Liao Yiwu

Die Kugel und das Opium

Leben und Tod am Platz des Himmlischen Friedens
Cover: Die Kugel und das Opium
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2012
ISBN 9783100448156
Gebunden, 432 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen von Hans Peter Hoffmann. Mit einer Liste von 202 Todesopfern des Massakers auf dem Tiananmen, bereitgestellt von Ding Zilin und Jiang Peikun. Am frühen Morgen des 4. Juni 1989 mobilisierte die chinesische Regierung die Volksbefreiungsarmee, um die friedlichen Demonstrationen Zehntausender Studenten niederzuschlagen, die mehr Freiheit und Demokratie forderten. Am Platz des Himmlischen Friedens richteten sie ein Massaker an, das die Welt schockierte. Wie viele Menschen die Panzer niederrollten, wie viele Studenten von Soldaten erschossen oder zu Tode geprügelt wurden, gab die chinesische Regierung nie bekannt. Liao Yiwu, der über das Massaker ein Gedicht verfasste und dafür vier Jahre inhaftiert wurde, führte über Jahre hinweg heimlich Interviews mit Augenzeugen und Angehörigen der Opfer. Entstanden ist ein Zeugnis der unfassbaren Ereignisse vom 4. Juni und eine Verneigung vor den mutigen Menschen, die für ihre Überzeugungen mit ihrem Leben einstanden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.10.2012

Vielleicht liegt es daran, dass das Buch bereits von allen anderen Zeitungen positiv besprochen wurde, vielleicht liegt es daran, dass der Autor Liao Yiwu mit der Verleihung des Friedenspreises hinreichend gewürdigt oder über jeden Zweifel erhaben ist. Jedenfalls geht Tilman Spengler in seiner Rezension kaum konkret auf "Die Kugel und das Opium" ein, sondern referiert ausführlich die historischen Hintergründe des Massakers auf dem Platz des himmlischen Friedens vom 4. Juni 1989. Die Gesprächspartner, mit denen sich Yiwu im Rahmen des Buchs unterhält, reden "naturgemäß zu einen ihnen vertrauten chinesischen Autor, nicht zum deutschen Leser", weshalb der Rezensent es für angezeigt hält, "einige Stichworte zur einordnenden Erinnerung" zusammenzutragen. Man darf es wohl als implizite Leseempfehlung verstehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2012

Pünktlich zur Verleihung des Friedenspreises an Liao Yiwu ist nun sein neues Buch "Die Kugel und das Opium" erschienen, annonciert Rezensent Andreas Platthaus, den die Lektüre dieses Gesprächsbandes ebenso beeindruckt wie bewegt hat. Ganz in der Tradition von Dantes "Göttlicher Komödie" begebe sich der chinesische Dissidentendichter auf eine "Höllenfahrt", so Platthaus, der hier tief in die Abgründe der chinesischen Gesellschaft blickt: Der Kritiker erlebt in den fünfzehn Gesprächen, die Yiwu mit Aufständischen führte, die im Juni 1989 nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking festgenommen wurden, Menschen, die von zerstörten Lebensentwürfen und über die Erniedrigungen und Qualen im Gefängnis erzählen. Darüber hinaus erfährt der erschütterte Rezensent in den eindringlichen Gesprächen, dass das Massaker auf dem Tiananmen, das bis zu zweitausend Menschenleben forderte, für China einen Rückfall in die Gewaltherrschaft der Partei bedeutete.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.10.2012

Liao Yiwu wird am Sonntag den Friedenspreis verliehen bekommen, und Ina Hartwig lässt in ihrer Besprechung seines neuen Buchs "Die Kugel und das Opium" keinen Zweifel daran, dass sie diese Wahl goldrichtig findet. Adornos berühmtem Diktum über Dichtung nach Auschwitz hält sie entgegen: die Literatur muss sich dem Grauen stellen, zumal wenn es so hartnäckig totgeschwiegen wird wie das Massaker auf dem Tiananmen-Platz vom 4. Juni 1989. Der Großteil von Yiwus Buch bestehe aus Interviews, berichtet die Rezensentin, darunter auch ein Selbstinterview des Autors mit aufschlussreichen Informationen zu seinem persönlichen Hintergrund. Die Schilderung der - vor allem in der Haft - erlittenen Grausamkeiten und Demütigungen erfolge "radikal, lakonisch, ohne Tabus", Yiwus Gesprächspartner sprächen offen über psychische und physische Folgeschäden. Ein Kompliment gibt es für Hans Peter Hoffmanns geschmeidige Übersetzung dieses "so beeindruckenden wie bedrückenden Buchs".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.10.2012

Der Exilschriftsteller Liao Yiwu gehörte zu den Demonstranten, die 1989 auf dem Tiananmen-Platz verhaftet wurden, vier Jahre saß er im Gefängnis, berichtet die Rezensentin Katharina Borchardt. In "Die Kugel und das Opium" habe er fünfzehn Interviews mit ehemaligen Häftlingen veröffentlicht, vierzehn mit anderen Männern, eines mit sich selbst - das vollkommene Fehlen von Frauenstimmen empfindet die Rezensentin als "große Leerstelle" im Buch. Die Männer berichten von den Ereignissen am 4. Juni und von ihrer Haft, fasst Borchardt zusammen. Liao Yiwu erspare den Lesern dabei keine unangenehmen Details. Sie alle berichten von Folter, Hunger und Erniedrigung. Auch nach der Haft seien viele von ihnen nicht wieder auf die Füße gekommen. Zu sehr haben der aufkommende Kapitalismus und der wachsende Konsum das Land während ihrer Gefangenschaft verändert, erklärt die Rezensentin. Borchardt lobt ausdrücklich die Übersetzung von Hans Peter Hoffmann und bedankt sich beim S.-Fischer-Verlag für den erkennbar werdenden China-Schwerpunkt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2012

Bewegt und bewegend schreibt Adorno-Biograf Detlev Claussen über den Friedenspreisträger Liao Yiwu, dem er einen ähnlichen Rang wie Walter Benjamin beimisst: Wenn er Liaos Schriftstücke aus dem Gefängnis mit Benjamins Miniaturen auf Zigarettenpapier vergleicht, dem in seinem vorweggenommenen Exil auf Ibiza 1932 das Geld ausgegangen war, oder wenn er Liaos Texte ebenso für Dokumente der Kultur wie der Barbarei hält. Liaos neuestes Buch "Die Kugel und das Opium" versammelt Gespräche zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989, und wie Claussen erschüttert feststellt, stößt er auch bei einigen, die den Panzern oder dem Gefängnis entkommen sind, auf "Überlebensschuld" - ganz wie bei den Überlebenden des Holocausts. Für den zutiefst beeindruckten Rezensenten fügt sich dieses Buch nahtlos in Liaos "episches Monumentalwerk" ein, das von einer großen kulturellen und menschlichen Katastrophe erzählt, dem gescheiterten Wunsch nach Natur- und Menschenbeherrschung. Als weitere Lehre entnimmt Claussen dem Buch, dass es durchaus etwas Schlimmes als den Tod gibt.