfzig winzigen Pferden gezogen wird. Und damit beginnen die Merkwürdigkeiten erst: Auf seiner Reise durch das unablässige Schneetreiben begegnet das ungleiche Paar Zwergen und Riesen, es gibt ein Radio mit "lebendigen" Bildern, eine Paste, die Filz "wachsen" lässt, eine Wunderdroge und vieles mehr - eine Märchenwelt mit Ingredienzien einer Hochtechnologie-Gesellschaft.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.12.2012

Ulrich M. Schmid lässt sich von diesem erstklassigen Erben russischer Großschriftsteller die Augen polieren. Was er dann sieht, gleicht einer tollen Sause durch die gesamte russische Literaturgeschichte, stilistisch, handlungsmäßig. Dass Vladimir Sorokins neuer Roman mehr ist, als ein raffiniertes Spiel mit Zitaten (Puschkin, Tschechow, Gogol usw.), merkt Schmid allerdings rasch. Nicht umsonst, meint er, hat Sorokin selbst inzwischen nahezu Klassikerstatus erlangt. Sorokins Rolle hier ist geradezu schnee- und bilderstürmerisch. Indem er dem Rezensenten die Orientierung durch die Tradition nimmt, mit Syntax und Satzzeichen wildert, zeigt er diesem zugleich (s)einen neuen Stil. Vermessen? Sorokin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.11.2012

Der raue Zertrümmer der klassischen Literatur gibt sich hier eher weich, erklärt Rezensent Mathias Schnitzler, dem diese Seite Vladimir Sorokins auch sehr gut gefällt. Kafka, Puschkin und Tolstoi werden zitiert und dies mit einer gewissen "Zärtlichkeit", notiert der Rezensent. Sorokin erzählt von einem Arzt, der von seinem Fahrer Krächz durch den Schnee zu einem Dorf kutschiert werden soll, in dem eine Seuche ausgebrochen ist. Doch immer wieder wird die Fahrt behindert, erzählt der Rezensent. Durch den Schnee, aber auch durch allerlei seltsame Gestalten, die irgendwann zu verraten scheinen, dass die Geschichte in der Zukunft spielt. Sex, Ironie und uniformierte Chinesen gibt es auch, "zu klassisch" wird es also nicht, versichert Schnitzler.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.08.2012

Vladimir Sorokin war einmal der aufmüpfige Sohn der russischen Erzähltradition, nun ist er ihr sanft-ironischer Enkel, meint Rezensent Hans-Peter Kunisch, der diese Generationenfolge innerhalb einer einzigen Person wärmstens begrüßt. Denn versteckt und abgedämpft machen ihm Sorokins Verrücktheiten noch viel mehr Spaß. Seltsam, wie da in einem Setting des 19. Jahrhunderts - ein Landarzt soll mit einem Kutscher Pestmedikamente in einen viele Werst entfernten Nachbarort bringen und bleibt im Schneesturm stecken - eine Reflexion der Gegenwart verborgen ist: Dass am Ende die Chinesen übernehmen, kann doch nur als Kommentar auf Russlands gegenwärtige Schwächung verstanden werden. Aber wie die Russen so sind. Am Ende vertragen sich alle - "und lachen sich rund im Rausch". Der Rezensent inklusive.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.2012

Rezensentin Kerstin Holm freut sich, dass Vladimir Sorokins "retrofuturistisches" Märchen "Schneesturm" nun auch auf Deutsch erschienen ist. Die Kritikerin begibt sich mit Sorokins Helden, einem russischen Landarzt, auf eine "postapokalyptische" Reise in ein abgelegenes Dorf, in dem der Arzt mit einem Serum gegen einen Virus kämpfen will, der die dort lebenden Menschen zu aggressiven Monstern mit Maulwurfsklauen verwandelt. Auf seinem Weg durch den verschneiten, einsamen und verzauberten Wald begegnen Sorokins Protagonist nicht nur Zwerge und Drogenhändler, sondern er durchlebt neben einer stürmischen Liebesnacht auch "masochistische Drogenvisionen", berichtet die Rezensentin. Fasziniert hat die Kritikerin diese im Erzählton des neunzehnten Jahrhunderts verfasste und an Tschechow erinnernde Erzählung gelesen, die sie als in die Zukunft versetzte "Hommage an die Klassik" lobt.
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