Katja Lange-Müller

Drehtür

Roman
Cover: Drehtür
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2016
ISBN 9783462049343
Gebunden, 224 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Asta Arnold ist nach 22 Jahren im Dienst internationaler Hilfsorganisationen am Münchener Flughafen gestrandet. Von den Kollegen weggemobbt aus der Klinik in Nicaragua, wo sie zuletzt tätig war, steht sie neben einer Drehtür und raucht. Sie wollte eigentlich gar nicht zurück. Aber weil sich ihre Fehlleistungen häuften, bekam sie ein One-Way-Ticket geschenkt. Nun weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. Einigermaßen wohl fühlt sie sich nur, wenn sie gebraucht wird. Und wer könnte sie, die ausgemusterte Krankenschwester, jetzt noch brauchen? Während Asta über sich nachdenkt, beobachtet sie ihre Umgebung - und meint, Menschen wiederzuerkennen, denen sie im Laufe ihres Lebens begegnet ist: den Koch der nordkoreanischen Botschaft, der eines Abends mit geschwollener Wange in einem Berliner Hauseingang hockte, ihre Kollegin Tamara, die ein glühender Fan von Tamara "Tania" Bunke war, ihren Exfreund Kurt, mit dem sie turbulente Wochen in einer tunesischen Ferienanlage verbrachte, einen amerikanischen Schauspieler, der einen Nazi-Arzt darstellte, und einige andere mehr. Mit jeder Zigarette taucht Asta tiefer in ihre Vergangenheit ein - und mit jeder Episode variiert die Erzählerin ein höchst aktuelles und existenzielles Thema: das Helfen und seine Risiken.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2016

Katja Lange-Müllers "Drehtür" scheint bei Katharina Teutsch nicht allzu lange nachzuhallen. Dass die Erzählung um eine kettenrauchende Krankenschwester, die nach ihrem Dienst internationaler Hilfsorganisationen, nun frisch und unfreiwillig in Rente am Münchner Flughafen ihr Leben Revue passieren lässt, das Thema "Helfen und Risiken" verhandeln soll, kann die Kritikern kaum erkennen. Vielmehr liest sie hier ein paar "verplauderte" Geschichten, die rasant und pointenreich in menschliche Abgründe blicken lassen. Einzelne Episoden, etwa jene über Tamara Bunke, findet Teutsch allerdings reizvoll.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.09.2016

Roman Bucheli hat selten kundiger vom Sterben erzählt bekommen als in Katja Lange-Müllers neuem Roman. Unspektakulär scheinen ihm zwar die Lebensbilder, die die sterbende Protagonistin, eine Krankenschwester, im Text rekapituliert, doch wie die Autorin erst episodisch, dann zunehmend das Anekdotische verdichtend mit trockenem Humor von diesem Dasein erzählt, findet Bucheli schließlich geschickt gemacht und im Effekt stimmig. Das Leben ist ein nie vollendetes Stückwerk, lernt er, Erfüllung kann es dennoch bieten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.08.2016

Neun Jahre sind seit "Böse Schafe" vergangen und doch erkennt Kristina Maidt-Zinke sofort den vertrauten Ton Katja Lange-Müllers, der Bodenständigkeit mit Sarkasmus, Traurigkeit und starken Bildern verknüpft. Mit Freude folgt sie also der frühzeitig pensionierten, kettenrauchenden Krankenschwester Asta, die nach zwanzig Jahren aus Nicaragua in die Heimat zurückkehrt und am Flughafen auf ihr Leben zurückblickt. Dass es dabei weniger um konkrete Hilfsaktionen und mehr um teils autobiografische Männergeschichten der Autorin geht, aber auch um eindringliche Milieuschilderungen, etwa aus Kalkutta, findet die Kritikerin unterhaltsam und meist "pointiert". Die Beklemmung, die sich bei der Rezensentin einstellt, wenn Asta in der trostlosen Umgebung darüber nachdenkt, wofür sie noch gebraucht wird, kann allerdings kaum von Lange-Müllers Humor aufgefangen werden, stellt Maid-Zinke fest. Und doch hat ihr dieser ebenso "lebenssatte" wie melancholische Geschichtenband, der mehr Prosasammlung als Roman ist, gut gefallen.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 13.08.2016

Im Grunde besteht Katja Lange-Müllers Roman "Drehtür" aus mehreren, wahrscheinlich autobiografisch inspirierten Kurzgeschichten, die etwas dürftig in einen einenden Rahmen gepresst wurden, so Richard Kämmerlings. In diesem Rahmen verharrt die unfreiwillig pensionierte Krankenschwester Asta in einer Drehtür des Münchener Flughafens, während ihre Umgebung ihr immer neue Erinnerungen eingibt, beschreibt der Rezensent. Eine innere Stimme, die nicht sie selbst zu sein scheint, hält sie zum Erzählen an, erklärt Kämmerlings. Außer der Drehtür teilen die Geschichten ein thematisches Element, verrät der Rezensent: die Hilfsbereitschaft und deren Übermaß. So richtig fügen sich die Teile jedoch nicht zu einem ganzen, bedauert Kämmerlings, was jedoch nicht heißen soll, dass die Erzählungen für sich genommen nicht gut wären. Einige Geschichten, etwa eine über die Reise einer jungen Autorin nach Indien, haben dem Rezensenten sogar sehr gut gefallen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.08.2016

Das Motiv des Helfens verbinde die "lose aneinander gehäkelten Prosastücke", schreibt Sabine Vogel. Die Rezensentin erinnert daran, dass Lange-Müller selbst ein prägendes Erlebnis als Hilfskrankenschwester hatte, als eine Patientin starb und die Autorin sich daraufhin betrank und mit dem Schreiben begann. Mindestens melancholisch scheinen auch die Episoden in "Drehtür" zu sein, schließlich misslingt das Helfen hier nach Vogels Ansicht in den meisten Fällen. Lange-Müller erzähle mit viel Sarkasmus von ihren Antihelden, doch komisch sei das höchstens auf den ersten Blick. In Wahrheit seien ihre Figuren "bis zum Gefrierbrand desillusioniert". Zugleich, so Vogel, blieben die Gedanken übers Helfen unscheinbar und wenig konturiert, vielmehr gehe es Lange-Müller in ihrem Buch "um das Erzählen als Überlebensstrategie".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.08.2016

Für Ursula März ist Katja Lange-Müllers lange erwarteter neuer Roman "Drehtür" ein "Brühwürfelchen der feinen Art", ein Konzentrat also, in diesem Fall eines gewissen Themas, erklärt die Rezensentin. Dieses Thema ist die Hilfsbereitschaft, verrät März, in all ihren Facetten, den dunklen wie den hellen, und dieses Buch könnte deshalb nicht besser in diese unsere Zeit passen, findet sie. Lange-Müller erzählt die Geschichte von Asta, einer Krankenschwester in fortgeschrittenem Alter, die auf dem Münchener Flughafen im Zwischenraum einer Drehtür verharrt und ins Assoziieren gerät, beschreibt März. Ausgehend von diesem Szenario breitet Lange-Müller dann eine ganze Reihe von Geschichten aus, die alle ihr Hauptthema variieren, fasst die Rezensentin zusammen.