Miranda July

Der erste fiese Typ

Roman
Cover: Der erste fiese Typ
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2015
ISBN 9783462047707
Gebunden, 336 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Stefanie Jacobs. Cheryl Glickman ist eine Mittvierzigerin mit System: Sie besitzt nur, was sie wirklich benötigt (z.B. einen Teller, eine Gabel, einen Löffel ...) und bündelt ihre Energien maximal (Wenn Sie schon ein Buch lesen müssen, dann tun Sie es doch gleich neben dem Bücherregal und halten den Finger in die Lücke, damit Sie es dann wieder zurückstellen können!). Cheryl arbeitet bei einer Firma, die Selbstverteidigung zu Fitnesszwecken lehrt, sie ist seit Jahren verliebt in den zwanzig Jahre älteren Philipp und überzeugt, dass sie beide eigentlich seit Jahrtausenden ein Paar sind (Höhlenmann und Höhlenfrau). Als die Tochter ihrer Chefs bei ihr einzieht, wird ihre Ordnungs-Obsession gnadenlos zerstört: Clee, 20 Jahre alt, ist ein Messie und hat keinerlei Manieren. Doch sie zeigt Cheryl eine andere Seite der Welt und schenkt ihr die große Liebe ihres Lebens.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 31.10.2015

Egal ob es um ihre Filme, ihre Kunst oder ihre Literatur geht, in all ihren Arbeiten verfremdet Miranda July ein Stück traurige Realität sanft ins surrealistische, erklärt Rezensentin Katharina Granzin. So auch in dieser, in losen Episoden erzählten Geschichte über eine Frau, die sich stets zurücknimmt, unfreiwillig eine Mitbewohnerin bekommt und sich von dieser schließlich bis zu Prügelstrafe drangsalieren lässt. Das, so die Kritikerin, ist aber nicht bloßer Masochismus, vielmehr beschreibe Julie, wie sonderbar sich Nähebedürfnisse äußern können. Mit einem Kind ändert sich dann alles, und die Ironie weicht einer emotionaleren Erzählweise. Kitschig? Vielleicht, aber auch traurig und schön, meint die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.09.2015

Rezensentin Julia Voss zeigt sich überrascht von Miranda Julys Roman, der mit fortschreitender Lektüre immer besser werde. Dabei ist die erste Überraschung für die Kritikerin eine Enttäuschung: Im Zentrum steht eine eher unscheinbare Frau - nicht das, was Voss von Julys sonst so schillerndem Figurenarsenal gewohnt ist. Die Rezensentin vermutet gar, die Autorin wolle mit der Protagonistin Cheryl und den anderen Außenseitern des Buches real existierende Personen verunglimpfen. Doch dann verwandle sich "Der erste fiese Typ" plötzlich in ein intelligentes, humorvolles und originelles Buch über das Sexleben einer Vierzigjährigen, so Voss. Keine Innerlichkeit wie bei Vita Sackville-West und kein Entgrenzungserlebnis à al Patricia Highsmith präge hier den Sex zwischen zwei grundverschiedenen Figuren, sondern er sei vielmehr "schnell, verrückt, wild, verkopft, surreal und dabei häufig ausgesprochen unkompliziert". Offenbar zum Vergnügen von Julia Voss, die den Roman als "ebenso komisch wie weltvergrößernd" lobt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.08.2015

Mit Blick auf Miranda Julys breites, oftmals geniales kreatives Werk ist Rezensentin Angela Schader vor der Lektüre des Debütromans "Der erste fiese Typ" voller Vorfreude. Leider muss sie aber bald feststellen, dass die Geschichte um die ängstlich-unglückliche Cheryl, die ihr Leben zwischen rationalisierendem Ordnungswahn und Obsessionen fristet, etwas schleppend und kalkuliert erscheint. Auch die Charaktere geraten der Kritikerin bisweilen zu überladen. Nichtsdestotrotz entdeckt Schader auch in diesem Buch Stellen, in denen Julys ganz eigene, von Wärme und überraschenden Einfällen getragene Erzählkunst aufblitzt.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.08.2015

Miranda Julys Romandebüt um eine lebenunstüchtige weltfremde Frau mittleren Alters findet Klaus Nüchtern größtenteils verhuscht, hanebüchen inszeniert, halbgar. Allein die unvermittelt einsetzende lesbische Lovestory kann ihn doch noch hinterm Ofen hervorholen. Allerdings auch nur, damit der Rezensent feststellen kann, wie berührend eine konventionell und realistisch erzählte Liebsgeschichte wirken kann inmitten von lauter überspannten Szenarien, sogar dann, wenn sie eine "tonnenschwere" Message transportiert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.08.2015

Eigentlich kennt Lars Weisbrod die Künsterlin Miranda July als "Königin der durchtriebenen Weichheit", die einem diese heimelige Sorte Melancholie bescheren kann, die gute Sorte also, so der Rezensent. Deshalb überrascht ihn Julys Romandebüt doch sehr, wie er gesteht. "Der erste fiese Typ" wirke ein wenig so, als habe jemand die labenden Sätze aus dem Buch geschüttelt und nur die harten, traurigen und grotesken drin gelassen, beschreibt der Rezensent. Es geht darin um eine neurotische Mittvierzigerin, die in der Tracht Prügel, die ihr eine junge Frau verpasst, ihre Befreiung erlebt, sexuell wie überhaupt, berichtet Weisbrod. Erst am Ende wird es wieder weicher und es stellt sich beinahe Familienglück ein, "ohne Mann und ohne Biologie", aber die braucht sowieso keiner mehr, weiß der Rezensent. Überhaupt: progressiver als July in diesem Buch lässt sich über Geschlechterverhältnisse heute kaum schreiben, lobt Weisbrod, was er aber nicht als einzige Stärke des Romans missverstanden wissen will.
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