Denis Johnson

Der Name der Welt

Roman
Cover: Der Name der Welt
Rowohlt Verlag, Reinbek 2007
ISBN 9783498032302
Gebunden, 143 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Mike Reed, Assistenzprofessor für Geschichte an einer Universität im amerikanischen Mittelwesten, trifft auf einer Party eine beschwipste Schönheit: Kunststudentin, rothaarig, in einem blauen Samtkleid. Er nimmt sie kaum wahr; vier Jahre zuvor hat er seine Frau und seine Tochter bei einem Verkehrsunfall verloren, noch immer fühlt er sich im dunklen, ausweglosen Tunnel seiner Trauer gefangen. Einige Zeit später begegnet er der Studentin wieder: Bei einer gewagten Performance im Kunstseminar kommt er zu spät, muss unmittelbar vor der Bühne Platz nehmen und starrt der nackten Rothaarigen, die sich dort produziert, direkt zwischen die Beine. Zutiefst verstört spürt er ihr fortan nach, sieht sie als Nackttänzerin in einer Bar und dann als stimmgewaltige Sängerin beim Gottesdienst einer ländlichen Sekte, der Frieslander. Und wie so oft bei Johnson laufen zwei unvereinbare Existenzen auf einen Moment der Begegnung zu, der an eine Epiphanie grenzt, mit dunklen Untertönen von Verdammnis und Erlösung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.12.2007

Ungewohnt erscheint Christoph Schröder dieses Buch von Denis Johnson, das für ihn "mehr Novelle als Roman" ist. Schröder vermisst die apokalyptischen Reiter und den Furor früherer Johnson-Texte. In Johnsons Erzählung über die "elementare Leere" seines Helden allerdings, dessen Dasein als Uni-Dozent vom Auftauchen einer rothaarigen Schönheit "zwischen Schicksals- und Erleuchtungsmomenten" hin- und herpendelt, entdeckt Schröder nicht nur einen "religiösen Subtext". Hinter der schallgedämpften Fassade des Textes ahnt er die "Motivlandschaft" des Autors, ein "interessantes", doch nicht zwingend, wie er schreibt, "existentielles Spiel".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.2007

Das ist nicht Johnsons bestes Buch, gibt Verena Lueken zu, betont aber umgehend die außergewöhnliche Stellung und Qualität dieses Autors und seiner Meisterwerke wie "Fiskadoro" und "Engel". Soll heißen, auch wenn Johnson einmal nicht auf dem Gipfel seines Könnens ist, befindet er sich immer noch unendlich viel weiter oben als viele seiner Kollegen auch nur gucken können. Die Geschichte von einem College-Professor, der mit dem Verlust von Frau und Tochter ringt, sei manchmal belanglos, dann aber wieder von "überirdischer Schönheit", notiert Lueken. In den besten Szenen sei der Leser hier auf Tuchfühlung mit Leben und Tod wie sonst fast nirgendwo. Und Thomas Überhoffs "schnörkellose" Übertragung der ebenso "trockenen" wie "lyrischen" Art Johnsons begrenze die sprachlichen Verluste auf ein erfreuliches Minimum.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.10.2007

Nicht ganz glücklich ist Rezensent Hubert Winkels mit dem neuen Buch von Denis Johnson geworden, den er sonst als einen der großen amerikanischen Erzählern der Gegenwart schätzt. Nicht, dass er es diesem "düster-poetischen Reporter der Hölle auf Erden" grundsätzlich übelnehme, seinen Roman nun "so psychologisch-korrekt" wie nie zuvor im amerikanischen Mittelstandsmilieu zu verankern. Winkels stört vor allem, dass diese Geschichte eines Assistenzprofessors, der durch ein Unglück Frau und Tochter verliert, von Station zu Station immer bedeutungsschwangerer wabert und mit enormem Zaunpfahl auf existenzielle Lebensfragen verweist. Dann hat Johnson, und damit macht er dann das Maß für den Rezensenten voll, seine Geschichte auch noch poststrukturalistisch untertunnelt. Da hilft dann aus Sicht des Rezensenten auch nicht viel, dass der Roman grundsätzlich gut geschrieben ist. Die routinierte Aufdringlichkeit, mit der das Buch gestaltet ist, verhält sich aus Winkels' Sicht kontraproduktiv zur Schilderung der inneren Geheimnisse und Halluzinationen des Protagonisten, die so weniger existenziell sondern wie literarische Pose auf ihn wirken.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2007

Über weite Strecken hat Rezensent Frank Schäfer sein Vergnügen an diesem Roman gehabt, obwohl eigentlich sehr wenig passiere. Denis Johnson erzählt darin, so erfahren wir, von einem Mann, der nach dem Verlust seiner Familie nur langsam ins Leben zurückfindet. Einen guten Teil der Zeit kreist er um sich selbst und reflektiert - als Uni-Dozent und Historiker ist der Protagonist Michael Reed natürlich interpretationsgeschult - sein Leben, dessen Ereignisarmut er in seiner Umgebung immer wieder gespiegelt sieht. Das tut er in Schäfers Augen zwar mit "einigem Scharfsinn" und "interpretatorischer Verve". Dennoch stört den Rezensenten auf die Dauer die "zweite Lektüreebene" dieses "poetologischen Romans". Denn so sehr sich der Rezensent zunächst von "Reeds Einfallsreichtum" unterhalten fühlt, so sehr scheint er zum Ende des Romans hin davon ermüdet, dass Johnson die für ihn typische "Rollenprosa" in diesem Fall so gestaltet, dass die Interpretation jeder Handlung immer gleich mitgeliefert wird: "Man wäre manchmal einfach gern selber drauf gekommen."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2007

Mitunter kam es Gustav Seibt bei der Lektüre von Denis Johnsons Roman so vor, "als spräche Christus selber", nicht der Autor und seine Figur. Da war er gerade dabei, über das schwere Aufgebot an religiöser Symbolik zu stöhnen, schon hat ihn der Autor wieder. Johnsons "heißkalte Hölle der Gottverlassenheit" scheint Seibt dabei allemal lieber zu sein, als die dagegen gesetzte Offenbarung. Eine "religiöse Kunst", die Seibt als "Spiel der Paradoxe" deutet und die ihm vor dem Hintergrund amerikanischen Glaubenlebens mit seinen Freikirchen allerdings plausibel erscheint.
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