Haruki Murakami

Afterdark

Roman
Cover: Afterdark
DuMont Verlag, Köln 2005
ISBN 9783832179403
Gebunden, 237 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. Afterdark - nach einer Jazznummer - heißt der neueste Roman von Haruki Murakami. Und: Afterdark ist das spannungsvolle Buch einer Nacht, erzählt wie durch das Auge einer Kamera. Diese streift über das Panorama der nächtlichen Großstadt: Leuchtreklame und digitale Riesenbildschirme, Hip-Hop aus Lautsprechern, Ströme erlebnishungriger Angestellter und weißblonder Teenager in Miniröcken. Wie mit einem Zoom beobachten wir die Orte nächtlicher Handlungen, die sich dramatisch verbinden und entfalten. Wir begegnen dem jungen Mädchen Mari mit einem Musiker in der Filiale einer Restaurant-Kette sowie der Geschäftsführerin eines Love-Hotels, in dem gerade eine chinesische Prostituierte von einem Freier misshandelt wurde. Wir sehen im 24-Stunden-Supermarkt einen Büroangestellten, wie er das Handy der Chinesin aus dem Love-Hotel in ein Kühlregal legt. Und wir haben die Videoüberwachung bemerkt und dass ihm bereits der Zuhälter auf der Spur ist. Außerdem betritt der junge Musiker diesen Supermarkt und hört das fremde Handy läuten, während das wunderschöne Mädchen Eri, die Schwester von Mari, seit Monaten ununterbrochen schläft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2006

Irmela Hijiay-Kirschnereit sieht sich von dem Roman Haruki Murakamis in die Rolle der Voyeurin gedrängt, setzt er doch trotz des in dem Buch ständig heraufbeschworenen musikalischen Klangteppichs vor allem auf "visuelle" Effekte. Der japanische Autor erzählt parallel von den beiden Schwestern Mari und Eri, und in der "Geschichte einer Nacht" vermischt sich Realität und Unwirklichkeit, was zu dem bei Murakami schon gewohnten "geheimnisvollen" und gleichzeitig "banalen" Eindruck führt, beschreibt die Rezensentin. Dieser Roman ist allerdings "ungleich leichtgewichtiger" als seine Vorgänger, und Hijiay-Kirschnereit kann sich vorstellen, dass die Kritiker, die dem Autor immer schon die "hedonistische Egozentrik" seiner Figuren angekreidet haben, auch diesmal Grund zur Klage finden. Was sie zudem irritiert, ist die zunehmende Tendenz zur "globalisierten" Aufbereitung bei der Übersetzung von Literatur, die kulturelle Eigenheiten immer mehr einebnet, was sie auch bei "Afterdark" stört. Insgesamt, moniert sie, bleiben die Figuren des Romans "diesmal blass" und auch die Geschichte ist "etwas schal geraten".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.01.2006

Jörg Plath geizt nicht mit Kritik. Eine "missratene Fingerübung" nennt er Haruki Murakamis Roman "Afterdark", mit der der japanische Kultautor "haarscharf an einer Schmonzette vorbei geschrammt" ist. Zwar sei alles da, was man bislang an Murakami liebte: die Szenen sind effektiv erzählt, ohne ein Wort zuviel, und es gibt auch die gewohnten kleinen Stolpersteine, die den Leser wohlig befremden. Und doch - diesmal befriedigt den Rezensenten das Gesamtergebnis ganz und gar nicht. Jener Murakami-typische Moment etwa, wo ein "rätselhaftes Ereignis" ein Fenster öffnet in eine wunderbar andere Welt, ist in diesem Fall kein faszinierendes Rätsel, sondern ein platter Nepp, findet Plath. Auch dass Murakami, schon immer wohl mit seiner Schreibweise und Figurenzeichnung ein Grenzgänger zum Film, mit Versatzstücken des "klassischen Großstadtfilms spielt", kann den Rezensenten nicht überzeugen, der hier eher den "hölzernen Charme von Regieanweisungen" verspürt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.01.2006

