Jean Echenoz

Am Piano

Roman
Cover: Am Piano
Berlin Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783827005328
Gebunden, 196 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Die Arbeit des Pianisten setzt strikte Disziplin voraus. Sie schließt jede Zerstreuung aus, die den Künstler vom Klavier fernhalten könnte. Dennoch würde auch er gerne einmal das Licht der Welt, die Süße des Lebens, die Lauheit der Luft oder dieLiebe der Frauen genießen. Aber nein: ob tot oder lebendig, der Pianist muss sich zuerst seinem Publikum widmen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.11.2004

Der Rezensent Thomas Laux weiß nicht so recht, was er mit diesem Roman anfangen soll. Der potenzielle Leser sollte dieser Art von Roman schon zugeneigt sein, um aus dem Buch einen Mehrwert ziehen zu können. Einerseits gesteht Laux dem Autor Jean Echenoz zu, dass er den ihm eigenen Erzählstil der "parodistischen Inszenierung" mit diesem Roman weiter perfektioniert und auf die Spitze getrieben hat: "Er zertrümmert mit aller Selbstverständlichkeit Genreregeln und rezeptionelle Erwartungshaltungen." Anderseits findet Laux, dass es Echenoz in seiner unterhaltsam-abstrusen Geschichte an "Substanz" fehlt. Bisweilen komme bei seiner Strategie, "uns mit den Beliebigkeitsparametern postmoderner Erzählweisen zu konfrontieren und diese gleichsam ad absurdum zu führen" einfach auch nur "hahnebüchener Nonsens" heraus.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.07.2004

Für Thomas Laux ist Jean Echenoz eine talentierte Spielernatur, bei der man schleunigst vergessen sollte, rät er, was man über Stile, Genreregeln und Lesererwartungen wüsste. Echenoz' Romane - der Autor hat in Frankreich zahlreiche Preise schon erhalten - lebten von der Parodie, so Laux, von der gezielten Verspottung, vom virtuosen Spiel mit literarischen Versatzstücken, vom gekonnten Umgang mit Pseudomotiven, Halbreferenzen und Zitaten. Damit spricht Echenoz vor allem anarchisch gesinnte Leser an, warnt Laux, die "im letzten Stereotyp noch den Witz erkennen". Ein zwiespältiges Kompliment also. Echenoz' neuer Roman "Am Piano" fängt allerdings relativ konventionell an, verrät der Rezensent; erzählt werde von einem Pianisten, der von Stadt zu Stadt reist, dort Konzerte gibt und in den Stunden davor dem Alkohol widerstehen muss. In der Mitte des Buches allerdings verstirbt der Pianist plötzlich - und nun wird's ein bisschen verrückt. Doris Day und Dean Martin betreuen ihn im Krankenhaus, Max erhält eine neue Existenz, es kommt zu absurden Begegnungen im Zwischenreich der Untoten. Im Grunde mache Echenoz das Gleiche, was er immer mache, meint Laux: er führe postmoderne Erzählweisen ad absurdum. Man muss das halt mögen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 03.07.2004

Seit Sartres Hölle (sprich: die anderen) hat sich einiges geändert, befindet die Rezensentin Anne Kraume nach Lektüre von Jean Echenoz' Erzählung um Leben und Sterben eines angstgeplagten, dem Alkohol verfallenen Pianisten. Der Roman, so Kraume, beginnt als Max Delmarc nur noch drei Wochen zu leben hat. Und so durchquere der Leser mit ihm drei Wochen der Angst. Dabei handele es sich jedoch nicht, wie man erwarten würde, um Todesangst. Nein, Delmarcs Angst sei eine chronische, grundlose und existenzielle Angst, der auch der baldige Tod keinen mehr draufzusetzen vermöge. Das Aufregendste an diesen drei Wochen, so Kraume, ist daher genau das, was Delmarc sein ganzes Leben in Atem gehalten hat: die Erinnerung an die in seinem Studium "klassisch verpasste" und nie wiedergesehene Cellistin Rose. Bei alledem sei Echenoz' Roman beleibe kein Künstlerroman, sondern eher dessen Parodie (ein Genre, für das Echenoz bekannt ist): Delmarc sterbe, komme ins Fegefeuer und werde per Beschluss wieder auf die Erde zurückgeschickt ? als abstinenter Barkeeper. Die "tragikomische" Beliebigkeit und Ziellosigkeit seines zweites Lebens macht "Am Piano" zu einem Roman "über die verpassten Chancen eines Lebens und die Unmöglichkeit, manche Versäumnisse nachzuholen", so das Fazit der wohlwollenden Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.06.2004

Zu Jean Echenoz passt der Begriff Finesse, den Rezensent Andreas Dorschel folgendermaßen umschreibt: "die Beherrschung von Kunstgriffen, ohne mit ihnen zu protzen". Echenoz habe also einen Roman mit allen Finessen geschrieben, in dem vieles ganz einfach und raffiniert zugleich erscheine. Das ist wie bei einer Haydn-Sonate, bemüht Dorschel einen Vergleich aus der Musikwelt: der Leser bzw. Hörer könne das Jonglieren mit den Konventionen mit Lust verfolgen, wer aber daran keinen Gefallen finde, werde auch nicht durch ständige Hinweise auf die Jonglierkünste beim Lese- bzw. Hörgenuss gestört. Der Verweis auf die Welt der Musik kommt nicht von ungefähr, denn Echenoz hat einen Pianisten zum Protagonisten seines Romans gemacht, einen Musiker, der allerdings unter schrecklichem Lampenfieber leidet, deshalb dem Alkohol zuneigt und in der Mitte des Romans bereits aus dem Leben scheidet, wie Dorschel verrät. Ab diesem Punkt schlägt das realistische Erzählen ins Surreale um, wobei Echenoz den realistischen Stil beibehält, analysiert der Rezensent seine Faszination. Er legt darum den Lesern auch lieber das französische Original ans Herz, da die deutsche Übersetzung einige der Hast geschuldete Fehler aufzuweisen habe, die den Echenoz'schen Finessen abträglich scheinen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2004

Auch in diesem Roman um den Konzertpianisten Max Delmarc gibt der Autor Jean Echenoz seiner Hauptfigur eine "zweite Chance" stellt Joseph Hanimann fest. Denn das Buch hat einen "postumen Teil", in dem Delmarc nach seiner eigenen Ermordung Barmixer wird, erklärt der Rezensent weiter, der dennoch zu seiner Erleichterung nichts von elaborierter "Jenseitigkeit" in den postumen Erlebnissen der Hauptfigur entdecken kann. Denn auch hier zeigt sich der französische Autor als "Meister der lakonischen Details" und schafft mit seiner "minutiösen" Detailschilderung einen ganz "eigenen Klang", lobt Hanimann angetan. Er preist Echenoz für die im Roman geübte "Meisterschaft der Perspektivverschiebung", und die "ironische Präzisionsarbeit" bis ins kleinste Detail ringt ihm Bewunderung ab. Im Gegensatz zu Echenoz' früheren Romanen strahlt dieses Buch keinerlei "allegorische Kälte" aus, freut sich der Rezensent, der findet, dass all die nebensächlichen Einzelheiten, die geschildert werden, den Lesern die Figur des Pianisten "näher bringt" und sich dadurch ein fesselndes "Gesamthandlungsmuster pantheistischer Diesseitigkeit" ergibt.
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