J. M. Coetzee

Der Tod Jesu

Roman
Cover: Der Tod Jesu
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020
ISBN 9783103970265
Gebunden, 224 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke. David, das Kind, wendet sich von der improvisierten Familie ab, die Simon ihm geschaffen hat. Er will ins Waisenhaus, vor allem will er dort in das Fußballteam. Aber es geht nicht lange gut und David liegt im Spital, in das Kinder und Erwachsene pilgern, um seine Geschichten zu hören. Mit jeder Geschichte, die er erzählt, zieht er sich langsam aus dem Leben zurück. J. M. Coetzee unternimmt in seiner "Jesus-Trilogie" eine Reise an das Ende erzählerischer Gewissheiten. Seine Figuren sind ans Land gespülte Menschen. Sie alle sind auf der Suche nach einer Bedeutung, die über sie hinausreicht, sie mit etwas verknüpft, das ihrem Leben "Sinn" verleiht, so fragil er auch sei.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.04.2020

Rezensent Stefan Hochgesand gefällt an J. M. Coetzees finalem Band seiner Jesus-Trilogie, dass der Autor Erwartungen unterläuft und bis zuletzt neue Fragen aufwirft. Der "magisch-realistische, verspielte" Text, der dem nunmehr zehnjährigen Protagonisten David/Jesus ins Waisenheim folgt, verunsichert den Rezensenten zwar mit einem unter "Blasphemieverdacht" stehenden Plot, mit zweifelhafter Perspektivik und postmoderner Überschreibung der Bibelgeschichte, in der David/Jesus den "Don Quixote" liest und von Flüchtlingen Sozialversicherungsnummern gefälscht werden, gerade daher aber scheint Hochgesand der Band als ein würdiger Abschluss der Reihe.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 06.04.2020

Marie Luise Knott sucht nach einem neuen Ansatz zum Verständnis von John M. Coetzees Jesus-Trilogie, deren dritter Band nun vorliegt, und findet ihn in Coetzees Mischung aus realistischem und allegorischem Erzählen. Einerseits erkennt sie das Metaphysische der mit Verweisen auf Kafka, Cervantes und vor allem die Bibel gespickten Erzählung, andererseits ahnt sie einen "wirklichen", autobiografischen Hintergrund, wenn sie die Trauerszenen im Text betrachtet. Auf einmal gleicht Coetzees früh verstorbener Sohn dem David der Geschichte und das Buch erscheint als Buch der Trauer eines Vaters. Und noch etwas stellt Knott fest: Wie sehr die präzise, krage und blendend schöne Sprache des Autors der spröden Schönheit von Coetzees südafrikanischer Heimat gleicht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.02.2020

Rezensent Paul Ingendaay nennt J. M. Coetzees Kunst "magischen Rationalismus". Vor allem im nun vorliegenden letzten Band seiner "Jesus-Trilogie" kommt er laut Ingendaay vor, in Form von Andeutungen und Symbolen, mit denen der historische Jesus erkennbar wird, in der Schwebe, in der Coetzee die Herkunft seiner Figur belässt. Dass die "endlosen" Fragen aus den beiden ersten Bänden nun dagegen zurücktreten, scheint Ingendaay mit Genugtuung festzustellen, ebenso die augenblickliche Vertrautheit des Lesers mit Orten und Figuren. Insgesamt bietet der Band laut Rezensent Coetzee in idealer Form. Stilistische Verknappung, philosophische Spekulation und Verrätselungslust prägen das Buch, schreibt er. Reinhild Böhnkes Übersetzung findet er "schlank, nuancenreich".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.02.2020

Laut Rezensentin Judith von Sternburg schließt J.M. Coetzees "dunkles, kaltes Evangelium" im dritten Band mit der völligen Verweigerung einer Botschaft: Dass der rätselhafte, aber umso klügere David mit zehn Jahren stirbt, kann sie höchstens als Annäherung an das Geheimnis des Todes lesen, wenn sie die Entwicklung nicht als radikale Absage des Autors an einen letzten Sinn hinnehmen will. Im Gegensatz zur Tönung des Romans leuchtet seine Prosa aber umso heller, erklärt die Kritikerin: Coetzees "glasklare" und überraschend simple Sätze schwören dem schönen Schein der Literatur ab, sinniert sie.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.02.2020

Rezensent Andreas Isenschmid zeigt sich alles in allem enttäuscht vom vorliegenden letzten Band von J. M. Coetzee Jesus-Trilogie. Die reizvolle Rätselhaftigkeit um die schillernde Gestalt des David in den beiden Vorgängerromanen scheint ihm dahin, schmückt der Autor seine Figur doch mit allerhand weltlichem Tand wie Fußball und Waisenheim und lässt sie mir nichts dir nichts im zarten Alter von 10 sterben, Passion und Auferstehung exklusive. Das Religiöse und metaphysisch Kühne der ersten beiden Bände kommt dem Rezensenten hier einfach zu kurz. Dass dieser David der Messias sein soll, mag Isenschmid nun nicht mehr glauben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.02.2020

Selbst die beschlagene Angela Schader lässt J.M. Coetzees Trilogie ein wenig ratlos zurück, deren Abschlussband mit dem Titel "Der Tod Jesu" durchaus wuchtig gesetzt ist und mit einem "fahlen, trockenen Kolorit" kontrastiert. Aufmerksam betrachtet die Rezensentin den von Coetzee gelegten Spuren, das "feine Gespinst" kultureller und religiöser Bezüge, die biblischen Anspielungen. Wenn sich der in der Fremde ausgesetzte Junge dagegen sperrt, gelenkt oder auch nur verstanden zu werden, dann hört Schader ein Echo des enigmatischen Gotteswortes "Ich bin, der ich bin" anklingen, das allerdings im Todeskampf des Jungen zu einem "Warum bin ich hier" gerinne. In der Überzeugung, dass Coetzee nicht leichtfertig zehn Jahre seines Lebens auf eine solches Romanprojekt verwendet, wendet sie es positiv und erklärt das Buch zu einer Parabel über die "Grenzen des Verstehens".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.02.2020

Nicolas Freund rät dazu, sich die Rätselhaftigkeit in diesem letzten Band von J. M. Coetzees Jesus-Trilogie zu bewahren. Die Figuren können als Jesus, Maria und Josef verstanden werden, meint er, sie müssen aber nicht. Ebenso stehen die Entwicklungen in diesem Buch, die Apotheose des Jungen David, in einer Verbindung zu den Vorgängerbänden, sie stehen aber auch für sich, erläutert Freund, der darin die Kunst der Trilogie sieht, weil es den Leser dauernd zur Reflexion seiner Annahmen antreibt. Und damit nicht genug, so Freund. Die Evangelien selbst, findet er, werden infrage gestellt in Coetzees "karger" Prosa.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.01.2020

Sigrid Löffler quält sich durch den "steifleinenen" Abschlussband von J. M. Coetzees Jesus-Trilogie. Trocken, ausgedacht und erfahrungsarm nennt sie Coetzees Erzählen, auch wenn der Autor sich im Text auf Könner wie Dostojewski, Platon und Cervantes beruft. Worum es sich bei der Geschichte um den nunmehr zehnjährigen fußballtalentierten und unter einer rätselhaften Nervenkrankheit leidenden David handelt, einen vor Bibelzitaten strotzenden Thesenroman, eine philosophische Parabel, eine "Anti-Bibel", vermag Löffler nicht zu entscheiden.