David Grossman

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Roman
Cover: Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Carl Hanser Verlag, München 2009
ISBN 9783446233973
Gebunden, 728 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Ora erzählt: von ihrer Liebe zu zwei Männern, von Wut und Zärtlichkeit, Verzweiflung und Leidenschaft und von ihrem Sohn Ofer, der sich freiwillig für einen Militäreinsatz im Westjordanland meldet. Seine Mutter hofft, das drohende Unglück zu bannen, indem sie ihrem Jugendfreund Avram, der im Sechstagekrieg selbst Soldat war, von Ofers Vorhaben berichtet. Und unerreichbar zu sein, falls das Schreckliche geschieht ... Autor und Friedensaktivist David Grossman spiegelt die großen Fragen in den kleinen Erlebnissen des Alltags. Er zeigt, wie in Israel das Schicksal der Menschen unauflöslich mit Politik verbunden ist. Ein mitreißendes, unvergessliches Buch und ein Protest gegen den Krieg.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2009

David Grossman saß an diesem Roman, in dem es so viel um ein Klima der Verlustangst geht, als ihn die Nachricht vom Tod seines eigenen Sohns in den letzten Tagen des zweiten Libanon-Kriegs im Jahr 2006 ereilte. Ora heißt die Heldin des Romans, um ihre Reaktion darauf, dass ihr Sohn in den Krieg zieht, geht es zunächst. Aber auch die Söhne, die Männer verfolgt Grossman auf ihrem Weg, und schildert nicht zuletzt, was der Krieg aus ihnen macht. Ora setzt sich in Bewegung, will das Schicksal nicht einfach passiv auf sich nehmen, sondern sucht den Sohn durch Erinnern, durch Erzählen für sich am Leben zu halten. Sehr beeindruckt zeigt sich die Rezensentin Anja Hirsch von diesem "bewegenden, vielstimmigen" Roman, in dem der Autor überzeugend wie nie zuvor die Intimität der Familie und die gesellschaftliche Wirklichkeit Israels miteinander in Beziehung zu setzen verstehe.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.10.2009

Ein grandioser, ja großer Roman – so feiert Rezensentin Marie Luise Knott im Aufmacher der taz-Literaturbeilage diesen Roman von David Grossman. Für sie ist Grossman, den sie zu einem Gespräch in Jerusalem getroffen hat, eine der wichtigsten Stimmen des Dialogs in Israel. In seinem Roman "Eine Frau flieht vor einer Nachricht" erzählt Grossman von einer Frau, Ora, die bei Ausbruch eines Krieges, für den sich ihr Sohn freiwillig meldet, mit ihrem früheren Geliebten in die Berge entflieht, um zu verhindern, dass sie zu Hause eine eventuell schreckliche Nachricht ereilt - so wie es der Autor mit seinem Sohn während des Libanonkriegs 2006 selbst erleben musste. Wie dieser eigene Schmerz den "Resonanzboden der Worte und Geschichten" verändert hat, konnte die überaus beeindruckte Rezensentin bei jedem Wort spüren. Doch geht es Grossman bei aller politischen Aktualität seines Roman nie darum, aus seinen Personen Ideenträger zu machen – darauf legt Knott in ihrer Besprechung großen Wert. Sie stehen nie für mehr als sich selbst, und speziell Ora findet Knott dabei so sinnlich gezeichnet wie eine Botticelli-Gestalt (auch dessen Maria kommt ihr in den Sinn, die fast abwehrend auf die Verkündigung reagiert). Für die großartigste Szene des Buchs hält Knott aber die Erinnerung von Oras Geliebtem an den Yom-Kippur-Krieg, als er selbst Soldat war und auf verlorenem Posten Tag um Tag ins Funkgerät sprach, "um sich und der Welt zu zeigen, dass er noch da ist".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2009

"Ein großer Antikriegsroman" ist David Grossmans "Eine Frau flieht vor einer Nachricht", bilanziert Rezensentin Stefana Sabin. Das hat ihrer Ansicht nach nur zum Teil damit zu tun, dass der Roman von der Wirklichkeit eingeholt wurde: Der Sohn des israelischen Autors fiel im Libanonkrieg, kurz bevor Grossman diesen Roman vollendet hatte, der vor der Angst einer Mutter um den im Krieg stehenden Sohn handelt. Die "ganz besondere emotionale Intensität" des Buches hat nach Ansicht der Rezensentin vor allem damit zu tun, dass es dem Autor gelingt, die Situation der gesamten Region durch das Leiden einer einzelnen Person zu beschreiben: Ora, die wie getrieben von ihrem Sohn Ofer erzählt, um dessen Leben sie fürchtet. Der Autor mache greifbar, wie das Glück des einzelnen und das der Gemeinschaft verquickt sind, und wie der Nahostkonflikt das Familienleben bedrängt. Dabei hat es Grossman für seinen Versöhnungsappell noch nicht einmal nötig, zu dozieren oder zu moralisieren, stellt Sabin beeindruckt fest.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.09.2009

Rezensentin Sigrid Löffler hat der Israel-Roman von David Grossman augenscheinlich sehr berührt und beeindruckt. Der israelische Autor schildert darin eine Art Pilgerwanderung von Ora mit ihrem verstörten Ex-Liebhaber Avram durch Israel, auf der sie ihm vom Leben ihres gemeinsamen Sohnes erzählt; mit ihrer großen "Trauerrede" über ihre Familie und über das vom Krieg gezeichnete Israel erhofft sie sich, den Sohn, der sich freiwillig zum Kriegseinsatz der Armee gemeldet hat, auf magische Weise zu beschützen, erklärt die Rezensentin. Auch wenn man nicht wisse, dass der Autor den Roman verfasste, während sein Sohn als Soldat im zweiten Libanonkrieg kämpfte, in dem dieser schließlich umkam, und sich auch Grossman eine magische, beschützende Wirkung des Erzählens erhoffte, wie er im Nachwort schreibt, kann man sich der "schmerzlichen Intensität" der Lektüre nicht entziehen, betont Löffler. Sie preist den Roman als kraftvolles und tiefgründiges Meisterwerk, das von der Zerrissenheit des Landes und den Möglichkeiten des Lebens unter diesen Bedingungen erzählt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.08.2009

Meike Fessmann hat einen Roman von "halsbrecherischer Menschlichkeit" gelesen, wie sie  ergriffen erwähnt. Man merke dem Roman von David Grossman die dahinter stehende persönliche Geschichte stark an. Wie seine Protagonistin Ora um ihren jüngsten Sohn bangt, der als israelischer Soldat in den Krieg zieht, musste sich auch der Autor im jüngsten Libanonkrieg um seinen Sohn sorgen. Dieser starb. Diese traurige Verzweiflung färbe den Roman, der die Absoluthaftigkeit einer Nachricht vom Tod des Sohnes aber geschickt zu umgehen weiß: Ora geht von Zuhause weg, weil sie nicht warten möchte. Sie entzieht sich der Möglichkeit, die Nachricht vom Tod des Sohnes überhaupt zu erhalten. Dem Autor gelinge es, die Unsicherheit menschlicher Existenz ohne "Pathos" oder "Sentimentalität" sprachlich darzustellen, was die Rezensentin hervorhebt. Sie beeindruckt die Fülle an Liebe, Zärtlichkeit und Eindringlichkeit, die diesen Roman für sie "wahrhaft groß" macht. Sie lobt die Übersetzung von Anne Birkenhauer, die die Ideenfülle des Autors einfange.
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