Robert Seethaler

Der letzte Satz

Roman
Cover: Der letzte Satz
Hanser Berlin, Berlin 2020
ISBN 9783446267886
Gebunden, 128 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

An Deck eines Schiffes auf dem Weg von New York nach Europa sitzt Gustav Mahler. Er ist berühmt, der größte Musiker der Welt, doch sein Körper schmerzt, hat immer schon geschmerzt. Während ihn der Schiffsjunge sanft, aber resolut umsorgt, denkt er zurück an die letzten Jahre, die Sommer in den Bergen, den Tod seiner Tochter Maria, die er manchmal noch zu sehen meint. An Anna, die andere Tochter, die gerade unten beim Frühstück sitzt, und an Alma, die Liebe seines Lebens, die ihn verrückt macht und die er längst verloren hat. Es ist seine letzte Reise. "Der letzte Satz" ist das Porträt eines Künstlers als müde gewordener Arbeiter, dem die Vergangenheit in Form glasklarer Momente der Schönheit und des Bedauerns entgegentritt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.09.2020

Für die Rezensentin Judith von Sternburg spielt Robert Seethaler mit seinem neuen Text unter seiner Liga. Dass der Autor in seinem Mahler-Buch weder die Musik behandelt noch Mahler mit der Psychoanalyse traktiert, findet die Rezensentin mindestens verblüffend. Immerhin nicht überladen, weder zu nah noch zu fern, scheint ihr der Text, der Mahler auf seiner letzten Reise 1911 von den USA zurück nach Europa begleitet und ihn im Deckchair über sein Leben sinnieren lässt, geprägt von Schlichtheit, undramatisch das Wissen über den Komponisten abhandelnd und vielleicht ein bisschen allzu brav und zurückgenommen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.08.2020

Rezensent Wolfgang Schneider präpariert Robert Seethalers Erzähltechnik gnadenlos heraus: Alles Bedeutende wegschneiden, bis nur noch Nebensächliches übrig ist. So verfährt der Autor laut Schneider mit Mahlers Genie, das er auf Migräne und Schlaflosigkeit reduziert (von Musik keine Rede!), so macht er's mit der Begegnung zwischen Mahler und Freud, die im Text zu nichts führt als zu wohlfeilen Ratschlägen über Zugluft. Übrig bleibt ein Mahler als Schmerzensmann, als "Figur der Fremdheit", gekonnt inszeniert, aber auch etwas plakativ, findet Schneider.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.08.2020

Rezensent Alexander Kosenina liest Robert Seethalers knappen Mahler-Roman gern ein zweites Mal, auch wenn er sich mehr Einsichten in Mahlers Schaffen gewünscht hätte. Dass der Text, dessen Handlung sich auf Mahlers Überfahrt 1911 von den USA nach Europa beschränkt, dergleichen ausspart, wird für Kosenina aufgewogen durch Seethalers gekonnt verdichtete existenzielle Selbstgespräche des mit sich und seinem Verhältnis zu Alma hadernden und episodisch auf sein Leben zurückblickenden Komponisten. Stark erscheint Kosenina manche Szene, so die mit Mahler und Rodin in Paris, etwas mehr Irritation und Überraschung hätten dem Buch aber nicht geschadet, findet er.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.08.2020

Die Reflexionen, die Robert Seethaler dem sterbenden Gustav Mahler hier angedeihen lässt, sollen den letzten Satz von Mahlers letzter inoffizieller Symphonie "Der Abschied" literarisch fassbar machen, erklärt Rezensent Felix Stephan. Ihm zufolge zeigen sie Mahler aber letztlich nur als "neobürgerlichen Gegenwartsmenschen", der in Erwartung des Todes seine mangelnde Work-Life-Balance bereut. Der Kritiker findet das nicht nur zu heutig gedacht: Dem "Inkommensurablen", das Adorno an Mahlers Kompositionen so schätzte, kommt der Autor so auch nicht bei, moniert Stephan.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 01.08.2020

Rezensent Elmar Krekeler kennt Robert Seethaler als Virtuosen der Lakonie und großen Beschreiber kleiner Lebensläufe. Wenn der Autor sich nun gewohnt knapp Gustav Mahlers annimmt, greift er allerdings daneben, findet Krekeler. Wer etwas über den Komponisten erfahren möchte, lese Jens Malte Fischers Biografie oder höre die Neunte, so der Rezensent. Bei Seethaler, der Mahler sein Leben rekapitulieren lässt, bekommt der Leser vor allem "uninspirierte" Dialoge, Musikalisches im "Liebhaberton" und eine "überinstrumentierte" Natur, meint Krekeler. Taugt als dichtes Biopic, erklärt er verknirscht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.07.2020

Rezensent Ijoma Mangold nimmt Robert Seethalers Poetologie auseinander. Wie der Autor in seinem knappen Text um Gustav Mahlers letzte Reise von Amerika nach Europa im Jahr 1910 mit allen Mitteln versucht, dem Kitsch zu entgehen, belustigt Mangold geradezu. Dem Text aber tut das nicht gut, meint er. Zum einen, weil Seethaler in seiner Skrupulosität durchaus in weniger offensichtliche Kitsch-Fallen tritt, zum anderen, da der Autor aus oben genanntem Grund Mahlers Musik einfach komplett außen vor lässt. Das Bedeutungsschwangere, Sehnsucht, Liebe, Einsamkeit etc., lugt laut Mangold beständig hinter dem Geschehen hervor, wird aber unterdrückt. Wenn der Text gegen Ende doch noch "Fahrt aufnimmt", ist der Roman auch schon zu Ende, bedauert Mangold.