Kübra Gümüsay

Sprache und Sein

Cover: Sprache und Sein
Hanser Berlin, Berlin 2020
ISBN 9783446265950
Gebunden, 208 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer sich polarisierenden Welt. Kübra Gümüsay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein. In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden - und sich nur als solche äußern dürfen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.05.2020

Rezensent Helmut Mayer hält nicht viel von Kübra Gümüsays Buch über das Übel der Kollektive. Der Essay krankt für ihn an schiefer Konstruktion und einem allzu starken Willen zur Dramatisierung, findet er, auch wenn die Autorin, wie er zugibt, sicher weiß, worüber sie schreibt, wenn sie gegen Fremdbenennungen polemisiert. Dass die menschenverachtende Zuordnung zu Kollektiven fatal ist, erfährt Mayer auf grelle, sich wiederholende Weise und in "klagender salbungsvoller Rede". Für Mayer in der Länge wenig erhellend.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.02.2020

Rezensentin Judith Sevinc Basad hat Einwände gegen das Buch der Muslimin Kübra Gümüsay. Was zunächst nach einem Versuch klingt, der Freiheit das Wort zu reden, entpuppt sich für die Rezensentin schnell als bloßes Verschieben der Hindernisse. Mit ihrer Rede von der vermeintlich dominanten "weißen Perspektive", die andere nach Herkunft, Ethnie und Geschlecht einordne, macht die Autorin  laut Rezensentin nämlich genau das, was sie kritisiert: Sie biologisiert und moralisiert. Dahinter steckt für die Rezensentin eine eigene ideologische Agenda, die Unterdrückungsmechanismen im Islam komischerweise weitgehend ausblendet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.02.2020

Rezensentin Susan Vahabzadeh verdankt dem Buch der Kolumnistin Kübra Gümüşay einige ungewohnte Perspektive und mitunter auch wirklich lustige Beobachtungen. Aber neu und überraschend findet Vahazadeh nicht unbedingt, was Gümüşay über die Sprache als formende Kraft schreibt. Und auch wenn sie groß anhebe, gehe es ihr doch weniger um Sprache als um Narrative, bemerkt die Rezensentin. Überhaupt belasse es die Autorin doch sehr beim Anekdotischen. Schön, dass die Sprache ein gemeinsames Haus sein soll, findet die Rezensentin. Noch schöner wäre ein Bauplan.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.02.2020

Rezensent Paul Stoop hat einige Nachfragen, aber keine grundsätzlichen Einwände bezüglich Kübra Gümüsays Streitschrift (kein philosophisches Traktat, wie der Titel laut Stoop vermuten ließe). Den Wunsch nach einer neuen Sprache im öffentlichen Diskurs, der hinter dem Buch steckt, kann Stoop gut nachvollziehen. Persönlich und überzeugend berichtet die Autorin dem Rezensenten von ihren Erfahrungen als mehrsprachige Muslimin, von Kategorisierungen und Beleidigungen, und ruft zum Stopp von verbaler Ausgrenzung, aber auch zur Selbstbefreiung Betroffener auf. An einigen Stellen verfällt die "klar und lebendig" schreibende Autorin laut Stoop allerdings in eben jene Zuschreibungen, gegen die sie argumentiert. Wer oder was eine "Dominanzgesellschaft" sein soll, erschließt sich Stoop zum Beispiel nicht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.01.2020

Rezensentin Katharina Teutsch tut Kübra Gümüsays Versuch, argumentativ frisch und mit Anschaulichkeit für eine bessere Welt zu kämpfen, nicht als idealistisch oder naiv ab. Den Anspruch der Autorin, frei von Stigmatisierungen und in kultureller Vielfalt leben zu wollen, spürt Teutsch bei der Lektüre, die sie leider eher abstrakt wiedergibt, in jedem Satz. Gümüsays "Abrechnung mit unseren Sprachgewohnheiten", mit deutsch-türkischer Zweisprachigkeit und dem Totschweigen im Sprechen eröffnet Teutsch einen bedrückenden, wenngleich wichtigen Erfahrungsschatz.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.01.2020

Rezensent Ambros Waibel nähert sich auf kurvenreichem Weg dem Buch der Kolumnistin Kübra Gümüsay, aus dem er sich vor allem zwei Gedanken herausgreift. Zum einen scheint sie auf ein Recht auf Individualität zu pochen und nicht als Stellvertreterin für den Islam wahrgenommen werden zu wollen. Das versteht Waibel gut: Eine einzelne Frau geht über Rot, nicht zwei Milliarden Muslime. Nicht folgen kann er ihr, wenn sie auf einer Spiritualität beharrt, die sich nicht darum schert, was andere darüber denken. Darin sieht Waibel eine Theologie, wie sie einst Kardinal Josef Ratzinger gepredigt hat, aus Angst, im rationalen Diskurs könnte das Spirituelle verdampfen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.01.2020

Für Ralph Gerstenberg provoziert das Buch der deutschtürkischen Feministin Kübra Gümüsay vor allem Fragen. Etwa: Wie lässt sich das demokratische Anliegen einer bewussten, menschlicheren Sprache, das die Autorin laut Gerstenberg "klug und leidenschaftlich" vorbringt, verwirklichen? Erfahrungen mit begrenzter Wahrnehmung, die sich in einem ebensolchen Sprachgebrauch spiegelt, schildert die Autorin laut Rezensent und kritisiert die darin sichtbaren Machtverhältnisse anhand der Unterscheidung von Benannten und Unbenannten. Am besten gefällt Gerstenberg der Text, wenn die Autorin vom Allgemeinen zu ihre eigenen Erlebnissen als meinungsstarke Muslimin gelangt und ihren Traum von einer gleichberechtigten Gesellschaft verteidigt. Strukturell erscheint der Band dem Rezensenten leider etwas ungar und redundant.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.01.2020

Rezensentin Azadê Peşmen kann wenig anfangen mit Kübra Gümüşays Buch. Natürlich spreche die Kolumnistin hier wichtige Aspekte an, die Macht der Sprache, Mechanismen von Ausschluss und Kategorisierung. Aber neu findet Pesmen diese Art der Diskurskritik nicht unbedingt. Und wo es interessiert wird, belässt es Gümüşay damit, Fragen aufzuwerfen, ohne Antworten zu geben. Auch hätte sich Peşmen ein bisschen mehr Präzision und Schärfe in der Argumentation gewünscht.