Thomas Weber

Hitlers erster Krieg

Der Gefreite Hitler im Weltkrieg - Mythos und Wahrheit
Cover: Hitlers erster Krieg
Propyläen Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783549074053
Gebunden, 586 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Stephan Gebauer. So unterschiedlich Hitlers Biografen sein Leben deuten in einem sind sich alle einig: Die Fronterlebnisse im Ersten Weltkrieg waren entscheidend für seinen späteren Aufstieg. Hitler selbst hatte sich zum tapferen Frontsoldaten stilisiert, dessen Freiwilligen-Regiment, eine verschworene Kampfgemeinschaft, den Keim der späteren NS-Bewegung bildete. Diese Darstellung wurde von der NS-Propaganda verbreitet und von späteren Biografen (u.a. Fest und Kershaw) weitgehend übernommen. In seinem Buch zerstört der Historiker Thomas Weber diesen Mythos.
Anhand nie ausgewerteter Akten des sogenannten List-Regiments, in dem Hitler diente, zeichnet Weber ein ganz anderes Bild: Hitler war keineswegs der mutige Soldat an vorderster Front, sondern als Meldegänger meist weit hinter den Frontlinien tätig. Das Regiment war keine homogene Einheit, sondern bestand aus Rekruten unterschiedlichster Anschauungen. Kaum einer trat nach dem Krieg der NSDAP bei, viele standen dem späteren NS-Regime kritisch gegenüber. Doch die Nationalsozialisten unterdrückten alle Berichte, die ihrem Propagandabild widersprachen. Regimentskameraden, die sich kritisch über Hitler äußerten, landeten in Gestapohaft. Nicht zuletzt kann Weber zeigen, dass Hitler ebenso orientierungslos aus dem Krieg herauskam, wie er hineingegangen war. Erst infolge der revolutionären Unruhen 1918/19 haben sich seine späteren politischen Ansichten geschärft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.05.2011

Mit einigen Abstrichen lobt Christoph Cornelissen Thomas Webers Buch über Hitlers frühen Werdegang als eine spannend zu lesende Kollektivbiografie zur politischen Kultur in der Weimarer Republik, die auch Einsichten in das soldatische Leben erlaubt. Deutlich erkennt der Rezensent Webers Anknüpfung an die Arbeiten von Brigitte Hamann und Ian Kershaw, aber auch seine Absetzung, etwa indem der Autor Hitlers Radikalisierung von seiner Fronterfahrung im Ersten Weltkrieg auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Webers Behandlung der Quellen und des Bildmaterials findet Cornelissen vorbildlich. Überzeugt haben ihn auch Webers Ausführungen zu Hitlers Selbstinszenierung. Neues Material für die Forschung, meint er, schränkt aber ein, dass Weber seine Thesen mitunter überzeichnet beziehungsweise den Forschungsstand nicht richtig widergibt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2011

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Gerd Krumeich von Thomas Webers Werk über Hitler als Gefreiter im Ersten Weltkrieg. Er würdigt es als bedeutenden Beitrag zur Geschichte des Mythos vom tapferen Frontsoldaten Hitler. Diesen Mythos unterzieht der Historiker in seinen Augen einer akribischen Prüfung, deren Ergebnis in zugespitzen Thesen vorgetragen wird, die das Bild des hoch dekorierten Weltkriegssoldaten in Frage stellen. Höchste Anerkennung zollt Krumreich den umfangreichen, minutiösen Recherchen des Autors, der eine Fülle von neuen Quellen zur Geschichte Hitlers im Ersten Weltkrieg und insbesondere zur Geschichte des List-Regiments aufgetan hat. Überzeugend zeigt Weber seines Erachtens, dass Hitler keineswegs der Frontsoldat "par excellence" war und dass die in den zwanziger Jahren einsetzende Mystifizierung Hitlers durch Anhänger wie Gegner mit zahlreichen Fabulierungen durchsetzt war. Dass Weber Hitlers Verwundungen im Ersten Weltkrieg verniedlicht, überzeugt den Rezensenten allerdings weniger. Nichtsdestoweniger fällt sein Urteil insgesamt sehr positiv aus.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.03.2011

Rezensent Volker Ullrich zieht eine gemischte Bilanz seiner Lektüre. Als Überraschung begrüßt er, dass Weber eine bisher kaum beachtete, höchst aussagekräftige Quelle für Hitlers Biografie gefunden hat, die Akten des 16. bayerischen Infanterie-Reserve-Regiments, des sogenannten List-Regiments, in dem Hitler während des Ersten Weltkriegs diente. Aus diesen Akten rekonstruiert Weber laut Ullrich die Geschichten einiger von Hitlers Kameraden - mit erhellenden und differenzierenden Ergebnissen. Die Konsequenzen, die Weber aus seinen Recherchen zieht, mag Ullrich aber gar nicht teilen: Georg F. Kennans Prägung vom Ersten Weltkrieg als "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" sieht Ullrich anders als Weber durch dessen Forschungen keineswegs widerlegt - auch nicht für Hitler persönlich, der sich, wie Ullrich zeigt, schließlich immer wieder auf den Ersten Weltkrieg bezog. Übrigens gelingt es Weber für Ullrich auch nicht, Hitler als "Etappenschwein" zu entlarven, der als Meldegänger kaum Risiken ausgesetzt gewesen sei. Schließlich ist Hitler zweimal verwundet worden und hat - eine Seltenheit für einen Gefreiten - ein Eisernes Kreuz bekommen. Mehr als die "steilen Thesen" interessiert Ullrich an dem Buch eindeutig das neue Quellenmaterial.