Daniel Jonah Goldhagen

Schlimmer als Krieg

Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist
Cover: Schlimmer als Krieg
Siedler Verlag, München 2009
ISBN 9783886806980
Gebunden, 685 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober und Ingo Angres. Immer wieder und immer häufiger steht die Weltöffentlichkeit fassungslos vor brutalen Gewaltausbrüchen, die in verschiedenen Erdteilen verübt werden, manchmal in abgelegenen Gegenden in Afrika oder Fernost, manchmal aber auch mitten in Europa. Meist richten Politik und Medien ihre Aufmerksamkeit jedoch erst auf diese Konflikte, wenn das Blutvergießen bereits in vollem Gange ist. Genau hier setzt Daniel Goldhagen mit seinem neuen Buch an. Er nimmt Ursprung, Verlauf und Folgen derartiger Konflikte in den Blick: Was bringt Menschen dazu, ihre Nachbarn Männer, Frauen und Kinder zu töten? Wie beginnt das Morden? Und wie hört es wieder auf? Und warum sehen wir meist tatenlos zu, wenn irgendwo ein brutaler und blutiger Völkermord stattfindet?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.03.2010

Zwiespältig scheint Rezensent Thomas Speckmann dieses Buch über Völkermorde, das Daniel Jonah Goldhagen vorgelegt hat. Zwar schätzt er die Analyse von Genoziden und ihren Motiven. Zudem hebt er die drastischen Schilderungen von Betroffenen, die die Brutalität des systematischen Mordens plastisch vor Augen führen, positiv hervor. Goldhagens Überlegungen aber, wie Völkermorde verhindert werden können, haben ihn nicht überzeugt. Dass der Autor auf Prävention setzt statt auf Intervention, hält Speckmann für richtig. Allerdings laufen die Ausführungen Goldhagens und insbesondere sein Plädoyer für die Rechtsfigur "Krieg gegen die Menschheit" in seinen Augen letztlich wieder auf Intervention hinaus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.01.2010

Rezensent Christian Hartmann rümpft erst einmal die Nase: Allzu simpel findet er Daniel Goldhagens Bestandsaufnahme der Völkermorde im 20. Jahrhundert. Laut Goldhagen, lesen wir, müssen politische Führer nur die "psychologischen Voraussetzungen" schaffen und eine passende Organisation bereitstellen, schon finden sich in jeder Bevölkerung genügend Menschen, die den geplanten Genozid dann ausführen helfen. Wobei Goldhagen "Genozid" sehr weit fasst, so Hartmann: Neben Hitler, Pol Pot und Stalin habe auch der amerikanische Präsident Truman mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki einen Völkermord begangen. Auch den Vorschlägen Goldhagens, wie man Völkermorde künftig verhindert, kann Hartmann nichts abgewinnen. Andererseits, gibt er im letzten Absatz seiner Rezension zu bedenken, braucht die Welt vielleicht "solche Pamphlete", um zu begreifen, dass Völkermorde noch keineswegs Geschichte sind.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.2009

Micha Brumlik hält Daniel Jonah Goldhagens neues Buch über die Entstehung von Völkermorden in weiten Teilen für überzeugend. Nach dem Bestseller über "Hitlers willige Vollstrecker" und dem Flop über christlichen Antijudaismus hat der amerikanische Historiker mit "Schlimmer als Krieg" seines Erachtens eine "bemerkenswerte Publikation" vorgelegt. Er findet in der "bestens recherchierten und durchdachten" Studie nicht nur eine "Phänomenologie von Genoziden", sondern auch starke Argumente für die am Fall des deutschen Antisemitismus gewonnenen These von der eliminatorischen Kultur und der persönlichen Verantwortung der Beteiligten am Genozid. Deutlich wird für Brumlik, dass große philosophische Entwürfe nicht zur Erklärung von Genoziden taugen. Demgegenüber hebt er Goldhagens These vom Völkermord als einem bewusst herbeigeführtem politischen Akt hervor. Während er in der Analyse mit dem Autor übereinstimmt, zeigt er sich im Blick auf dessen Vorschläge zur Verhinderung von zukünftigen Genoziden skeptisch. Fragwürdig scheint ihm hier besonders Goldhagens Vorschlag eines Kopfgeldprogramms zur Ausschaltung von zentral an Genoziden beteiligten Individuen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.11.2009

