Rainer Merkel

Das Jahr der Wunder

Roman
Cover: Das Jahr der Wunder
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783100484406
Gebunden, 284 Seiten, 19,89 EUR

Klappentext

Die undurchsichtigen Anforderungen des Berufslebens: Christian versucht sich in einer jungen, aufstrebenden Agentur. Er verzagt, er hofft, er beschließt, glücklich zu werden, und erlebt so den Traum der schönen neuen Arbeitswelt. Die Suche nach dem Glück in Zeiten der New Economy: Christian soll sich in einer Multimedia-Agentur Werbung für eine Bausparkasse einfallen lassen. Auf die Agentur ist er stolz, die Sparkasse ist ihm peinlich. Es ist sein erstes Projekt und er hat zwölf Monate Zeit. Er verzagt, er hofft und er beschließt, glücklich zu werden. Es wird ein Jahr der Wunder...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.02.2002

Angelika Overath beschreibt einfühlsam und detailliert die Geschichte des Protagonisten, der nach dem Scheitern seines Medizinstudiums in einer Werbeagentur landet. Ihre Kritik ist jedoch zwiespältig: So ist sie ist fasziniert von dem "flexiblen, extrem autoritären Zwangsgefüge", das der Autor hinter der sich frei und locker gebenden Agentur aufscheinen lässt, und findet diesen Debütroman "seltsam anrührend". Doch hätte sie gerne stärkere "inhaltliche Fäden" vorgefunden. Durch die eingeschränkte Erzählperspektive des Protagonisten bleibe für den Leser manches schwammig, weil er ganz von den subjektiven Wahrnehmungen des Helden abhängig sei, kritisiert die Rezensentin, die sich etwas mehr "härtere Recherche" gewünscht hätte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.12.2001

Hubert Winkels ist spürbar beeindruckt von Rainer Merkels neuem Roman, der sich in seinen Augen wohltuend von all den anderen Romanen unterscheidet, die sich mit der Welt der Kommunikations- und Werbeagenturen beschäftigen. Um diesen Unterschied deutlicher herauszuarbeiten, widmet er auch gut ein Drittel seiner Rezension der Beschreibung dessen, was die Romane von Beigbeder, Bret Easton Ellis oder Joachim Bessing ausmacht: nämlich ein hasserfülltes Abarbeiten am Zynismus der Branche bei Wahl derselben Mittel und "ein ideologischer gespeister Furor ... der sie schlicht versimpelt". Solch krude Gewalt kommt bei Rainer Merkel laut Winkels nicht vor. Statt dessen beschreibe er sorgfältig das Innenleben der Agentur, "minimale Ströme des Begehrens werden registriert", und er verfolge die sorgfältige Selbstbeobachtung seines Protagonisten. So stellen sich bei der Lektüre von "Jahr der Wunder" eine dem Rezensenten offensichtlich recht angenehme "Leere und Leichtigkeit" ein: "Man wird lesend an einer an einer wunderbar sanften Schleife entlanggefahren, einer Möbiusschleife, bei der Ober- und Unterseite identisch sind". Dass hier doch ungemütlich stimmende Realitäten geschildert werden, merkt der Rezensent erst am Ende seiner Lektüre, als er spürt, "wie hart der Tisch ist, auf dem man beim Lesen seine Ellbogen aufgestützt hat". Und so erscheint ihm die erzählerische Leistung des Autor als "eigentümliche Kunst".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2001

Verena Auffermann ist voll des Lobes für den Romanerstling des 36-Jährigen, in Berlin lebenden Rainer Merkel. Er habe von Kafka gelernt, und auch seine Studien der Psychologie und Kunstgeschichte wirken sich ihrer Meinung nach positiv auf sein Buch aus. Darin geht es um einen gescheiterten Medizinstudenten, der in einer Werbeargentur gelandet ist. Der Autor durchleuchte "in raffinierter Ruhe" die neuen Arbeitsverhältnisse und beobachtet die "Kreativen", die "wie in einem Hamsterrad" sitzen und "die Oberflächen für die konsumorientierte Welt" entwerfen. Das "Jahr der Wunder" ist für Auffermann "eine große, erschöpfende Expedition in das selbstreferentielle Innere eines aufgeblasenen Betriebs". Sie bewundert, dass nicht Zynismus und Ironie, sondern ausdauernde Genauigkeit und ein tiefer Humor dieses Buch prägen. Der Einblick in das Zentrum der neuen Wirklichkeit sei dadurch erheiternd und erschreckend zugleich.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2001

Gleich drei neue deutsche Gesellschafts- und Gegenwartsromane bespricht Dirk Knipphals im Aufmacher der taz-Literaturbeilage vom Herbst 2001: Thomas Hettches "Der Fall Arbogast", Norbert Niemanns "Schule der Gewalt" und Rainer Merkels "Das Jahr der Wunder". Und die Rede "der vorletzten Literaturdebatte" vom Aussterben der Erzähler sieht er mit diesen Büchern widerlegt. Die Herangehensweise dieser realitätsinteressierten Erzähler ist seiner Meinung nach keineswegs eine naive - vielmehr sind sie mit allen theoretischen Wassern gewaschen und bewegen sich auf "einem verdammt hohen selbstreflexiven Niveau". Um ein "auf gute Weise vertracktes" Buch handelt es sich nach dem Rezensenten Dirk Knipphals bei Rainer Merkels Roman. Der Ich-Erzähler wahre eine wohltuende Distanz zu den Geschehnissen. Schauplatz der Erzählung ist eine Multimediaagentur. Das Buch scheint naheliegende Klischees zu vermeiden: So ist es nach Knipphals "kein Pamphlet gegen die moderne Arbeitswelt" - auch "Kreative im kommunikativen Nahkampf" bleiben einem erspart. Vielmehr gelinge es dem Autor, die "Ambivalenz der Situation" in modernen Arbeitszusammenhängen einzufangen und von den Schwierigkeiten zu berichten, sich in einem solchen Szenario zurechtzufinden.
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