Ramiro Pinilla

Der Feigenbaum

Roman
Cover: Der Feigenbaum
Taschen Verlag, München 2008
ISBN 9783423246606
Kartoniert, 319 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

1937, ein Jahr nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs. Francos Truppen haben das Baskenland erobert und machen wie überall mit den Anhängern der Republik kurzen Prozess. Mitten in der Nacht reißt das Säuberungskommando die Familie aus dem Schlaf. Als der Falangist Rogelio Ceron dem Lehrer und dem Erstgeborenen die Hände auf den Rücken bindet, bleiben seine Augen an dem Jüngsten hängen. Unverwandt starrt Gabino ihn an, sein Blick ist kalt und undurchdringlich. Eine unsägliche Wut steigt in Rogelio auf - doch er kann den 10-jährigen nicht mitnehmen, der faschistische Ehrenkodex verbietet es ihm, ein Kind zu töten.Der Falangist hat in diesem Bruderkrieg schon viele erschossen, Gabinos Blick lässt ihn dennoch nicht mehr los. Er spürt ihn, als sie den Lehrer und seinen ältesten Sohn in den Flussauen liquidieren, er spürt ihn auch noch in der nächsten Nacht, als sie den Richter exekutieren: Rogelio kann den Blick aus diesen Kinderaugen einfach nicht abschütteln. Und so treibt es ihn noch einmal zu dem Ort, wo sie Vater und Sohn erschossen haben. Jemand hat den beiden ein Grab geschaufelt und darauf einen Schössling gepflanzt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.08.2009

Kersten Knipp preist den Roman von Ramiro Pinilla als eine "raffinierte" politisch-psychologische Untersuchung von Schuld und Buße im franquistischen Spanien. Der fanatische Falangist Rogelio Ceron exekutiert einen Lehrer und dessen Sohn und wird dabei vom achtjährigen zweiten Sohn beobachtet. Dieser Blick verfolgt Rogelio, und er wird zum eremitischen Bewacher des Feigenbaum, der auf dem Grab seiner beiden Opfer wächst, fasst der  Rezensent zusammen. Ins Satirische wird die bedrückende Geschichte gewendet, wenn in der Folge die Hütte des Mörders, die er sich neben dem Grab errichtet hat, um sich ganz der Pflege des Feigenbaums widmen zu können, zum Wallfahrtsort entwickelt, stellt Knipp fest. Er zeigt sich von Pinillas Roman über die individuelle und kollektive Bewältigung von Schuld und die Frage nach der Möglichkeit von Buße sehr beeindruckt, und es imponiert ihm, dass der baskische Autor mit seinem Buch so unerschrocken eine Zeit in den Blick nimmt, die in Spanien gern verdrängt wurde. Und dass dabei dann auch noch "beachtliche Literatur" herauskommt, begeistert den Rezensenten umso mehr.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2008

Albrecht Buschmann ist von Ramiro Pinillas Roman "Der Feigenbaum" zutiefst beeindruckt. Der 1923 geborene spanische Autor erzähle aus der Perspektive eines überzeugten Falangisten, der nach der Erschießung zweier Männer durch den 10-jährigen Sohn zu einer inneren Umkehr gebracht wird. Fortan bewacht er als Sühne für sein Verbrechen den Feigenbaum, den der Sohn auf das Grab gepflanzt hat, fasst der Rezensent zusammen. Pinilla, der erst 2005 mit einer Romantrilogie wieder in das öffentliche Bewusstsein rückte, setzt hier den Opfern des spanischen Bürgerkriegs ein bewegendes Denkmal und erinnert zugleich auch an die Täter von damals, so der Rezensent gefesselt. Dass der Autor trotz des durchaus vorhandenen Pathos geschickt den Kitsch vermeidet und sprachmächtig wiewohl "unbeirrbar ruhig" erzählt, macht diesen Roman für Buschmann so faszinierend und herausragend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.09.2008

Merten Worthmann hält Ramiro Pinillas Bürgerkriegsroman "Der Feigenbaum" für eine gelungene Komposition, in der eine mit "meditativer Unbeirrbarkeit" erzählte unscheinbare Episode zu einem Stück spanischer Vergangenheitsbewältigung wird. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht des fanatischen 21-Jährigen Rogelio, der etwas naiv dem faschistischen Nationalismus der Falangisten in Spanien folgt und im Gefolge wahllos republikanische Gegner ermordet. Bei der Exekution eines Lehrers und seines Sohns wird Rogelio mit dem 10-jährigen Bruder des Opfers konfroniert. Ab hier befindet er sich in einer Schuld-Spirale und reflektiert die eigenen Grausamkeiten. Er entschließt sich, in eremitischer Einsamkeit jeden Tag das Grab zu bewachen, wo ein Feigenbaum zu einem Mahnmal heranwächst. Worthmann findet die Stimme des Jungen anfangs befremdlich, später aber reflektiert und einprägsamer dargestellt. Besonders war der Rezensent beeindruckt von der Spannung, der psychologischen Tiefe und von der Glaubwürdigkeit des Romans. Nicht gefallen hat ihm bloß, dass Pinilla den Roman mit einer weiteren Einrahmung in Form einer auf die Thematik hinweisenden Erzählstimme einer Lehrerin versehen hat.
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