Michael Grüttner

Talar und Hakenkreuz

Die Universitäten im Dritten Reich
Cover: Talar und Hakenkreuz
C.H. Beck Verlag, München 2024
ISBN 9783406813429
Gebunden, 704 Seiten, 44,00 EUR

Klappentext

Lange Zeit haben sich die deutschen Universitäten vor allem als Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft gesehen. Erst allmählich und widerstrebend setzte sich die Einsicht durch, dass das nicht die ganze Geschichte ist. Inzwischen sind zahlreiche Untersuchungen zu einzelnen Universitäten, Disziplinen, Wissenschaftlern erschienen. Michael Grüttner legt mit diesem Buch auf der Grundlage jahrelanger Quellenforschung erstmals eine Gesamtdarstellung zu den Universitäten im Dritten Reich vor. Die 23 Universitäten, die am Ende der Weimarer Republik in Deutschland existierten, waren seit 1933 massiven "Säuberungen" ausgesetzt, die sich vor allem gegen Studierende und Wissenschaftler jüdischer Herkunft richteten. Dieser "Machtergreifung" von oben entsprach eine "Machtergreifung" von unten: Viele Professoren traten in die Partei ein, manche versuchten sich wie Carl Schmitt und Martin Heidegger  als Vordenker des NS-Regimes in Stellung zu bringen. Michael Grüttner schildert die erstaunlich geräuschlose Machtübernahme der Nationalsozialisten, analysiert die Hochschulpolitik des Regimes, die sich ganz unterschiedlich auf die verschiedenen Fächer auswirkte, und erklärt, warum die Wissenschaften im Dienst des Nationalsozialismus nicht nur unfreier wurden, sondern mitunter sogar größere Handlungsspielräume besaßen als je zuvor. Ein Epilog zur Nachgeschichte rundet längst überfällige Gesamtgeschichte ab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.2024

Eine Gesamtdarstellung der Rolle der Universitäten im Dritten Reich war bislang ein Desiderat, Michael Grüttners Buch schließt diese Lücke nun, freut sich Rezensent Stephan Speicher. Der Autor beschreibt die nationalsozialistische Machtübernahme unter anderem, legt Speicher dar, als den Triumph einer jüngeren Generation, die Anfang der 1930er meinte, die Universitäten in ihrem Sinne umgestalten zu können und sich daran machte, unliebsame jüdische und liberale Professoren zu terrorisieren. Diese Stimmung hatte eine Vorgeschichte, lernt Speicher, die Unis waren in den zwanziger Jahren gewachsen, aber neue Stellen gab es kaum. Darum mussten die alten Professoren von den Fleischtöpfen vertrieben werden. Tatsächlich brachte die NS-Politik die Universitäten in breiter Front auf Linie, auch wenn sie dabei Grüttner zufolge nicht immer so effektiv war, wie die Partei das wünschte. Teilweise wurde sogar versucht, dem Bedeutungsverlust des akademischen Betriebs entgegenzuwirken, insgesamt allerdings schlug die antiintellektuelle Haltung der Nazis auch auf ihre Bildungspolitik durch, erzählt Speicher. Diese Mischung aus vermeintlichem Modernismus und Vernachlässigung der Wissenschaft stellt Grüttner gut dar, findet der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2024

Auch in Bezug auf aktuelle Fragen ist vieles von dem, was Michael Grüttners großformatige Studie über Universitäten im Dritten Reich herausfindet, extrem wichtig, meint Rezensent Daniel Siemens. Drei Gründe nennt Siemens für die enorme Bedeutung des Werkes: die Materialfülle, die Tatsache, dass es die erste umfassende Darstellung zum Thema ist, sowie die gute Lesbarkeit. Mit Grüttner zeichnet der Rezensent nach, wie die deutschen Universitäten bereits in der Weimarer Republik in eine Krise geraten waren und sich auch deshalb nach 1933 weitgehend ohne Gegenwehr ins neue System fügten. Auch Grüttners Ausführungen zur NS-Hochschulpolitik, die eher knapp behandelte Kriegszeit sowie einzelne Karrieren wie die des NS-Günstlings Martin Heidegger fasst Siemens zusammen. Grüttner stellt Siemens zufolge dar, wie die Reputation deutscher Universitäten durch ihre Unterordnung unters Regime - sowie auch unter sinkenden Studierendenzahlen - gelitten hat. Außerdem räume das Buch mit Legenden wie der von der grundsätzlichen Wissenschaftsfeindlichkeit der Nazis auf. Insgesamt zeichnet das Buch laut Siemens das Bild einer Wissenschaftswelt, in der persönliche Seilschaften oft wichtiger sind als wissenschaftliche Korrektheit, so der Rezensent, der in dieser These auch eine Beschreibung der Gesamtgesellschaft erkennt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.03.2024

Ein "neues Standardwerk" sieht Rezensent Marcus Heumann in Michael Grüttners aufschlussreicher Studie zur Hochschulpolitik unter dem Hakenkreuz. In sechs Großkapiteln etabliert er nicht nur, dass die deutschen Universitäten eher nationalkonservativ eingestellt waren und viele Dozenten aus Karrieregründen in die NSDAP eingetreten sind, sondern auch, dass Lehrstühle für "Rassenpolitik" und "Politische Auslandskunde" geschaffen wurden. Für viele Professoren bedeutete der Nationalsozialismus im Vergleich zum Kommunismus "das kleinere Übel" - diese Mittäter- und Mitläuferschaften sind aber im Nachhinein vielfach nicht richtig aufgeklärt worden, lernt Heumann noch, den Grüttners sorgfältige und quellenreiche Beschäftigung mit dem Thema voll und ganz überzeugt.