Oksana Sabuschko

Feldstudien über ukrainischen Sex

Roman
Cover: Feldstudien über ukrainischen Sex
Droschl Verlag, Wien 2006
ISBN 9783854207016
Gebunden, 168 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ukrainischen von Daja. Noch einmal lässt die Erzählerin ihr Leben Revue passieren: die Schrecken ihrer Kindheit, das Aufwachsen unter Sowjet-Verhältnissen, vor allem aber die Liebesgeschichte mit ihrem ersten Mann, einem ukrainischen Maler und Bildhauer, zu dessen "Sexualopfer der nationalen Idee" sie wurde. Der innere Monolog, in dem die Geschichte erzählt wird, mutiert zu einem öffentlichen wissenschaftlichen Vortrag, in dem der ganze Frust und das Unglück mit den Männern und mit den ukrainischen Verhältnissen abgehandelt wird. Keine Frau hatte sich bisher, formal wie inhaltlich, öffentlich so radikal zu Fragen der Sexualpolitik, zum slawischen Machotum, zur Sklavenmentalität ihrer Heimat geäußert, sodass die Feldstudien über ukrainischen Sex sehr schnell zur Bibel des Feminismus avancierten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.07.2006

Ambitioniert und vielschichtig in der Form, ein wenig zu simpel in der inhaltlichen Selbstanalyse der Ich-Erzählerin, resümiert Rezensentin Katharina Granzin. Oberflächlich erzählt der Roman von einer Liebesbeziehung zu einem sadistischen älteren Mann, eigentlich aber, so die Rezensentin, gehe es Oksana Sabuschko um die körperlichen und seelischen Verletzungen der Erzählerin. In den wechselnden Erzählhaltungen von Ich zu Sie zu Du spiegele sich diese Schwäche auch formal. Die langen, "sprachmächtigen" Sätze aus verschiedenen Perspektiven würden immer wieder unterbrochen von philosophischen Abschweifungen, was die Lektüre anstrengend und lohnenswert zugleich mache. Hinter der Diagnose der Ich-Erzählerin dagegen vermutet die Rezensentin eine Art Ausweichen vor der Verantwortung sich selbst gegenüber. Wenn der Sadist dadurch gerechtfertigt werde, dass er seinerseits ein Opfer der Russen sei, während der Masochismus der Erzählerin als würdevolles Opfer für einen gehuldigten ukrainischen Patriotismus firmiere, dann, so die Rezensentin, sei sie trotz aller Ironie ein wenig "gereizt".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.03.2006

Erst am Schluss beantworte der Roman eine sich immer mehr aufdrängende Frage des Lesers, berichtet Rezensentin Kerstin Holm, warum die Ich-Erzählerin sich so lange und so ausgiebig von ihren Liebhabern quälen lasse. Aus patriotischer Liebe zu ukrainischen Männern, die "nach Strich und Faden durchgefickt" worden seien. An diesem Punkt der Erkenntnis, so die Rezensentin, habe sich die Heldin des Romans dank eines Amerika-Stipendiums von Vergangenheit, brutalem Freund und ihrem "weiblichen Masochismus" befreit. Für die Autorin Oksana Sabuschko wiederum, rechnet die Rezensentin auf, stelle der "erotische Passionsweg" ihrer Heldin das notwendige Erregungspotenzial bereit, um die ukrainische Sprache poetisch neu zu beleben. Zu diesem höheren Zweck habe die Autorin den "aufgewühlten Wortschwall" ihrer Prosa mit Fragmenten von Liebesgedichten durchsetzt. Ob dies gelungen ist, darüber hält sich die Rezensentin allerdings bedeckt. Dagegen unterscheidet sie eine westliche und eine östliche Seite bei Sabuschko. Westlich seien die "physiologischen Details" der masochistisch genossenen Sexualität, östlich das "christologisch anmutende Projekt zur erotischen Rettung des ukrainischen Mannes".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.03.2006

Der Rezensent Jörg Plath findet die Lektüre dieses ukrainischen Bestsellers, der gleichzeitig Abrechnung mit einem ehemaligen Liebhaber und Abrechnung mit Nationalmythen ist, zwar an einigen Stellen etwas mühsam. Er befürchtet "das Unbehagen des hiesigen Lesers, möglicherweise auch der hiesigen Leserin - Unbehagen an einem allzu eindimensionalen Macho-Mykola und an manchen der eingestreuten Gedichte". Doch trotzdem findet er die Lektüre lohnend. Die Autorin Oksana Sabuschko ist seiner Meinung nach zu Recht in ihrer Heimat zu einer Berühmtheit geworden, denn die Arbeit an dem Buch hat sicherlich einiges an Mut gekostet. Es lohnt sich nach Meinung des Rezensenten, es "als Aufbruchsdokument einer jungen, weiblichen Literatur und einer anderen Ukraine zu lesen". Plath empfindet das Buch als "eine eigenwillige Mischung aus Tradition und Postmoderne, Christentum und weiblicher Fleischeslust."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.03.2006

Ein "ziemlich wüstes Stück Literatur" sei das Buch der Ukrainerin Oksana Sabuschko, diagnostiziert die Rezensentin Sonja Zekri. Vor zehn Jahren habe es der Verfasserin in ihrer Heimat den Ruf einer ebenso feministischen wie politischen Skandalautorin eingebracht, ihr radikaler Stil habe Schule gemacht und zahlreiche Nachahmerinnen gefunden. Erzählt werde vordergründig die semiautobiografische Geschichte einer erniedrigenden und katastrophal scheiternden Liebe zwischen einer Schriftstellerin und einem Maler. Damit nicht genug beschreibe die Autorin obendrein die "Beziehungshölle als einen patriotischen Opfergang in der Folge einer jahrhundertealten Verkrüppelung der Geschlechter" die Unterdrückung, Sadismus und Masochismus hervorgebracht habe. Auf peinigende Weise verknüpfe sich das individuelle Schicksal mit dem historischen Ballast eines Landes, der als das unüberwindbar "metaphysisch Böse" zwischen den Menschen stehe und weder in der Kunst noch in der Liebe aufgehoben werden könne.
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