Friederike Mayröcker

ich bin in der Anstalt

Fusznoten zu einem nichtgeschriebenen Werk
Cover: ich bin in der Anstalt
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518421666
Gebunden, 189 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Ein Buch der Betrachtungen von Körperlichkeit und Körperempfinden, ein Tasten nach den ständig sich verschiebenden Grenzen von Innen und Außen, ein Versuch ihrer Auflösung im Moment des Schreibens, radikal und schonungslos: "ich habe die Staubkrankheit, in Eschen laufend, ich wache auf mit dem Wort ZWISCHENGEBIRGE, wir fahren im Lift abwärts und ich ziehe 1 grünes Haar aus dem Ärmel seines schwarzen Mantels, Nixe mit grünen Haaren, der alte grüne Steingutteller mit den grünen Seerosenblättern, vor Wochen auseinandergebrochen, wieder geklebt, aus groszelterlichen Beständen oder weiter zurück, etwas wie Wollust über die Seerosenblätter zu streichen, imaginiere, wie sie, die längst Hingegangenen, ihre Speisen darauf verzehrt hatten, vermutlich Kuchenstücke, Bäckereien, denn es gab kein Leid in der Tiefe ihrer Schritte, ich heize, neige (dazu), überstürzt zu handeln, zu antworten, in Eschen laufend, und trug grünes Reisig unter den Augen, nämlich Rousseau, 'ich liebe es, mich mit Nichtigkeiten zu befassen, 100 Sachen anzufangen und keine zu Ende zu bringen, oder den ganzen Tag wirr und planlos zu vertändeln', mit grünen Ziegenblättern, etc."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.12.2010

Das Bild der alten Dame, das sich in diesem jüngsten Buch der Friederike Mayröcker aus 243 Fußnoten zusammensetzt, betrachtet Lothar Müller gern. Mayröckers Fußnoten stehen denen in wissenschaftlichen Arbeiten in nichts nach, findet Müller, genauso stellen sie Quellenbezüge her. Was macht's, dass das eigentliche Werk dazu hier fehlt? Müller jedenfalls vermisst es nicht, er ist mit den in den Noten herumgeisternden Schutzgeistern Derrida und Augustinus oder auch Jandl bestens bedient und beschäftigt, genau wie die Autorin selbst. Trotz aller Gedanken zu Tod, Alter und Begräbnissen, Blicken zurück in die Kindheit, hält der Rezensent dieses "Altersbuch" für ein quicklebendiges, erfüllt mit den quecksilbrigen Gedanken und Gesprächen der Mayröcker.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.09.2010

So gelesen ist das Alter keine schöne Sache, scheint es. Sabine Doering ist froh, dass Friederike Mayröcker so kritisch ist wie stilsicher, um die Selbsterkundung glücken zu lassen, für sich und für den Leser. Mayröckers Notate aus der Zeit von Dezember 2008 bis November 2009 geben der Rezensentin Einblick in das vergangene Glück der Kindheit, die Trauer und die Probleme der Autorin beim Wasserlassen, alles nüchtern festgehalten und mit Erinnerungen und Freundschaften pariert. Über diese "Immunität" freut sich Doering zusammen mit der Autorin.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.08.2010

Ergreifend fand Otto A. Böhmer diesen Lyrikband über die Angst vor der Hinfälligkeit des Körpers, dem Verlöschen des Geistes im Alter. Auch sei dieses Buch ein Zeugnis dafür, dass das beste Instrument gegen die Angst das Schreiben sei. Mit Hochgenuss zitiert der Kritiker Verse und Sentenzen, malt Mayröckers Denkmuster nach und zieht auch den Hut vor ihrer lyrischen Auseinandersetzung mit dem französischen Philosophen Jacques Derrida.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.06.2010

Weiter geht's nicht im Sprachlichen, meint Beatrice von Matt bewundernd über Friederike Mayröcker. Für Matt schreibt die Autorin mit diesem 2008/09 entstandenen Text ihr ambitioniertes Prosaprojekt fort, das durch den schöpferischen Sprachakt "eine ganze Welt" hineinreißt auf die Buchseiten. Von Mayröcker bewunderte Autoren haben ihren Auftritt (Handke, Barthes, Blanchot), laut Matt vor allem aber die Worte und Sätze, die ihr zwar oft an- und abgerissen entgegentreten, aber stets von "überlegener Rhythmisierung" getragen und von der Rezensentin auf eine "radikale" Befindlichkeit zurückzuführen sind. Besonders im Rekurs auf Derrida und in der Auseinandersetzung mit dem Tod der eigenen Mutter gibt die Autorin so eine wichtige Erkenntnis an die Rezensentin weiter: dass der Schreibende vor sich immer auch ein anderer, ein Fremder ist.