Monica Ali

Brick Lane

Roman
Cover: Brick Lane
Droemer Knaur Verlag, München 2004
ISBN 9783426196205
Gebunden, 544 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Anette Grube. Nazeen ist 19 Jahre alt, als sie ihr kleines Dorf in Bangladesch verlässt, um in London mit einem ihr unbekannten und wesentlich älteren Mann verheiratet zu werden. Ungebildet, aber klug, begreift sie sehr schnell, dass die Träume dieses Mannes von Wohlstand und sozialem Aufstieg nie Wirklichkeit sein werden. Ihre kleinen Träume dagegen werden wahr: Von ihren Töchtern lernt sie Englisch, sie findet Arbeit in einer Kleiderfabrik und in Razia eine beherzte Freundin. Den Traum der Männer von der Rückkehr in die Heimat teilt sie nicht. Als ihr Mann beschließt, nach Bangladesch zurückzugehen, und ihr Liebhaber Karim sie mehr und mehr auf das Idealbild einer muslimischen Frau festlegt, befreit sie sich von beiden und entscheidet sich, für ein Leben in England.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.10.2004

Die "Brick Lane" hat einen starken Eindruck bei Rezensentin Bernadette Conrad hinterlassen - als äußere Kulisse der "hellwachen Reglosigkeit" Nazneens, der Protagonistin, die sich eher in einer Art Trance als mit Willenskraft durchs Leben bewegt; und als Monica Alis "Sprachraum", der "verzweifelte Distanzen" zwischen Menschen beherbergt, zwischen den Eheleuten Nazneen und Chanu vor allem, der Politik und Geschichte in sich eindringen lässt, die sich "als eine zähe Schicht nicht wegzukratzender Wirklichkeit" auf die Leben der Figuren legen, der kein Happy End bietet, aber eine Frau zu ihrer Stimme finden lässt. Und das alles - die Distanzen, das Schweigen, die Reglosigkeit - beansprucht Platz, viel mehr als die essenziellen Wahrheiten, die Gewissheiten, die ungenannt bleiben. "Es scheint glaubwürdig wie selten", schreibt die Rezensentin, "dass der Raum von 544 Seiten beansprucht werden muss". Schade, dass sie ihn verlassen musste.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.03.2004

Für wen hat Monica Ali eigentlich dieses Buch geschrieben, fragt sich Harald Fricke. Wollte die Autorin nur ihre eigene Desorientierung literarisch bewältigen oder Interesse an einer fremden Kultur wecken, "die doch seit Jahrzehnten gleich um die Ecke existiert?" In der Londoner Brick Lane lebt Nazneen, die Tochter bengalischer Immigranten; sie wird mit einem behäbigen Moslem zwangsverheiratet und hat im Laufe des Romans ihre Konflikte zwischen den traditionellen und der modernen Lebensweisen auszutragen, berichtet Fricke. Sie ist einsam, frustriert, darf nicht klagen. Ihr erstes Kind stirbt, das zweite will so sein, wie ein "normaler Teenager". Diese "privaten Dramen" spielen vor dem Hintergrund der Ereignisse des 11. Septembers, die das Leben in dem Viertel radikalisieren. Doch das empfindet Fricke als aufgesetzt: damit "das Portrait einer Teilgesellschaft" auf "Augenhöhe zur Politberichterstattung" kommt. Auch sonst scheint das Buch unseren Rezensenten wenig überzeugt zu haben; seine Besprechung läuft schließlich auf den Hinweis hinaus, dass man Widersprüche in einer Großstadt eben aushalten müsse.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.03.2004

Dieser Roman hat in England erregte Debatten ausgelöst und die Autorin mit einem Schlag berühmt gemacht, weiß Susanne Mayer. Während Monica Ali, die in Bangladesch geboren und in England aufgewachsen ist, einerseits von der Literaturszene mit Preisen geehrt wurde, protestierten Immigrantenkreise gehen die "Beleidigung der Bangladescher", die sie in diesem Buch zu entdecken meinten. Die Rezensentin warnt eindringlich davor, Leben mit Literatur zu verwechseln und die Geschichte, in deren Mittelpunkt Nazneen steht, die aus ihrem Dorf in Bangladesh nach England an einen Landsmann verheiratet wird, als "Reportage" misszuverstehen. Denn auch Ali musste die Welt des Londoner Eastends erst "wie eine Fremde" auskundschaften, da sie selbst im Norden Englands unter privilegierten Verhältnissen aufgewachsen ist, betont die Rezensentin. Sie ist von der "Virtuosität der Gestaltung" und dem kunstvollen "Wechsel der Sprachebenen" sowie der "Dramaturgie der Figurenführung" ziemlich begeistert, auch wenn ihr mitunter die "burlesken Beschreibungen" einzelner Figuren etwas zu langatmig sind. Auch einige Wiederholungen findet die Rezensentin unnötig. Doch insgesamt findet sie diesen Roman, der ihr passagenweise wie eine "bittersüße Soap" aus Immigrantenkreisen vorkommt, sehr gelungen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2004

Für den Rezensenten Kai Martin Wiegandt scheint der "Bauplan" von "Brick Lane" geradewegs aus dem 19. Jahrhundert entsprungen, zumal er in erster Linie als ein "Entwicklungsroman" funktioniere, der den Werdegang und die "Emanzipation" der neunzehnjährigen Nanzeen nachzeichnet, die von ihren Eltern mit einem ihr fremden Mann verheiratet wird und zu ihm aus ihrem Heimatland Bangladesh nach London zieht. Doch es ist nicht so sehr die - sehr "langsam" und "konventionell" erzählte - Entwicklung der Heldin, die Wiegandt an diesem Roman "lohnenswert" findet, sondern der Blick auf Nanzeens Umfeld, die "Immigrantengemeinde", mit allen ihren "Spannungen". Hier lese sich der Roman wie eine "Sozialreportage", die sich angenehmerweise auf die Beobachtung beschränke und keine moralischen Wertungen vornehme.
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