Thomas Lang

Bodenlos

oder: Ein gelbes Mädchen läuft rückwärts. Roman
Cover: Bodenlos
C.H. Beck Verlag, München 2010
ISBN 9783406590702
Gebunden, 463 Seiten, 21,95 EUR

Klappentext

Eine kleine Stadt in den Achtzigerjahren, Schüler in einer Stimmung zwischen Angst und Erwartung, Angst vor Atomraketen, gegen die sie auf große Friedensdemos ziehen, und Erwartung, was ihre Zukunft, die Liebe, den Aufbruch ins Leben anbelangt. Der achtzehnjährige Jan, die Hauptfigur in Thomas Langs Roman, bewundert seine ältere Schwester An, die sich zur Fotografin ausbilden lässt, und liebt seine exotische Mitschülerin Kiku, der er Briefe schreibt und vor deren Nähe er doch zurückschreckt. Er schreibt und entdeckt die Literatur, aufgeregt, glücklich, geht in die Disco und auf Schülerpartys, redet und streitet, träumt und begehrt, schlägt sich mit seinem Freund Torsten, um sich zu spüren, und lebt doch in einer Art Blase, als müsste er erst noch zur Welt kommen. Da passiert ein Unglück, das sein Leben für immer verändern wird, und Jan vollends aus der Bahn zu werfen droht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.08.2010

Einen zwiespältigen Eindruck hat Thomas Langs Roman über eine Jugend in der Provinz in den achtziger Jahren bei Rezensent Rainer Moritz hinterlassen. Was dem Autor in seinen Augen gelingt, ist, die Mischung aus Langeweile und Rebellion, die das Leben des Protagonisten Jan Bodenlos und seiner Freunde prägt, einzufangen und ein Lebensgefühl aus Weltekel und pazifistisch-ökologischer Einstellung zu transportieren. Geradezu brillant findet Moritz die differenzierten Beschreibungen der ambivalenten Gefühlslagen der Protagonisten. Aus vielen kleinen Einzelszenen - Jans Job in einem Elektrogeschäft, der lähmende Schulaltag, erster Sex im Zelt, Nachtwachen bei der Bundeswehr - entsteht für ihn das "beklemmend wirkende Porträt" einer Jugend in den achtziger Jahren. Allerdings hat ihn das Werk kompositorisch nicht wirklich überzeugt. Das Buch ist ihm schlicht zu lang, oft auch zu "langatmig", zu wenig prägnant und zu überladen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.06.2010

Leicht zu lesen findet Rezensent Oliver Jungen den neuen Roman von Thomas Lang. Schwer zu verdauen ist das Buch für ihn hingegen, da es den Grat zwischen Pubertät und Erwachsensein diesmal am Beispiel einer Achtzigerjahre-Jugend nahe Köln abschreitet und dabei konkrete Mentalitätsgeschichte schreibt, wie Jungen erkennt. Konkret, das heißt für Jungen in diesem Fall auch schmerzhaft. Ausweglosigkeit, Verweigerung, Selbstquälerei, Endzeitstimmung, Todessehnsucht spürt er allenthalben in der von Lang entworfenen, unnostalgischen Kulisse aus Eternit und Kunstschiefer. Alltagsnah und treffend (bis ins Idiom) findet Jungen den Teenager Jan dargestellt. Ambitioniert, aber nicht überdreht erscheint ihm die Form aus Rückblenden, "ziellosen Erzählschleifen" und Tagebucheinträgen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.03.2010

Dem Rätsel der 80er Jahre kommt Hans-Peter Kunisch mit dieser Lektüre etwas näher. Allerdings führen ihn die zeittypischen Details in Thomas Langs Roman eher in den Mief der Provinz, in ein verkrampftes Land, nicht in das verlorene Paradies, in dem die Mieten konstant blieben und die Stadtreinigung sogar im Winter funktionierte. Der noch unerlöste 17-jährige Held bewegt sich in der "puren Hölle", vieles, was Kunisch liest, ist "zu kitschig, um erfunden zu wirken". Die Vorwendezeit mit ihren Restbeständen der 68er sowie die inneren Spannungen einer späten Pubertät zeichnet Lang jedoch laut Kunisch immer wieder auch überzeugend. Bleibt dem Rezensenten noch, kritisch anzumerken, dass das Eindampfen der Distanz zu seinem Helden den Autor (und vor allem den Leser) manchmal in Gefahr bringt, im Herz der Langeweile zu versauern.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.02.2010

So nah dran, an der Spätpubertät, an den frühen 80ern, war noch keiner, meint Christoph Schröder anerkennend. Und ganz ohne die üblichen Insignien (Atari, Zauberwürfel etc.). Thomas Langs anstrengendes Texttuning, rasche Tonwechsel, Rückwärtsläufe, nimmt Schröder da einfach mal in Kauf. Und folgt dem Autor und seinem sich selbst an Geist und Herz erziehenden Helden aus der westdeutschen Provinz bei dem ambitionierten Versuch "mit vollem Risiko" eine Epoche in Literatur zu übersetzen. Die entsprechenden, von Pathos und Peinlichkeit nicht unberührten Redewendungen und Denkstrukturen weiß Lang derart gekonnt wiederzugeben, dass der Rezensent schon um die Distanz des Autors zu seinem Text fürchtet. Grundlos. Denn gerade in der ungebrochenen Auslieferung an die Gefahr zeigt sich für ihn Langs Ironieverständnis.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.01.2010

Tendenziell klug und gut erzählt, insgesamt aber "überdüngt" mit Techniken und Codes aller Art ist Hubert Winkels diese Pubertätsgeschichte vorgekommen. Damit reiht sich das Buch aus Kritikersicht auch ganz gut ein in die Linie von Thomas Langs Vorgängerromanen, die alle ein wenig auch Karikaturen ihrer Ambitioniertheit sind, wie Winkels meint. Der vorliegende Fall erzählt, so hören wir, von einem Siebzehnjährigen mit Namen Jan Bodenlos, und zu diesem Zweck unternehme es Lang, den "Dichtegrad" seines Textes durch allerlei Einarbeitungen zu erhöhen: mit Figurenporträts, Milieustudien, Zeitgeistpanoramen oder Medientheorien, was dann zur bereits erwähnten Überdüngung führt. Der Roman sei da am besten, wo Lang ganz altmodisch einfach die Geschichte seines Protagonisten aufblättere. Dann kommt, schreibt Winkels anerkennend, sogar manchmal große Prosa heraus, verwandelt sich das Buch in ein Negativ der Welt: "schwarz-weiß und schwindend".
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