Eva Vieznaviec

Was suchst du, Wolf?

Roman
Cover: Was suchst du, Wolf?
Zsolnay Verlag, Wien 2023
ISBN 9783552073364
Gebunden, 144 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Belarussischen von Tina Wünschmann. Eva Viežnaviec würdigt die Frauen einer ganzen Generation - eingebettet in die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Ryna ist auf dem Weg von Darmstadt in ihr belarussisches Heimatdorf. Dort ist im 101. Lebensjahr ihre Großmutter gestorben - "fast blind und dürr wie eine Bohnenstange, aber bei vollem Bewusstsein und Kräften". Bis zum Schuleintritt ist Ryna einst bei ihr aufgewachsen: Sie lauschte den Geschichten, in denen nichts verschwiegen wurde, sie sah zu, wie Kinder und Erwachsene von Verwünschungen befreit und Wunden weggezaubert wurden. In ihrem Zwiegespräch mit der geliebten Großmutter lässt die heute in Warschau lebende Eva Viežnaviec das ganze 20. Jahrhundert mit all seinen Grausamkeiten vorbeiziehen und setzt der Überzeugung einer ganzen Generation von Frauen ein Denkmal, dass das Leben weitergehen wird, selbst auf verbrannter Erde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.07.2023

Rezensentin Sabine Berking hält diesen schmalen Roman der belarussischen Autorin Eva Vieznaviec für ein "literarisches Meisterwerk". Und zwar eines, das den belarussischen Diktator Lukaschenko verärgern dürfte, wie die Kritikerin hinzufügt. Denn Vieznaviec legt Schicht um Schicht die blutgetränkte Geschichte ihrer Heimat frei, begonnen in den Revolutionsjahren über den bolschewistischen Terror bis hin zur deutschen Invasion. Angelegt als "meditatives Zwiegespräch" zwischen der in Deutschland lebenden Pflegerin und Trinkerin Ryna und ihrer verstorbenen Großmutter, einer belarusischen Schamanin, erzählt Vieznaviec von Gewalt und Kollektivierung, Zwangsdeportationen und Judenverfolgung, aber auch von Widerstand, resümiert Berking. Die Poesie, Kraft und "hintersinnige Ironie" des von Tina Wünschmann einfühlsam übersetzten Textes beeindrucken die Rezensentin nachhaltig.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.06.2023

Rezensentin Judith Leister taucht mit der Protagonistin von Eva Vieznaviecs Roman in die von Gewalt und Krieg geprägte Vergangenheit von Belarus ein. Ryan, eine schwere Alkoholikerin, fährt zur Beerdigung ihrer Großmutter Darafeja in ihr Heimatdorf zurück, in eine Region, die während des Zweiten Weltkrieges zwischen den "Einflusssphären Hitlers und Stalins zerrieben" und zum Schauplatz fürchterlicher Kriegsverbrechen wurde. Darafejas Tagebücher zeugen von der Gewalt, die die Bevölkerung von der Oktoberrevolution bis zur Besatzung durch die Nazis immer wieder erleiden musste, erzählen von den Pogromen an der jüdischen Bevölkerung, aber auch vom Mut der belarusischen Frauen, so die Kritikerin. Darafejas, von religiösem und "magischem Denken" geprägter, Blick ziehen Kritikerin und Protagonistin gleichermaßen in ihren Bann.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 11.03.2023

Eva Viežnaviecs Geschichte spielt in einem belarussischen Dorf im vergangenen Jahrhundert und sei eine "Kampfansage" an Alexander Lukaschenko und sein Geschichtsverständnis, findet Rezensent Cornelius Wüllenkemper. Im Mittelpunkt des Romans steht die Altenpflegerin Ryna, die in Deutschland zur Alkoholikerin geworden ist und arbeitslos zum Begräbnis ihrer Großmutter nach Hause fährt, um dort mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden. Der "bittere" Blick der Autorin, die ausführlich beschriebenen Gewaltszenen und der gnadenlose Blick in die historische Vergangenheit, die von Geschichtsklitterung, Repression, Leid und Krieg geprägt ist, haben Wüllenkemper sichtlich mitgenommen. Der als Gespräch zwischen Enkelin und Großmutter angelegte Roman, so der Rezensent, sei ein "Panorama des Grauens" - aber auch eine Verbeugung vor den belarussischen Frauen, die über fünf Generationen auf verbrannter Erde weiterleben.