Helene Hegemann

Axolotl Roadkill

Roman
Cover: Axolotl Roadkill
Ullstein Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783550087929
Kartoniert, 208 Seiten, 14,95 EUR

Klappentext

'Schreckliche Leben sind der größte Glücksfall', schreibt die 16jährige Mifti in ihr Tagebuch. Seit dem Tod ihrer Mutter lebt sie in Berlin, und als 'pseudo-belastungsgestörtes' Problemkind durchläuft sie nach 'Jahren der Duldungsstarre' gerade eine extrem negative Entwicklung. Obwohl intelligent und gut situiert, nimmt sie Drogen, verweigert die Schule und hat sogar Argumente dafür. Anstatt sich an Konventionen abzuarbeiten hinterfragt und analysiert sie nämlich permanent die gesellschaftliche Situation, in der sie sich befindet. Sie wohnt bei ihren wohlstandsverwahrlosten Halbgeschwistern und ihr Vater steckt noch immer in seiner frühkindlichen Allmachtsphase. Freiheit und Selbstzerstörung fallen zusammen und Mifti entlarvt in ihren von Wahn und Genie geprägten Zwischenwelten Sprache, Lebensentwürfe und Vorgegebenheiten der Erwachsenen. Sie kokettiert mit ihrer Kaputtheit und sucht im 'allgemeinen Dahinschimmeln' nach einem Zugriff auf ihr eigenes Leben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.02.2010

Rezensentin Dorothea Dieckmann hat mit Helene Hegemanns "Axolotl Roadkill" den Debütroman über eine "wirklich kluge, wirklich beschädigte und wirklich junge Frau" gelesen. Sie bewundert den Furor der Beschreibung und die Stilsicherheit der Dialoge. Dass manches auch redundant ist, egal. Dieckmann hat hier eine ziemlich treffende Beschreibung der Nuller Jahre des 21. Jahrhunderts gelesen. Denn Hegemann beschreibt am Beispiel der 16-jährigen Mifti, wie es sich in einer Welt lebt, die Dieckmann mit Pasolinis Wort vom "Konsumfaschismus" treffend beschrieben findet. Gleichzeitig beschreibt für sie das Buch ein Dilemma, dem sich die Autorin Hegemann selbst nicht entziehen kann: Neutralisierung durch Umarmung. Hegemann habe abgestritten, dass ihr Vater, der Volksbühnen-Dramaturg Carl Hegemann, das Vorbild ist für Miftis Vater, einen "linken "Freelance-Kulturfuzzi", erzählt Dieckmann. Im Interview habe die 17-jährige Autorin erklärt, ihr Vater sei großartig und habe das Manuskript als erster lesen dürfen. "Treffender kann man das fatale Dilemma des bösen Mädchens nicht auf den Punkt bringen", meint dazu die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.02.2010

Begeistert zeigt sich Peter Michalzik von Helene Hegemanns Debüt "Axolotl Roadkill". Das Buch der 17-jährigen Berlinerin, das derzeit sämtliche Feuilletonisten enzückt, sieht der Rezensent ganz klar als Coming-of-Age-Buch, das für ihn "eher Halluzination als Geschichte, mehr Vision als Roman" ist und sich irgendwo zwischen Roman und Tagebuch bewegt. Schon lange hätte es keinen Erstling mehr gegeben, der einen derart intensiven "eigenen Sound" entwickle und die Gegenwart mit einem Mal so intensiv erlebbar mache, schwärmt Michalzik. Die Stärke von "Axolotl Roadkill" liege nicht nur in Hegemanns Sprachgebrauch, sondern auch in ihrem Mut, ihre "denkgeile Phantasie" weiterzuspinnen, meint Michalzik. Im Zentrum des Buches steht die 16-jährige Mifti, die ein Berliner Boheme-Leben zwischen Drogenrausch und Sex-Abenteuern führt, wie der Rezensent weiß. Michalzik lobt die "reaktionsschnelle, sperrangelweit offene, kämpferische, halluzinogene Ultrasensibilität", mit der die Autorin umzugehen weiß, und bringt diese in Verbindung mit zwei wichtigen Personen aus ihrem Umfeld: mit ihrem Vater, dem Dramaturgen Carl Hegemann, und Christoph Schlingensief.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.01.2010

Rezensentin Nina Apin zeigt sich ziemlich angetan von diesem Roman der erst 17-jährigen Autorin Helene Hegemann, trotz ihrer anfänglichen Skepsis und dem Eindruck, dass die positive Rezeption in den Feuilletons nach einem "Medienhype" a la "Feuchtgebiete" rieche. Doch bei fortschreitender Lektüre "öffnet sich zwischen Kotz- und Sperma-Pfützen eine saubere Prosafläche" und der Hype erweist sich in Apins Augen als völlig gerechtfertigt. Dass Hegemanns Art zu schreiben von ihren Erfahrungen mit Kino und Theater geprägt ist, merkt man nach Meinung der Rezensentin an ihren "pointierten Dialogen und scharf zugeschnittenen Szenen". Sie stört sich lediglich daran, dass die Autorin "allzu offensiv" bemüht scheint, ihr junges Alter zu kaschieren. Das ist Apins Meinung nach insofern bedauerlich, dass der Reiz des Romans gerade in der "radikalen Subjektivität, der Unbedingtheit und Albernheit der Jugend" liegt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.01.2010

Mara Delius ist ganz aus dem Häuschen. Die Autorin - Jahrgang 1992! - hat ein Buch über die Wohlstandsverwahrlosung im Leben der sechszehnjährigen Mifti im Berlin der Nullerjahre geschrieben, das ihr gerade wegen seiner Härte und Vulgarität schön erscheint. Dabei kriegt die Rezensentin beim Lesen eigentlich keinen Fuß auf den Boden, alles fließt und verwischt, nichts behält Kontur oder kriegt die Kurve. Es ist eine Zwischenwelt des Exzesses, von der Helene Hegemann erzählt. Das Leben mit Sex, Drogen und Gewalt bekommt durch eher einfache Einsichten und die dargestellte kühle Verzweiflung allerdings eine Qualität, die Delius bemerkenswert vorkommt. Als etwas Neues, Unerhörtes, zielend auf das Zentrum unserer Konsenskultur.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.01.2010

Eine "schrille Sinfonie", ein "Kugelblitz in Prosaform", staunt Ursula März über den Debütroman der siebzehnjährigen Autorin, deren Leben ihren Informationen zufolge bereits ein "volles Künstlerprogramm" ist. Zwar findet sie manches an dem Buch auch nervtötend, etwa den "Fickundkotz-Jargon" oder den "nicht minder gewollten Theoriejargon". Dem disharmonischen Gesamtklang des Romans jedoch bescheinigt sie, eine packende Mischung aus "schwärzester Verzweiflung" und "spinnerter Vergnügung" zu sein und hört gar das Grundgeräusch unserer Gegenwart aus dem Buch dringen. Es handelt sich, wie man liest, um die "hemmungslose, halluzinatorische Entladung" eines traumatisierten Bewusstseins sowie die gleichzeitige Parodie davon, ordnet die Kritikerin die Geschichte der jungen Mifti ein, die in chaotischen Intellektuellenverhältnissen am Prenzlauer Berg lebt und Helene Hegemanns Protagonistin ist. Es handele sich auch um keinen klassischen Entwicklungsroman, aber immerhin doch um etwas Ähnliches. Hegemanns Stärke sei das situative, szenische, aber auch manch ausgeklügelte Idee, wie das Motiv des Axolotl, für das die Kritikerin dieser Autorin manche Schwäche des Romans locker verzeiht.
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