Peter Rüedi

Dürrenmatt oder Die Ahnung vom Ganzen

Biografie
Cover: Dürrenmatt oder Die Ahnung vom Ganzen
Diogenes Verlag, Zürich 2011
ISBN 9783257067972
Gebunden, 960 Seiten, 28,90 EUR

Klappentext

Mit 35 S/W-Fotos. Anders als bei vielen Schriftstellern, die sich selbst und ihr Leben in ihren Büchern zum Thema machen, kennen wir Friedrich Dürrenmatt nicht, wenn wir sein Werk kennen. Selbst aus seinen autobiografischen Werken "Stoffe" hat Dürrenmatt während des Schreibens alles Intime herausgefiltert. Fesselnd erzählt Peter Rüedi vom Leben des Weltautors, aber auch die Geschichte seiner Schriftstellerei, von den Anfängen bis zum Durchbruch 1956/58 mit der Komödie "Der Besuch der alten Dame" und dem Kriminalroman "Das Versprechen" - die entscheidenden Jahre, die Dürrenmatt als Autor formten. Er spürt außerdem den großen thematischen Zusammenhängen zwischen Leben und Werk vor dem Hintergrund eines halben Jahrhunderts nach.
Peter Rüedis Buch basiert auf vielen ausführlichen Gesprächen mit Friedrich Dürrenmatt, mit der Familie, mit Weggefährten, Freunden und einer erstmaligen umfassenden Auswertung des riesigen Nachlasses. Rüedi zeigt uns einen Menschen, der immer wieder am Ende seiner Kunst war und sich doch immer wieder neu erfand.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.01.2012

Beeindruckt ist Rezensent Helmut Böttiger nach Lektüre der 1000-Seiten-Biografie Friedrich Dürrenmatts. Biograf Peter Rüedi hat ihn vollends von der Aktualität des Schweizer Prosaautors und Dramatikers überzeugt. Man hat es hier keineswegs mit einer einfachen chronologischen Lebensbeschreibung zu tun, versichert der Rezensent. Stattdessen legt Rüedi sein Augenmerk auf die "Stoffe" insbesondere des Spätwerks Dürrenmatts, in denen er glaubhaft einen "Neuansatz" seines Schreibens verortet, wie Böttiger zustimmend erklärt. Gern hat sich der Rezensent auf die Exkurse in Dürrenmatt besonders fesselnde Themenkreise eingelassen, denn Rüedi beweise Kennerschaft und ein Händchen für atmosphärisch dichte Beschreibungen. Laut Biograf wandte sich Dürrenmatt zunächst der Malerei zu, um seiner "inneren Bilder" Herr zu werden. Er entschloss sich dann allerdings nach dem Abbruch eines Literaturwissenschaftsstudiums und der Philosophie vierundzwanzigjährig "kühn" für die völlig ungesicherte Existenz des Schriftstellers, erfahren wir. Für den Autor besteht die besondere Aktualität Dürrenmatts darin, dass er das "Scheitern" zum ästhetischen Prinzip erhebt und die "Kunst dort sucht, wo man sie nicht vermutet", nämlich in trivialen Formen, was auch Böttiger zu überzeugen scheint.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.12.2011

Peer Teuwsen hat sich aufgemacht ins Tessin, um mit Peter Ruedi über dessen Dürrenmatt-Biografie zu sprechen, die nun, nach 20 Jahren fortwährender Beschäftigung mit dem 1990 verstorbenen Schriftsteller, erscheint. Dem Rezensenten steht ganz klar vor Augen, wie eng sich der Biograf mit Dürrenmatt verbunden fühlt, ja, er erkennt hier gar zwei "Wahlverwandte". Ruedi beschreibt Leben und Werk des Schweizer Schriftstellers nicht chronologisch, sondern in Sprüngen, mit Vor- und Rückblenden, und lässt dabei einen radikalen, wiewohl unter den "eigenen Widersprüchen" leidenden Autor erkennen, stellt Teuwsen fest. Dabei hatte Ruedi mit erheblichen Widerständen zu kämpfen, denn nicht nur ist der Nachlass von Dürrenmatt schier unüberblickbar. Schließlich sieht der Rezensent im hohen "Anspruch" Ruedis, seinem Gegenstand gerecht zu werden, einen Grund, warum es zwei Jahrzehnte brauchte, um dieses Buch fertigzustellen. Das Ergebnis aber findet Teuwsen bis in den "erfrischend unmodernen" Stil hinein sehr adäquat, wie er lobt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2011

Rezensent Jochen Hieber vermutet, dass Friedrich Dürrenmatts Behauptung, er habe keine Biografie, seine Literatur "ziele von ihm weg", sicher keine geringe Belastung für das biografische Projekt Peter Rüedis gewesen sei. Umso bewundernswerter findet er die Leistung Rüedis, dass ihm mit dem fast tausendseitigen, reichhaltigen Werk "Dürrenmatt oder die Ahnung vom Ganzen" ein derart herausragendes Stück Prosa gelungen sei. Knapp zwanzig Jahre habe der Schweizer Publizist recherchiert und dabei nicht nur Dürrenmatts späte, unter dem Titel "Stoffe I - III" veröffentlichten autobiografischen Erlebnisse von ihrer literarischen Überhöhung befreit, sondern unter anderem auch seinen komplizierten Umgang mit dem Glauben, der Schweiz oder mit Misserfolgen beleuchtet. Als "allerschönstes" Kapitel des Buches gilt dem Kritiker jedoch das letzte, in welchem der Biograf Dürrenmatts Jahrzehnte währenden Alltag in Neuchatel schildere. Begeistert ist Hieber auch von dem zweihundertseitigen Anmerkungsapparat, in dem er viel Interessantes etwa über die Geschichte des Schweizer Films erfahren hat.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2011

Etwas fehlt, und das freut den Rezensenten ausnahmsweise. Denn möglicherweise beschert diese ausgezeichnete intellektuelle Dreiviertelbiografie über Friedrich Dürrenmatt dem Rezensenten und Fan Manfred Koch noch einen zweiten Teil, weitere 500 Seiten Dürrenmattia, wie Werk- und Motivbetrachtungen, Einsichten ins Alltagsleben mit Weinkeller, in Bühnenskandale sowie Brüche und dunkle Abgründe der Schriftstellerseele. Vorerst genügt es Koch ja vollauf, in diesem materialreichen Buch zu schmökern und Peter Ruedis beachtenswerten Schlüssel zum Werkverständnis auszuprobieren, der dieses Leben als Geschichte seiner "Stoffe" definiert.