Paul-Philipp Hanske, Benedikt Sarreiter

Ekstasen der Gegenwart

Über Entgrenzung, Subkulturen und Bewusstseinsindustrie
Cover: Ekstasen der Gegenwart
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783751803939
Gebunden, 351 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Bis heute muss der griechische Gott Dionysos herhalten, wenn von ihnen die Rede ist: Ekstasen sind wild, ihnen wohnt eine Energie inne, die fühlen kann, wer gerade entrückt ist, die aber nur allzu schwer in Worte zu fassen ist. Schamanen bewegen sich in Ekstase in unsichtbaren Welten, mittelalterliche Mystikerinnen vereinigten sich in ihr mit Gott, und der Rausch war und ist ein fester Bestandteil jeder Gesellschaft. Weil sie schwer kontrollierbar sind, sind Ekstasen bis heute verpönt - völlig verschwunden sind sie jedoch nie. Und kehren mit aller Macht zurück: Überraschenderweise begegnen wir ihnen heute nicht nur beim Rave oder bei schamanistischen Ritualen, sondern auch in Yogaklassen, Achtsamkeitsseminaren und Workshops, die die Leistungsfähigkeit im Job verbessern sollen. Und nicht zuletzt zeigt sich der neue Boom der Ekstatik in Krisenphänomenen wie einer martialischen Männlichkeit, in Massenbewegungen wie dem gewaltsamen Sturm aufs Kapitol in Washington oder den Protesten gegen die Coronamaßnahmen. Woher aber kommt diese neue Lust an der Ekstase? Es ist höchste Zeit, mit historischer Tiefenschärfe, kritischer Neugier, einem analytischen Blick auf die Gegenwart und kulturellem Respekt in medizinischen Labors, bei Hexen-Ritualen, Ayahuasca-Zeremonien und in der Clubkultur diesem menschlichen Grundbedürfnis nach Selbstüberschreitung nachzuspüren - um so eine Ethik für die Ekstasen der Gegenwart zu finden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.06.2023

Rezensent Andrian Kreye annonciert ein neues "Standardwerk" zur Geschichte der Ekstase mit diesem Buch der beiden Journalisten Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter. Leicht zu lesen ist das materialreiche Buch zwar nicht, warnt der Kritiker vor. Belohnt wird er allerdings nicht nur mit einem kenntnisreichen Streifzug vom griechischen Gott Dionysos bis zum Opioidrausch in den USA. Vielmehr erfährt er hier auch, dass die "Ekstasen der Gegenwart" durch Investoren wie Peter Thiel, die in synthetisch hergestellte Präparate investieren, zum neoliberalen Heilsversprechen geworden sind: Die versprochene Selbstoptimierung sehen die Autoren im Widerspruch zur "Ich-Auflösung der Ekstase", erklärt Kreye. Als Grundlagenwerk für Debatten über Sucht oder die Zukunft der Psychotherapie empfiehlt der Rezensent das Buch außerdem.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2023

Rezensent Helmut Mayer vertieft sich mit diesem Buch von Paul-Phillip Hanske und Benedikt Saarreiter in gegenwärtige und historische Facetten von Ekstase. Die Autoren zeichnen in ihrem Buch zunächst die Geschichte der Bewusstseinserweiterung nach, um sich dann ihren zeitgenössischen Tendenzen zu widmen: Der Begriff schließt hier vieles mit ein, meint der Kritiker, es geht sowohl um Psychedelika als auch um spirituelle Praktiken, wie Yoga oder Beten. Der gemeinsame Nenner findet sich im Empfinden einer alternativen Wirklichkeit, die als "substantieller" als die Realität empfunden wird, und der Erfahrung eines "absoluten Jetzt" im Zustand des Rausches, lesen wir. Die zentrale These der Autoren lautet, dass Ekstase-Phänomene, die historisch eher im gesellschaftlichen Abseits zu finden waren, nun in den "Mainstream" gerückt sind, erklärt Mayer. Werden diese das Ich transzendierenden Erfahrungen aber in den Dienst kapitalistischer Selbstverbesserungstechniken gestellt, laufen sie Gefahr ihren "ekstatischen Kern" zu verlieren. Der Kritiker findet diese nüchterne politische Betrachtung durchaus interessant und kompetent, er fragt sich lediglich, ob man den historischen Bogen nicht doch etwas kleiner hätte schlagen können.
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