Sheng Keyi

Die Gebärmutter

Roman
Cover: Die Gebärmutter
DuMont Verlag, Köln 2023
ISBN 9783832168056
Gebunden, 432 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen von Frank Meinshausen. 'Die Gebärmutter' erzählt das Schicksal von acht Frauen aus vier Generationen einer Familie, die während des 20. und 21. Jahrhunderts in einem Dorf in der Provinz Hunan aufwachsen. Großmutter Qi ist in der Qing-Dynastie groß geworden. Als Mädchen hat man ihr die Füße gebunden, nun kann sie sich nur trippelnd fortbewegen. Schon in jungen Jahren verliert sie ihren Ehemann und unterdrückt fortan all ihre eigenen Bedürfnisse. Ihre Tochter Wu Aixiang wird ebenfalls jung Witwe und kümmert sich allein um ihren Sohn und die fünf Töchter. Zu ihrem schweren Leben treten gesundheitliche Probleme, deren Quelle eine nach der Geburt ihrer letzten Tochter zwangsweise eingesetzte Spirale ist. Und auch das Leben von Wu Aixiangs Töchtern wird durch die Familienpolitik und die Frage der Fortpflanzung bestimmt. Als die Tochter des Sohnes von Wu Aixiang, die vierte Generation der Familie, ungeplant schwanger wird, diskutiert ein Familienrat, ob sie das Kind austragen soll. In 'Die Gebärmutter' erzählt Sheng Keyi  von Frauenschicksalen, unglücklichen Ehen und ungewollten Schwangerschaften - aber auch vom Kampf um weibliche Selbstbestimmung.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 30.09.2023

Sheng Keyi gilt als chinesischer Literatur-Star. In Deutschland allerdings ist sie noch immer ein Geheimtipp, was sich mit "Die Gebärmutter" jedoch ändern dürfte, prophezeit Rezensentin Hannah Lühmann. In diesem Buch verfolgt die regimekritische Autorin die Geschichten von sechs Geschwistern zu Zeiten der chinesischen Ein-Kind-Politik. Diesen Roman jedoch als exotische Erzählung über weit entfernte Zeiten und Orte zu lesen, wäre ein Fehler, warnt Lühmann. Die verschiedenen Formen der Zurichtung des menschlichen Körpers und insbesondere des weiblichen Körpers, die darin beschrieben werden, betreffen uns alle: Kriege, Kastrationen und Operationen, brutale Verhütungsmethoden und Abtreibungen. Keyi erzählt von diesen Eingriffen in den menschlichen Körper auf eine angenehm abwechslungsreiche Weise, findet die Rezensentin: Mal drastisch explizit, mal moralisierend, mal liebevoll und mitfühlend, manchmal fast kitschig. Interessant ist dabei, wie sie diese tonalen und stilistischen Wechsel taktet und so eine allgemeine Tendenz herausstellt: Meist sind es die Männer, die das Mitgefühl bekommen, während Frauen Grausamkeiten über sich ergehen lassen müssen, was als völlig normal wahrgenommen wird. Wen Beschreibungen wie die einer Hahnen-Kastration nicht abstoßen, dem sei dieses Buch unbedingt empfohlen, schließt die Rezensentin.