Edouard Louis

Die Freiheit einer Frau

Cover: Die Freiheit einer Frau
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021
ISBN 9783100000644
Gebunden, 96 Seiten, 17,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Eines Tages stand Édouard Louis' Mutter einfach auf und ging. Weg aus der Gegend, weg von ihrem zweiten Mann, der wie der erste soff und sie demütigte. Édouard Louis erzählt eindringlich und gnadenlos vom Wunsch, als Kind eine andere Mutter zu haben, und vom großen Glück, sie heute als befreite und glückliche Frau zu erleben.



Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.11.2021

Rezensentin Claudia Mäder folgt mit Interesse dem Versuch Édouard Louis'  seiner Mutter einen literarischen Zufluchtsort zu bieten. Der französische Schriftsteller erinnere in dieser Biografie feinfühlig an seine Mutter, erklärt Mäder. Das Erzählte ist der Rezensentin zufolge meist plastisch und Louis scheue sich nicht davor, auf die Missstände und unfairen Umstände in den armen Schichten der Gesellschaft, in denen er und seine Mutter lange lebten, hinzuweisen. Dass auch die Mutter mittlerweile in besseren Verhältnissen lebt, freut die Rezensentin und sie ist sich sicher, dass diese Frau, die nun einen Wohnwagen zu kaufen plant, auch außerhalb der Erzählung ihres Sohnes Freiheit erlangen wird.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.11.2021

Der Schauspieler Edgar Selge hält das neue Buch von Edouard Louis, diesmal über seine Mutter, für einen großen Wurf. Der Dialog zwischen Mutter und Sohn, den der Autor erinnernd und analysierend entwirft, verschafft Selge Einblicke in den Alltag der Mutter zwischen Arbeit, Armut und Scham, und in ihren Ausbruch aus der Misere. Die Empathie der Beschreibungen fällt Selge auf und auch, dass der Erzähler mit ihr ringt. Soghaft findet er den Text dennoch oder gerade deshalb, unmittelbar und genau in den Beobachtungen. Die inneren Widersprüche machen ihn groß, meint Selge.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.11.2021

Rezensentin Miryam Schellbach ahnt, dass der Fundus, aus dem Edouard Louis den Stoff für seine Bücher nimmt, unerschöpflich ist. Wenn Louis diesmal seine Mutter ins Zentrum einer Autosoziografie stellt, spürt Schellbach wiederum die "Sprache der Zärtlichkeit" mit ihren "eindrücklichen Bildern" für das unterprivilegierte Leben wie auch die Gewalt, die sich dahinter verbirgt. Dass Louis diesmal den Ton der Anklage gegen einen der "intimen Ansprache" ausgetauscht hat, wie Schellbach erkennt, ändert nichts daran, dass sie die Lektüre niederschmetternd findet - aber auch lehrreich.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.11.2021

Rezensentin Sigrid Brinkman lässt sich mit Freude "ganz auf die Seite des Autors" ziehen - von der tiefen Empathie zum Beispiel, mit dem der Autor seine Mutter porträtiert - mit der er die Geschichte ihrer Selbstbefreiung aus einer gewaltvollen Ehe erzählt und damit diesem Akt der Selbstbefreiung ein Denkmal setzt. Von der Treffsicherheit, mit der Louis jedes seiner Worte wählt und so die Atmosphäre der Gewalt und der Entfremdung, in der er aufwuchs, nachfühlbar macht. Von der Poesie dieser Worte und ihrer Sinnlichkeit. Von dem rührenden Feingefühl, der Zartheit, mit der er seine Mutter in einigen Passagen direkt anspricht. Und vor allem von der Offenherzigkeit, mit der der Autor seine eigene "Ratlosigkeit" formuliert. All dies lässt die hingerissene Rezensentin hoffen, dass genau diese offenen Fragen Gegenstand von Louis' nächstem Buch sein werden.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.11.2021

Rezensent Dirk Fuhrig vermisst den radikalen polemischen Ton aus den früheren Büchern von Edouard Louis nicht in diesem kleinen Text über die Mutter des Autors. Das sanfte, einfühlsame Porträt der "traurigen Frau aus dem Prekariat" gelingt laut Fuhrig, weil Louis hier nicht nur auf sehr persönliche Weise die Selbstermächtigung einer Frau schildert, sondern auch auf die analytische Thesenhaftigkeit der Vorgängerbücher verzichtet. Gern hätte Fuhrig noch mehr über diese Frau gelesen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 06.11.2021

Rezensentin Mara Delius ist geteilter Meinung über Edouard Louis' neues Buch. Wenn der Autor diesmal über seine Mutter schreibt, gelingen ihm laut Delius einerseits überzeugende und rührende Passagen über die Frau, die seine Mutter war, bevor er selbst auf die Welt kam. Andererseits gerät der Text im Anschluss schnell zu einem Abklatsch von Roland Barthes' erinnerungstheoretischen Gedanken zu einem Foto seiner Mutter, meint Delius. Und schlimmer noch: Bei Louis verschwinden die berührenden Momente der Erinnerung hinter der "Theoriesprechversessenheit" des Autors und seiner für Delius uneindeutigen Gesellschaftskritik. Das intime Mutterporträt wird so zur "Soziologiedichtung", bedauert die Rezensentin.