Barbara Frischmuth

Die Entschlüsselung

Roman
Cover: Die Entschlüsselung
Aufbau Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783351029272
Gebunden, 195 Seiten, 16,82 EUR

Klappentext

Auf dem Fetzenmarkt in Grundlsee erregt ein ausgestopfter Dachs die Begierde gleich mehrerer Käufer: Eine amerikanische und eine deutsche Forscherin, ein pensionierter Kulturhistoriker, ein Philologe aus Istanbul, sogar der Pfarrer und eben die Erzählerin versuchen, das Tier zu erwerben. Im Gerangel fällt ein verschnürtes Päckchen aus dessen Buch, das die Erzählerin rasch aufhebt und dem, wie sie bald erfährt, das eigentliche Interesse galt. Von den Konkurrenten, die ihr hartnäckig auf den Fersen sind, lässt sie sich widerstrebend erklären, was es damit auf sich hat: Es soll sich um den Briefwechsel des türkischen Dichters Nesimi mit der hiesigen Äbtissin Wendlgard vom Leisling handeln - merkwürdig ist nur, dass der Derwisch im 14. Jahrhundert als Ketzer verfolgt wurde und die Äbtissin 100 Jahre früher lebte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.11.2001

In Ansätzen gut, aber letzten Endes nicht wirklich gelungen findet Maria Frisé diesen neuen Krimi der Autorin Barbara Frischmuth, die sich im Verlauf ihrer schriftstellerischen Karriere ganz vielseitig an verschiedenen literarischen Genres versucht hat. In dieser Sprunghaftigkeit sieht die Rezensentin auch das Problem dieses Roman: Er steckt für sie voller guter Ideen, die aber nicht richtig zusammengefügt sind, und außerdem fehle es dem Krimi an einem schlüssigen Ende. Wenn sich die Autorin mehr Zeit gelassen hätte, wäre aus "dem Stoff der 'Entschlüsselung' vielleicht so etwas wie ein steiermärkischer Eco werden können". So aber bleibt der Leser angesichts dieser zwischen Okzident und Orient angesiedelten Geschichte oft verwirrt zurück, und die "byzantinische Tangente", die eigentlich einen Zusammenhang zwischen den Handlungssträngen schaffen soll, "löst sich nicht selten in esoterischen Nebel auf".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2001

Die Geschichte des Romans "Entschlüsselung" klingt zunächst wie aus der Feder von Umberto Eco, gesteht Tomas Fitzel ein: ein Bündel alter Handschriften, die in Geheimschrift die Korrespondenz einer Äbtissin und eines persischen Dichters festhalten, sowie fünf Wissenschaftler, die um diesen Fund konkurrieren. Was dann folgt, so Fitzel, ist aber eben kein Mittelalter-Krimi, sondern knüpft vielmehr an den verschiedenen Mythenbearbeitungen der Autorin an. Da wird fleißig geforscht und spekuliert, unter Zuhilfenahme anderer Theorien, etwa von Ginzburg oder Ranke-Graves. Zwar sei das Buch, das ganz leicht dahinplaudernd daherkomme, auch eine Wissenschaftssatire, meint Fitzel, aber eigentlich drehe es sich um die nun selbst Objekt der Literaturwissenschaft gewordene Autorin. Hier nun verschlüsselt sich der Sinn der Rezensentenworte, die uns die Auflösung der Geschichte nicht verraten wollen, sondern auf das Bändchen verweisen, das anlässlich des 60. Geburtstages der Autorin erschienen ist und Romanausschnitte mit Aufsätzen (von wem auch immer) konfrontiert. Etwas unbefriedigend.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

"Die Entschlüsselung" ist ein Roman über eine in einem ausgestopften Dachs verborgene Geheimschrift, ein Briefwechsel zwischen einer Äbtissin und einem türkischen Dichter aus dem 14. Jahrhundert, an deren Deutung sich die Erzählerin Barbara Frischmuth nebst einem Pfarrer, einem Kulturanthropologen, einem türkischen Philologen und zwei amerikanischen Dozentinnen für women's studies zu schaffen machen, berichtet die Rezensentin Evelyn Finger. Das will aber auf den gut 200 Seiten nicht gelingen, stattdessen erfahre der Leser viel über ausgiebige Kaffeekränzchen, Wäschewaschen, lese lustlose Referate und schlappe Tagträume, bedauert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.09.2001

Angelika Overath weiß in ihrer langen Besprechung über den neuen Roman und den Gedichtband der österreichischen Schriftstellerin Barbara Frischmuth nur Positives zu berichten. Endlich, freut sich die Rezensentin, schreibt mal eine deutschsprachige Schriftstellerin ganz leicht über schwere Themen, anstatt sich in trockenen Problembeschreibungen zu ergehen.
1) Barbara Frischmuth: "Die Entschlüsselung"
Der Roman über die Entschlüsselung eines gut 500 Jahre alten Briefwechsels zwischen der Benediktineräbtissin Wendlgard und dem türkischen Dichter Nesimi ist "spannend, lehrreich, witzig, intelligent", voll "sinnlicher Poesie und gut pointierter philosophischer Zwiegespräche", lobt die Rezensentin. In ihre Geschichte habe die Autorin Slapstickszenen, Traumprotokolle, surreale Visionen und Alltagsbeobachtungen hineingebettet und führe den Leser gleichsam wie in einem minuziös recherchierten Krimi auf eine Reise in die Steiermark, in die Gegenwart, die Nazi-Vergangenheit, das Mittelalter, in die mythische Vorzeit der Druiden. Dabei bleibe der Leser stets auf der Spur der Protagonisten - ein Tross von österreichischen, amerikanischen und türkischen Wissenschaftlern - allerdings, das findet Overath aber nicht weiter schlimm, erfährt er auch immer erst als Letzter, was die entschlüsselungswütigen Forscher über die Benediktinerin und den Dichter herausgefunden haben.
2) Barbara Frischmuth: "Schamanenbaum"
Die allgegenwärtigen Motive der Autorin - kulturelle Vielfalt, Christentum, Häresie im Islam, starke Frauen - hat die Rezensentin auch in ihren Gedichten entdeckt. Die sind aus den frühen sechziger Jahren und stark von der einstigen Klosterschülerin Frischmuth geprägt, denkt Overath. In ihren mutigen, entschiedenen, oft sehr schönen Versen offenbare sich die Metamorphose der Lyrikerin hin zur Leichtigkeit der Prosaautorin. Für Overath scheint die parallele Lektüre von Roman und Gedichtband zu einem besseren Verständnis der Werke Frischmuths z führen.