Henri Murger

Boheme

Szenen aus dem Pariser Leben
Cover: Boheme
Steidl Verlag, Göttingen 2001
ISBN 9783882437744
Gebunden, 320 Seiten, 14,32 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Inge Linden. Sie sind Künstler. Sie haben kein Geld, aber viele Flausen im Kopf. Sie sind Bohemiens ? ein Menschenschlag, den so wohl nur Paris hervorbringen konnte. Alexander Schaunard, der Musiker, Marcel, der Maler, Gustav Colline, der Philosoph, und Rudolf, der Dichter, sind künstlerisches Proletariat und daher gesellig. Also gründen sie einen Boheme-Bund, denn einer nimmt doch hier und da ein wenig Geld ein, das sogleich verjubelt wird. Zum Beispiel mit einem Fest ...
Henri Murgers Roman von 1851 gilt als Urtext der europäischen Boheme-Literatur und inspiriert bis heute zu Nachahmungen und Bearbeitungen: Puccinis Oper "La Boheme" geht ebenso auf Murger zurück wie "Das Leben der Boheme" des Filmregisseurs Aki Kaurismäki.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.02.2002

Henry Murgers Titel "Boheme - Szenen aus dem Pariser Leben" gilt nach Rainer Hoffmann zu Recht als "Urtext der europäischen Boheme-Literatur", ohne den es weder Puccinis Oper "La Boheme" noch Aki Kaurismäkis Film "Das Leben der Boheme" gäbe. Von Murgers "munter sentimentalen, so witzig wie geistreich erzählten Episoden" über die Pariser Boheme ist unser Rezensent sichtlich angetan, erzählen sie doch von "der Geburt der Heiterkeit aus dem Geist der Melancholie". Nicht so begeistert ist Hoffmann allerdings von der lieblosen Neuausgabe dieses Textes. Schon, dass man ihn als "Roman" publiziert, wo der Autor selbst von "kleinen Geschichten" spricht, nervt den Rezensenten. Das bleibt nicht das einzige Manko: Hoffmann bemängelt, dass es weder ein Nachwort mit Informationen zu Leben und Werk des Autors, noch Anmerkungen zum Text gibt. Auch bei der Übersetzung - sie stammt aus dem Jahr 1923 - hätte eine Überarbeitung Hoffmann zufolge nicht geschadet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.06.2001

Das 1851 veröffentlichte Buch des Journalisten und Malers Henri Murger über die Bohème, jenes Pariser Künstlerproletariat, um das sich die Legenden meterlang ranken, ist für Martin Mosebach ein kulturhistorischer Schatz. Viele Klischees - beispielsweise das über den genialen, aber armen und verkannten künstlerischen Avantgardisten - sind in jener Zeit entstanden, als Paris einerseits die Metropole der Kunst schlechthin war, andererseits es um die Förderung vieler Künstler nicht allzu gut bestellt war, erzählt der Rezensent. Eine ganze Reihe von Bohème-Motiven hat der Autor jedenfalls beobachtet und in seinem Band sehr anschaulich beschrieben, auch wenn seine Darlegung für den Rezensenten in starker Konkurrenz zu Puccinis Oper "La Bohème" steht. Was den Rezensenten am meisten an Murgers Bohème überrascht hat, ist das Dauerthema Geld: "Wenn der Leser sich alle Rechenoperationen des Buches ins Gedächtnis ruft, könnte er glauben, eine gigantische Textaufgabe gelesen zu haben", stellt Mosebach mit leicht amüsiertem Unterton fest. Eines bedauert der Rezensent aber zutiefst. In den von Murger romantisierend beschriebenen Pariser Absteigen hätte er auch gern mal genächtigt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.04.2001

Kathrina Rutschky findet diese Neuauflage von Henri Murgers feuilletonistischer Beschreibung der Pariser Boheme im vorletzten Jahrhundert durchaus spannend, wenn auch der Reiz der Beschreibungen ein eher indirekter ist. Die Gründe, die Murger einst zum Erfolg werden ließen - nämlich dass er Einblicke gewährte in eine unbürgerliche, sexuell freizügige Künstlerwelt - sind angesicht der gesellschaftlichen Entwicklungen heutzutage kaum mehr interessant. Rutschky findet aber dennoch, dass man dem Buch einiges abgewinnen kann, wenn man es als "postmoderne Lektüre" begreift. Spannend ist Murger, weil er "in halbnaher Entfernung, mal realistisch, sarkastisch, mal sentimental eine Welt beschreibt, der er so wenig gewachsen ist wie seine neugierigen, aber ängstlichen Leser". Zudem attestiert sie ihm "psychologischen Scharfblick" und ein "soziologisches Interesse". Mit der Übersetzung von 1923 wird Rutschky aber nicht ganz glücklich, sie fände eine neue Übersetzung angebracht. Darüber hinaus vermisst sie bei dieser Neuauflage Sacherläuterungen, die den historischen Kontext etwas transparenter machen.
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