Jesus Diaz

Erzähl mir von Kuba

Roman
Cover: Erzähl mir von Kuba
Piper Verlag, Stuttgart 2001
ISBN 9783492042086
Gebunden, 304 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Klaus Laabs. Der kubanische Zahnarzt Stalin Martinez sitzt sechs Tage lang auf der Dachterrasse seines Bruders in Miami, ohne Verpflegung und ohne Schutz vor der unerbittlichen Sonne, um das Aussehen eines Bootsflüchtlings zu erlangen und die amerikanischen Behörden glauben zu machen, er sei auf einem Floß aus seiner Heimat geflohen. In seiner Einsamkeit durchlebt er noch einmal die Odyssee der vergangenen Wochen, die damit begann, daß seine viel zu attraktive Frau sich mit einem Kuß von dem Taxifahrer Jesus verabschiedete. Einziger Balsam für Martinez` verlassene Seele ist die Mulattin Miriam, mit deren Hilfe er sich schweren Herzens seinem geliebten, verhaßten Kuba stellt ...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.07.2001

Florian Borchmeyer charakterisiert den im spanischen Exil lebenden Kubaner Jesus Diaz als jemanden, der zwischen allen Stühlen sitzt. Diese Position - wen wundert's - sei auch seinem Buch anzumerken, das weder über revolutionäres noch antirevolutionäres Pathos verfüge, sondern von der Banalität der Verhältnisse berichte: da verlässt die Hauptfigur des Romans, ein Zahnarzt, Kuba nicht wegen der Verletzung der Menschenrechte, sondern weil ihm das Geld für einen neuen Ventilator fehlt. Von bittersüßen nostalgischen Gefühlen wird der Autor jedenfalls nicht heimgesucht, stellt Borchmeyer fest; die alte wie die neue Heimat, die USA, würden ironisch vorgeführt, Kuba fast mit dem Gestus eines Reiseführers geschildert, was den Rezensenten etwas irritiert. Seines Erachtens hat Diaz den Roman - nach einem gescheiterten Filmprojekt - mit einem auf das spanische Publikum schielenden Blick geschrieben, was aber der Glaubwürdigkeit seiner Mittelmäßigkeit repräsentierenden Hauptfigur nicht abträglich erscheint.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.06.2001

Mit diesem Buch kehre der im spanischen Exil lebende Autor zum epischen Format seines Erstlings zurück, behauptet Georg Sütterlin recht angetan von diesem in der pikaresken Tradition stehenden Roman über einen unfreiwillig flüchtig werdenden kubanischen Zahnarzt, den es nach Miami verschlägt. Eine Art kubanischer Simplicissimus in einer Welt voller Chaos, Unordnung und Ungerechtigkeiten. Erst will ihn die USA zum Propagandafall aufbauschen, eine Verpflichtung, der er sich entzieht, doch als er wenig später als illegaler Flüchtling erneut einreist, ist er gezwungen, sich ein drittes Mal auf die einzig akzeptable und medientaugliche Art der Einreise vorzubereiten: als Bootsflüchtling. Selbstverständlich, meint Sütterlin, kommen die einschneidenden Verschlechterungen im kubanischen Alltag zur Sprache, aber immer würden der erzählerische Schwung und Humor die Oberhand behalten. Politische Kommentare seien Díaz' Sache nicht in diesem Roman - politisch äußern kann er sich als Chefredakteur der wichtigsten kubanischen Exilzeitschrift, die in Madrid erscheint.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.06.2001

Jesus Diaz hat bisher Romane geschrieben, die seine Erlebnisse und Erfahrungen in Kuba aufarbeiteten, die Zeit seines Lebens also, bevor er sich Anfang der siebziger Jahre ins deutsche und spanische Exil begab. "Erzähl mir von Kuba" bezeichnet Fritz Rudolf Fries nun als "komisch trauriges Seitenspiel seiner bisherigen Arbeiten". Verstehen kann man diese Charakterisierung schon, wenn man wenige Eckdaten des Romans kennt. Romanzeit ist 1994, als Flüchtlingsscharen von Kuba nach Miami mit ihren gefährlichen Fluchtaktionen unter dem Namen "boat-people" die Schlagzeilen der ganzen Welt füllten. Zu dieser Zeit spielt sich die unfreiwillige "Flucht" des kubanischen Zahnarztes Stalin Martinez des Romans statt. Sein Schicksal erlaubt einen Blick auf das von vielen seiner Landsleute als Paradies empfundene Miami, aber auch auf die Probleme des Heimatlandes, denen diese zu entfliehen suchen und in das Martinez zunächst zurückkehrt. Fries sieht in dem Roman eines Autors, der u.a. Dozent an der Filmschule in Berlin und Herausgeber literarischer Zeitschriften ist, ein "Bild von einem Kuba der Zukunft". Diaz transportiert, findet der Rezensent, "die Sehnsucht nach dem real Wunderbaren der kubanischen Welten in ihrer Mischung aus Sprachwitz, afrikanischen Rhythmen, Schönheit und allen kulinarischen Freuden der Welt", gleichzeitig aber auch - "Encuentro" / Zusammenkunft, der Titel der wichtigsten von ihm herausgegebenen Exilzeitung quasi als Programm - die Sehnsucht nach einer Aussöhnung zwischen den verfeindeten Landsleuten in Miami und Havanna.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.03.2001

Evita Bauer scheint es sehr zu gefallen, dass im Vergleich zu Diaz` früheren Romanen, in denen "Bitterkeit und Enttäuschung" über Kuba im Vordergrund standen, im vorliegenden Buch nun vielmehr "Satire und (...) Burleske" vorherrschend sind. Die Rezensentin erinnert dieser Roman in vielerlei Hinsicht an Don Quijote, nur dass der Protagonist hier ein - wenn auch unfreiwillig in die USA emigrierter - kubanischer Dentist ist, der sich statt mit Windmühlen mit kaputten Ventilatoren und `einem alten, störrischen Drahtesel` herumplagen muss. Zu den großen Stärken dieses Buchs gehören Bauers Ansicht nach vor allem die "fein nuancierte Darstellung" des Dentisten Stalin Martinez und seines durchaus gegensätzlichen Bruders Lenin alias Leo, der als Clown in Miami lebt. Bauer schätzt darüber hinaus den Autor als "Sprachartisten und leidenschaftlichen Imitator", der in seinem neuen Roman äußerst virtuos die verschiedenen Dialekte Kubas, das "Spanenglisch" der Emigranten und das "Radebrechen seines Protagonisten auf Englisch" handhabt.
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