Die Welt der Encyclopedie

Cover: Die Welt der Encyclopedie
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783821847115
Gebunden, 496 Seiten, 65,45 EUR

Klappentext

Ediert von Anette Selg und Rainer Wieland. Im ersten Jahr des neuen Jahrtausends feiert ein Werk seinen 250. Geburtstag, das wie kein anderes zum Synonym für die europäische Aufklärung geworden ist: die "Encyclopedie ou dictionnaire raisonne des sciences, des arts et des metiers", konzipiert und herausgegeben von Denis Diderot und Jean le Rond d'Alembert.
Die Frage war nur, welche der 72.000 Artikel gehören zum Handgepäck für das dritte Jahrtausend? Auf diese Frage antworten die Herausgeber mit einem besonderen Clou: Sie haben zeitgenössische wilde Denker und Wissenschaftler aus aller Welt, die "Diderots von heute", gebeten, zu ausgewählten Stichwörtern eigene Artikel - Repliken, Fortschreibungen, Polemiken - zu verfassen. Fünfhundert Seiten aus der "Encyclopedie" sind neu übersetzt, vorhandene Texte durchgesehen und revidiert worden. Eingeleitet wird der Band durch einen Essay von Robert Darnton; eine Zeittafel und ein Literaturverzeichnis ergänzen die Edition.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.01.2002

250 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes der Encyclopédie von Diderot und d'Alembert, an der sie zusammen mit anderen Autoren 25 Jahren gearbeitet und 17 Text- , 11 Bild-, 4 Ergänzungs und 2 Registerbände mit insgesamt 72.000 Artikeln und 2.800 Kupferstichen veröffentlicht hatten, geben Anette Selg und Rainer Wieland nun einen Auswahlband heraus, berichtet Rudolf Walther. Der repräsentiert nun nicht die "Welt der Encyclopédie", meint der Rezensent, denn das sei angesichts der Fülle und Qualität der Originalbeiträge überhaupt nicht möglich. Die Auswahl der Artikel hält Walther aber in jedem Fall für gelungen, auch deren Übersetzungen. Weniger löblich äußert sich der Rezensent über die eingestreuten Zitate zeitgenössischer mehr oder weniger wichtiger Autoren. Die seien eher beliebig. Und auch die Kommentare zu den Originalbeiträgen findet Walther teilweise missraten und oberflächlich, "matt, verglichen mit dem Glanz" des Originals, so der Rezensent. Die Auswahl aus der Encyclopédie sei aber rundum lesenswert, resümiert Walther.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.12.2001

Ein interessanter Hintergrundartikel von Sabine Vogel, in dem man vermutlich mehr und anderes erfährt als in dem besprochenen Buch. Denn das Buch ist nur ein Bruchteil des großen "Buchs des Wissens", jener von Diderot 1772 herausgegebenen mehrbändigen "Encyclopédie", die sich die Enzyklopädisten in Form eines Baumes vorgestellt haben, der das zu Wissende hierarchisch ordnet: nicht mehr die Religion, sondern die Vernunft war das Ordnungskriterium. Große Wissens-Sammelbände gab es auch schon vorher, und Vogel berichtet, wie sich beispielsweise seit der Renaissance die Rubrik "Sonstiges" immer mehr füllte, weil man nicht mehr wusste, unter welchen Gesichtspunkten man bestimmte Fragen erörtern sollte: Naturwissenschaften versus Moral und Religion. War für Diderot wesentlich, so Vogel, dass nichts ausgelassen wurde, so ist genau das nun ein Merkmal dieses Auswahl-Bandes: er strotzt vor Auslassungen, und man weiß nicht welche, klagt Vogel. Zwar sind die Aufsätze zum Teil immer noch überraschend aktuell und der Band enthält außerdem 25 heutige Beiträge, aber warum in dieser Anordnung, hat sich Vogel nicht erschlossen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.11.2001

Ungehalten widmet sich Rezensent Lothar Müller diesem "Prachtband". Er ist empört über die vielen Kürzungen der Originalartikel, die zum Teil nicht einmal angegeben sind und so stillschweigend Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Zudem wird dadurch seiner Ansicht nach das System der Verweise der Encyclopedie empfindlich gestört, in vielen Fällen sieht er wichtige Verweise einfach weggelassen. Das Buch, so Müller verärgert , mache aus einem "Arbeitsinstrument", dass es dem Leser manchmal nicht leicht macht, ein schieres "Schmuckstück" und verkomme damit zu einem "Coffe-Table"-Band ohne großen Anspruch. Dass dazu keinerlei Illustrationen aufgenommen worden sind, heizt seinen Unmut weiter an. Allerdings gibt er sich am Schluss etwas versöhnlicher, indem er die Kommentare, die den einzelnen Artikeln beigegeben worden sind, als "witzigen Trost" lobt. Die zeitgenössischen Kommentare dagegen, die von 25 ausgewählten Autoren geschrieben wurden, beurteilt er nur zum Teil als gelungen. Immerhin sei es "eine charmante Idee" gewesen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2001

Die Rezensentin Ursula Pia Jauch führt am Anfang ihrer Besprechung in die früheste deutsche Rezeptionsgeschichte der Enzyklopädie ein: So hätte Herder die Enzyklopädie als Beweis für den Verfall des französischen Geistes gesehen - gleichsam eine Bankrotterklärung der französischen Intellektuellen. Dieses Buch nun ( ein Band!) versammle nicht nur eine Auswahl von Artikeln der großen Aufklärer, sondern überdies auch noch einige zeitgenössische Aufsätze, wie Jauch informiert. So freut sie sich nicht nur über die radikale Aktualität mancher Artikel, sondern auch über gelungenen Aktualitätsbezüge der eingestreuten neuen Artikel. Enzensberger, der von der Enzyklopädie als einem 'unentbehrlichen geistigen Handgepäck für das dritte Jahrtausend', spricht, wird von Jauch gelobt, dass dies "wohl gesprochen und gut gemeint" sei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Philipp Sarasin bemüht sich in seiner eingehenden Kritik um Differenziertheit und Gerechtigkeit, doch kann er seine Enttäuschung und schließlich seinen Ärger nicht verhehlen. Dass sowohl die Auswahl sowie die Neu- beziehungsweise Erstübersetzung von rund 400 Artikeln aus der "Encyclopédie" von Diderot und d'Alembert eine gute Sache sind, versteht sich seiner Ansicht nach von selbst, und er begrüßt dieses Unternehmen ausdrücklich. Als allenfalls "gute Idee" lobt er dagegen die Tatsache, dass einige Artikel mit Kommentaren von bekannten Autorinnen und Autoren versehen werden, und hier setzt dann auch seine massive Kritik an dem Buch an. Während er einige wenige Kommentare, etwa jenen zum Stichwort "Geschiche", als "klug" rühmt, findet er viele andere enttäuschend" oder geradezu "ärgerlich". Beim Kommentar zum "Roman" wird er dann von "schierer Fassungslosigkeit" überwältigt, derart rückwärtsgewandt und überholt erscheinen ihm die Ausführungen. Auch der an den Tag gelegte "Kulturpessimismus" und das fast völlige Übergehen "moderner Debatten" bringen ihn ziemlich in Rage. Außerdem sei es prätenziös, die Kommentare typografisch mit den Originalartikeln gleichzustellen, so der Rezensent verstimmt. Was seine Geduld schließlich restlos erschöpft, sind die auf fast jeder Seite angefügten Literaturzitate. Diesen "elitären Zuckerguss" habe die "Encyclopédie" nun wirklich nicht nötig, schimpft er.