Mit einem Reigen von "wie üblich bei Murakami" feiert die Rezensentin Susanne Messmer vor allem die Dialoge in "Afterdark": Wie üblich seien sie besonders lang und haften nicht besonders gut im Gedächtnis, und besitzen doch - wie üblich - eine unschlagbare Eleganz, die sich nicht zuletzt Haruki Murakamis ausgeprägtem Sinn für die unwirklichen Momente der Wirklichkeit verdankt. Wie üblich gehe es in den meistens zwischen Mann und Frau stattfindenden Dialogen keineswegs um nichts, und es wirke umso eleganter, wenn die Gesprächspartner so tun, als wäre nichts, und ihrer schwierigen Situation zum Trotz den Humor bewahren. Und doch, erfährt man am Ende von der Rezensentin, kommt den Dialogen in diesem Buch eine neue Aufgabe zu, nämlich über das Übrige, das sich außerhalb der Dialoge abspielt, hinwegzutrösten. Dieses Übrige, wie sonst nicht üblich bei Murakami, wirkt auf die Rezensentin wie eine Stilübung und krankt an der Distanz, die sich zwischen dem Leser und Murakamis Personal aufbaut. Schuld daran, so die Rezensentin, ist Murakamis unglücklicher Versuch, den Erzähler als eine Art "versteckte Kamera" zu gebrauchen, anstatt den Leser in die Figuren mit hineinzuziehen. Was zur Folge hat, so das nun doch recht enttäuschte Fazit der Rezensentin, dass einem Murakamis "gewohnt durchschnittlichen und sympathischen Helden nicht so bedingungslos an Herz wachsen wie sonst".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.01.2006

Dieser Roman des "Vielschreibers" Haruki Murakami überzeugt Martin Krumbholz, der sich ansonsten durchaus für die "angenehme Leichtigkeit" und die "atmosphärischen Valeurs" seiner Werke erwärmen kann, nicht. "Offensichtlich" habe sich der japanische Bestsellerautor an amerikanischen Filmen orientiert, indem er mehrere Handlungsstränge und Figuren "punktuell" einander berühren lässt, glaubt der Rezensent, dem allzu vieles in diesem Roman zu "undeutlich" bleibt. Krumbholz kritisiert, dass die angestrebte "filmische Suggestion" zu "angestrengt und vergeblich" wirkt und er hat irgendwie das Gefühl, manches in diesem Roman in anderen Büchern des Autors "schon ähnlich und besser" gelesen zu haben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.12.2005

Robin Detje zeigt sich wieder einmal ungnädig. Diesmal ist ein japanischer Erfolgsschriftsteller sein Ziel. Haruki Murakami ist für ihn zwar Kult, aber keine Literatur. Detje spricht vom "Tom-Waits-Wong-Kar-Wai-Tapeten-Feeling", zitiert schnell und desinteressiert, ja, ein wenig welt- oder doch kulturbetriebsmüde die Versatzstücke Murakamischer Romankunst - der "gewalttätige Bürohengst", der "eine Prostituierte blutig" schlägt, "Mafiosi fahren Motorrad" etc. -, schweift kurz ab zu Paul Auster, den er für ebenso abgeschmackt und verschmockt hält wie Murakami, und dann bringt er noch einmal die Versicherung vor, dass sich hinter den blank- und schickgeleckten Fassaden dieser Art von Kunstwerken nur eines verbirgt: nichts.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.11.2005

Sibylle Berg wagt es kaum auszusprechen, dass sie ein wenig enttäuscht ist vom neuen Werk Haruki Marukamis "Afterdark", das ihren hohen Erwartungen an den Meister der Schwermut nicht gerecht werden will. Zwar entwerfe der Autor mit seinen traurig-schönen Gestalten, der 19-jährigen Mari, dem unscheinbaren Posaunisten, der Ringerin aus dem Love Hotel und Maris schöner merkwürdiger Schwester, "Miniaturen des immerwährenden Herbstes". Doch die filmische Perspektive, "die kleinen Momentaufnahmen von Leben", die Murakami wähle, lassen Berg die gewohnte Originalität vermissen. Die Sprache, die sich um Murakamis breit ausgeführtes Lieblingsthema, "die innere Unterwelt", geselle, sei schlicht und der Text wirke teilweise unmelodiös. Dennoch empfinde die Rezensentin auch bei diesem Roman "die ewig schöne Murakami-Melodie", das neblige Nachwirken der erzeugten einsam-melancholischen Stimmung.

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