Micha Brumlik hält Daniel Jonah Goldhagens neues Buch über die Entstehung von Völkermorden in weiten Teilen für überzeugend. Nach dem Bestseller über "Hitlers willige Vollstrecker" und dem Flop über christlichen Antijudaismus hat der amerikanische Historiker mit "Schlimmer als Krieg" seines Erachtens eine "bemerkenswerte Publikation" vorgelegt. Er findet in der "bestens recherchierten und durchdachten" Studie nicht nur eine "Phänomenologie von Genoziden", sondern auch starke Argumente für die am Fall des deutschen Antisemitismus gewonnene These von der eliminatorischen Kultur und der persönlichen Verantwortung der Beteiligten am Genozid. Deutlich wird für Brumlik, dass große philosophische Entwürfe nicht zur Erklärung von Genoziden taugen. Demgegenüber hebt er Goldhagens These vom Völkermord als einem bewusst herbeigeführtem politischen Akt hervor. Während er in der Analyse mit dem Autor übereinstimmt, zeigt er sich im Blick auf dessen Vorschläge zur Verhinderung von zukünftigen Genoziden skeptisch. Fragwürdig scheint ihm hier besonders Goldhagens Vorschlag eines Kopfgeldprogramms zur Ausschaltung von zentral an Genoziden beteiligten Individuen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.10.2009

Unzulänglich scheint dem Rezensenten Jan Süselbeck dieses Buch. Groß angelegt ist es durchaus, umfangreich auch, aber die analytische Kraft, dem Thema beizukommen, besitzt Goldhagen nach Süselbecks Ansicht nicht. Es geht Goldhagen darum, einen historischen Aufriss der Erscheinungsformen des Genozidalen zu entwerfen, aber nicht nur in diagnostischer, sondern auch in präventiver Absicht. Am geschichtlichen Beispiel soll man zum Völkermord prädestinierte Gesinnung erkennen; dass er hier vor allem den islamischen Fundamentalismus im Blick hat, sagt der Autor in einem eigenen Kapitel sehr deutlich. Gefährlich nah freilich, so der Rezensent, kommen sich in Goldhagens Szenario die sehr verschiedenen Ideologien, von Stalin bis Hitler - auch wenn rhetorisch noch die Singularität des Nazismus betont wird. Vor allem aber versuche Goldhagen zwar den Völkermord durch ausführliches Vor-Augen-Führen des Bestialischen zu beschreiben, komme dabei letztlich aber über die "Geschichtsschreibung mit dem Taschenrechner" nicht hinaus.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.10.2009

"Weder originell noch produktiv" findet Rezensent Harald Welzer, im Hauptberuf Kulturwissenschaftler an der Universität Witten/Herdecke, diese Völkermordstudie, die aus seiner Sicht lediglich die "Simulation einer wissenschaftlichen Analyse" ist. Auch votiert sie Welzer zufolge entschieden gegen den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung, was die Sache für ihn noch schlimmer macht. Mit einiger "Hybris" ignoriere Daniel Goldhagen außerdem die Arbeit anderer Autoren zu Völkermorden. Doch die Arroganz, "alles neu erfinden zu wollen", führt dem Eindruck Welzers zufolge zu fehlender Stringenz in der Argumentation, zu auffälligen Redundanzen. Auch findet der Kritiker wenig Sachhaltiges, dafür umso mehr Absurdes. Zum Beispiel der Vorschlag, Kopfgelder auszuloben. Besonders zuwider ist Welzer der Vorschlag Goldhagens, jenseits der UNO zu agieren. Es ärgert ihn auch, dass Goldhagen einfach selber denkt und darauf verzichtet, der akademischen Forschung die nötigen Reverenzen zu erweisen. Welzer rät darum, das Buch totzuschweigen: "Bitte keine Debatte", lautet die Überschrift seines Artikels.