Antonio Munoz Molina

Die Nacht der Erinnerungen

Roman
Cover: Die Nacht der Erinnerungen
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2011
ISBN 9783421044990
Gebunden, 1004 Seiten, 29,99 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen. Madrid 1935/36, am Vorabend des Spanischen Bürgerkriegs: Ignacio Abel, ein erfolgreicher Architekt, beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit der attraktiven Amerikanerin Judith Biely. Als Ignacios Frau das Verhältnis entdeckt, versucht sie, sich umzubringen. Judith, geschockt und geplagt von Gewissensbissen, verschwindet spurlos. Auf der Suche nach ihr irrt Ignacio durch die Straßen von Madrid, in denen die politische Lage sich zuspitzt. Wie durch ein Wunder gelingt es ihm, einem Erschießungskommando zu entkommen und nach Amerika zu fliehen. Dort trifft er überraschend Judith wieder, mit der er eine letzte Nacht verbringt, die große "Nacht der Erinnerungen". Kunstvoll verknüpft Munoz Molina die Schicksale zu einer Geschichte von später Liebe, Verrat und verpassten Gelegenheiten in Zeiten des Krieges.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.02.2012

Einen etwas zwiespältigen Eindruck hat Antonio Munoz Molinas voluminöser Roman über Spanien zu Beginn des Bürgerkriegs 1935/36 bei Rezensent Gregor Ziolkowski hinterlassen. Der Autor integriert historische Ereignisse und Persönlichkeiten, politische Strömungen und Verwerfungen, Reflexionen über das Leben, also quasi alles in "Die Nacht der Erinnerungen", so Ziolkowski, der dieses Umfassende, Ausladende des Werks schätzt. So gesehen ist dieses Buch für ihn geradezu ein Musterbeispiel für einen Roman, der ein großes Epochen- und Sittengemälde, die packend erzählte Geschichte seines Protagonisten und eine dichte, auf Vergegenwärtigung angelegte Erzählweise in sich vereint. Andererseits scheint ihm diese Stärke des Buchs auch seine Schwäche zu sein. Es lasse dem Leser nämlich "kaum Spielraum für Assoziatives, für die eigene Fantasie".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.01.2012

Einen Trumm von einem Roman hat Antonio Munoz Molina mit der "Nacht der Erinnerungen" vorgelegt, in dem sich den Informationen der Rezensentin Katharina Döbler zufolge ein in die USA geflüchteter Architekt das Jahr in Gedanken rekapituliert, in dem er die Kontrolle über sein Leben verlor, das Jahr 1936. Während sich Ignacio Abel in eine Affäre stürzt, geht seine Ehe in die Brüche und das Land versinkt nach dem Putsch der Falangisten im Bürgerkrieg. "Szene für Szene" schildere Munoz Molina die Ereignisse und lasse dabei eine große Zahl von eindrucksvollen und zum Teil historisch verbürgten Personen auftreten. Die Rezensentin macht dagegen vor allem eines geltend: Es wird ihr zuviel: Über all die Personen, Ereignisse und Details, die Abel in seinem Erinnerungsstrom vorbeiziehen lässt, verliert sie die Übersicht, wie sie sehr deutlich macht. In einer entschiedenen Kehrtwende möchte sie dies aber nicht gegen den Roman sprechen lassen, den sie vor allem aus erinnerungspolitischer Sicht bedeutend findet, da Munoz Molina eine ideologische Sicht auf den Bürgerkrieg durch seinen Fokus auf den einzelnen Menschen ersetze.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2011

Erst jetzt scheint die Zeit reif für Romane, die sich zwischen den Positionen von Siegern und Verlierern des Spanischen Bürgerkriegs situieren, meint Hans-Jörg Neuschäfer, der deshalb mit besonderem Interesse Antonio Munoz Molinas Roman gelesen hat. Fesselnde Liebesgeschichte und ein "melancholischer" Rückblick auf ein Spanien "zwischen den Extremen" zugleich, erzählt der Roman vom Architekten eines "Prestigeobjekts" der Zweiten Republik, der sich in eine Amerikanerin verliebt und als bürgerlicher Linker zwischen die politischen Fronten gerät, erfahren wir. Munoz Molina lässt seine fiktive Hauptfigur mit vielen historischen Protagonisten der Zeit zusammentreffen, und diese geriert sich in der Zeit zwischen Herbst 1935 und Spätsommer 1936 keineswegs als Held, das sticht dem Rezensenten im Unterschied zur gängigen Literatur über die Zeit positiv ins Auge. Vielmehr ist es ein "selbstkritischer" Blick zurück, dessen "tieferes Anliegen" der deutschsprachige Leser allerdings, wie Schmid befürchtet, kaum verstehen wird. Hätte man doch den Werbeetat für den Roman für einen Anmerkungsband mit Sach- und Personenregister verwendet, seufzt der Rezensent, der fürchtet, dass so das Buch hierzulande lediglich als Geschichte einer unmöglichen Liebe gelesen wird.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.09.2011

Paul Ingendaay preist Antonio Munoz Molinas neues Buch als "phänomenalen Roman" und würdigt den Autor als einen der wichtigsten Schriftsteller Spaniens. "Die Nacht der Erinnerungen" erzählt für ihn höchst eindrucksvoll von den ersten Wochen des spanischen Bürgerkriegs, im Mittelpunkt ein Architekt und Sozialist, verheiratet mit einer reichen Frau, der sich in eine amerikanische Studentin verliebt und, während er ihr nachjagt, erst allmählich realisiert, dass ein grausamer Bürgerkrieg das Land heimsucht. Das Werk ist zur Freude Ingendaays packend, historisch präzise und atmosphärisch dicht erzählt. Dabei unterscheidet es sich für ihn von den üblichen Bestsellern durch seine Tiefe und den Verzicht darauf, nostalgische Bedürfnisse bedienen zu wollen. Berührend zeigt "Die Nacht der Erinnerungen" wie Zauderer und Unpolitische zwischen Faschisten und Republikanern zermalmt werden. Sein Fazit: ein "totaler" Roman voller "Klugheit, Anteilnahme, eindringlicher Schilderungen und scharfsinniger Psychologie".
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