Steve Sem-Sandberg

Theres

Roman
Cover: Theres
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012
ISBN 9783608939590
Gebunden, 391 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Schwedischen von Gisela Kosubek. Ulrike Meinhof ist "Theres": eine heilige Mörderin, eine mystische Terroristin? Steve Sem-Sandberg begibt sich in seinem Roman auf die Suche nach der Geschichte einer Frau, die ganz Deutschland in Atem gehalten hat. Er entdeckt dabei einen vielschichtigen Menschen, der zwischen Mut, Hass und Verzweiflung schwebt. In Anlehnung an die heilige Teresa von Ávila soll RAF-Terroristin Gudrun Ensslin ihre Mittäterin Ulrike Meinhof auf den Namen "Theres" getauft haben. Steve Sem-Sandberg greift dies auf, um dem Menschen Ulrike Meinhof näherzukommen. Er stellt die Frau in den Mittelpunkt: die Flüchtlingstochter, die früh ihre Eltern verloren hat, die Mutter zweier Kinder, die engagierte Journalistin, die auf der Suche nach politischer Wahrheit und im Drang, etwas zu verändern, immer tiefer hineingerät in einen Strudel aus Terror und sinnloser Gewalt.
In einer Mischung aus dokumentarischem Roman und fiktionalem Psychogramm spürt Sem-Sandberg diese andere Ulrike Meinhof, die sich hinter Pamphleten und Flugblättern verbirgt, auf und erzählt eine Biografie voller Gegensätze.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2012

"Seltsam, aber sehr geglückt" ist dieser bereits 1996 erschienene, aber erst jetzt ins Deutsche übertragene Roman über das Leben von Ulrike Meinhof, freut sich Tim Caspar Boehme, der sichtbar darüber staunt, wie dieses insbesondere auch mit allerlei typografischen Besonderheiten aufwartende Buch trotz solch verfremdender Gestaltungsexperimente gut lesbar bleibt. Darin, sowie auch im collagierenden literarischen Verfahren abseits der Konventionen des historischen Romans komme die Zerrissenheit der Meinhof so nüchtern, wie prägnant zum Ausdruck, beobachtet der Rezensent. Ganz ohne theatralischen Effekt kreist das Buch damit auch um die Fragen, was ein Mensch sei und welches Verhältnis eine Biografie zum realen Lebenslauf aufbaue, wie Boehme schon eingangs feststellt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.09.2012

Stefan Aust hat das Bild Ulrike Meinhofs in der deutschen Öffentlichkeit geprägt wie kein anderer. Hier lässt er sich ein auf die Lektüre eines Romans über diese historische Figur, die man in ihrem unerbittlichen Wahn kaum als Romanfigur hätte erfinden können. An einer Stelle merkt Aust recht diskret an, dass sich Sem-Sandberg durchaus in seinen, Austs, Büchern bedient hat. Aber Aust nimmt das nicht übel, attestiert dem Roman an einer Stelle sogar einen "gewissen Erkenntniswert", lässt aber offen, welcher das sein soll. Denn im wesentlichen macht Aust in seiner Kritk sehr deutlich, dass der Roman sich fiktiv übertreibende Lizenzen erlaubt (darf er ja als Roman auch), dass er aber gerade dadurch an die Realität nicht heranreicht, die komplexer und böser ist als das, was ein Romancier sich ausdenken kann. Am Ende plädiert Aust doch als Journalist: für die Realität. Und für eine Frage, die Ulrike Meinhof einst selbst stellte: "Wie kommt die Dummheit in die Intelligenz?"

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2012

Bedauerlicherweise ist Steve Sem-Sandbergs bereits 1996 in Schweden veröffentlichter Roman "Theres" erst jetzt in Deutschland erschienen, klagt Rezensent Andreas Platthaus. Denn dieser Roman, der die Geschichte der von Gudrun Ensslin spöttisch "Theres" genannten Ulrike Meinhof erzählt, steht nun unweigerlich im Schatten von Sem-Sandbergs herausragendem Roman "Die Elenden von Lodz", meint der Kritiker: Er vermisst hier die Imaginationskraft und das Mitgefühl, das den Lodz-Roman auszeichnete - auch wenn er der Geschichte um die RAF-Terroristin zugesteht, dass der Autor hier keine "moralisch eindeutige Opferperspektive" bieten kann. Der Rezensent lobt zwar die (Stil-)Sicherheit, mit welcher der Autor dokumentarische Quellen und fiktive Erzählelemente verbindet, muss aber leider auch gestehen, dass ihm die Lektüre wie ein inzwischen überholtes "Prozessaktenstudium" erscheint.
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